(Politiker)Blut ist dicker als Wasser

Was gab es für einen Aufschrei als der ehemalige Berliner Finanzsenator Sarrazin gegenüber der Lettre International ein Interview gab in dem er sich – wieder einmal – (man möchte es fast denunzierend nennen) über das Prekariat äusserte.

Nun – nach dem Kompetenzentzug durch die Bundesbank – bekommt Sarrazin Beistand (nicht nur) von seiner Partei:

Vertreter von CDU und SPD kritisieren die Bundesbank, die ihrem umstrittenen Vorstand Sarrazin Kompetenzen entzieht.

schreibt die Süddeutsche. Und ja, ich kann das nachvollziehen. Man muss immer nach der Motivation für eine Aussage oder ein Handeln fragen. Denn dann ergeben sich Bilder, die einen Sinn ergeben. Warum sollte sich die SPD, die Sarrazin für das Interview kritisierte(!) nun hinter den SPDler stellen? Der Sinn könnte darin liegen, dass auch ehemaligen Politiker eine „Restimmunität“ zugesprochen werden soll. Das normale Politikerleben sieht vor, dass man – wenn man mal so richtig Scheisse gebaut hat – von den Medien so richtig abgewatscht wird, aber ernsthafte Folgen? Also Entschuldigung mal, ernsthafte Folgen haben im Selbstverständnis eines Politikers nichts zu suchen. Ein Politiker wird nicht fristlos entlassen, nur weil er mal eine Freakadelle gegessen hat. Nur um auf die Titelseite der Bild zu kommen muss ein Politiker schon deutlich unangenehmer auffallen. Was ist da schon eine Aussage, die zu einem Reputationsverlust der Bundesbank führen kann? Peanuts!

Also werden sich die Politiker weiterhin hinter ihre ehemaligen Kollegen stellen, denn schon bald – so hoffen Sie – haben auch sie einen gutbezahlten Vorstandsjob und dann könnten diese Abstrafungen auch für sie „erreichbar“ sein. DAS geht ja gar nicht!

Wirtschaftswachstum das ich nicht brauche

In der FTD lese ich gerade mit leichtem Entsetzen:

Ein kleines Segment des Büromarkts stemmt sich gegen die Krise: In Westeuropa und Nordamerika steigt die Zahl der Callcenter und damit der Flächenbedarf dieser Spezialimmobilien.

Allein in der Bundesrepublik ist die Zahl der Beschäftigten dieser Branche nach Angaben des Call Center Forums Deutschland seit 2005 um 25,7 Prozent auf 440.000 gestiegen

Ganz ehrlich: Diese Entwicklung halte ich für kontraproduktiv. Jemand wie ich geht mit den Telefonhyänen hart um, meine Prinzessin war regelrecht erschrocken, als sie das erste mal anwesend sein „musste“, als ich von einem „Ich verkaufe dir dein Glück am Telefon“-Anrufer wahrlich genervt wurde. Diese Parasiten des Wirtschaftsleben gehen mir seit ca. 15 Jahren auf den Wecker.

Zuerst kamen diese wundervollen Geschäftsideen, tolle Renditen. Wobei sich einem unwillkürlich die Frage stellt, warum der Ideeninhaber sich nicht einfach ein paar Hunderttausend Euro von der Bank leiht um selbst reich zu werden, WENN seine Idee doch sooo sicher ist.

Mittlerweile sind es – zumindest bei mir – hauptsächlich Anrufe meines Mobil- oder Festnetzanschlussanbieters (zumindest geben sich die Anrufer als solche aus). Eines haben all diese Anrufer gemeinsam, egal was sie einem Privat oder geschäflich verkaufen wollen: Sie unterdrücken ihre Rufnummer. Was dazu führt, dass allein ein eingehendes Gespräch mit Rufnummerunterdrückung meinen Puls steigen lässt.

Die Penetranz der Callcenter gipfelt in Erlebnissen, wie es meine Eltern machen mussten: Von morgens bis Abends klingelte dort im 20-Minuten-Takt das Telefon. Ausschliesslich mit unterdrückter Rufnummer. Dies führte dazu, dass man sich schon Sorgen um seine „alten Herrn“ machte, da sie – aus verständlichen Gründen – das Klingeln des Telefons gänzlich ignorierten.

Mal ganz ehrlich: Wie dumm muss ein Unternehmen sein, dass immer noch der Meinung ist, mittels Telefonspammer seinen Umsatz erhöhen zu können. Ich bin der Meinung, dass Produkte, welche mittels Telefonaquise beworben werden, einen so grossen Reputationsverlust erleiden, dass dies niemals durch den Mehrvertrieb durch Telefondrücker aufgewogen werden kann.

Frage am Rande: Was ist so speziell an diesen Immobilien? Müssen die besonders gesichert sein, weil sie sonst vom Mob und Pöbel gestürmt werden?

Mehr zum allgemeine Infromationen zu den Arbeitsbedingungen in Callcentern findet findet man in dem Zeit-Artikel über die Arbeit von Günter Wallraff