Ist Sascha Lobo ein Turbokapitalist?

Manchmal muss man dann doch etwas zu Menschen schreiben, die man eigentlich aus dem eigenen RADAR verbannt hat. Sascha Lobo hat es geschafft sich nochmal in meine Aufmerksamkeit zu drängen, mit seinem „Plädoyer für die Beschleunigung…“ im Spiegel.

Es geht um Geschwindigkeit – vor allem um Geschwindigkeit der Kommunikation. Wie wichtig die stete Geschwindigkeitssteigerung ist.

„Geschwindigkeit“ – „immer schneller“, das waren die Begriffe die irgendwo in meinem Hirn kreisten, bis heute bei Twitter davidblnde meinen Gedankenknoten platzen lies:

Auch daß „Schnelligkeit“ so wichtig sei. Für wen eigentlich? Für Journaille vlt. Aber nicht für Politik!

Ja, wem nutzt es – wer profitiert von der „Geschwindigkeit“ der heutigen Zeit? Sind es nicht ausschliesslich die Kapitalisten? Wer den Lagerbestand schneller „dreht“ erwirtschaftet mehr Ertrag, wer die Informationen schneller hat, kann profitabler arbeiten.

Geht es dem Individuum auch um Geschwindigkeit – als ureigenstes Bedürfnis? Ich meine jetzt nicht den Testosteron -Porsche als Kompensationsglück. Ich meine es als Art des Lebens?  Es heisst zwar im Rock’n’Roll „live fast die young“ – aber wenn ich mir Ozzy heute so anschaue.. 🙂  Liegt uns denn nicht mehr an einem ruhigen Tag im Kaffee – einem Spaziergang oder einer ruhigen Fahrradtour?

Lobo schreibt:

Dahinter steht der reaktionäre Fetisch der Langsamkeit. Was langsam ist, verheißt Kontrollierbarkeit, Geschwindigkeit ist ein Zeichen von Kontrollverlust. Aus diesem Grund war der „Sturm auf die Bastille“ kein „Spaziergang zur Bastille“, aus diesem Grund existiert das preußische Diktum „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“.

Kontrollierbarkeit ist natürlich ein Schlüsselwort, denn wer will schon kontrollierbar sein? Habe ich aber nicht selbst viel mehr Kontrolle, wenn ich in Ruhe die Anderen analysiere? Wenn ich Entscheidungen wohlüberlegt treffe, anstelle Dummheiten schnell übers Knie zu brechen? Insofern wird das Ergebniss des Vergleiches von Lobo in Sachen „Sturm auf die Bastille“ auch zu einem „Sturm im Wasserglas“.

Wernn Lobo schreibt

Im Gegenteil, es handelt sich um die biologische Reaktion namens Stress, die Lebewesen seit jeher beim Überleben hilft. Stress ist etwas Gutes. Erst in der falschen Dosierung wirkt er schädlich, wie ungefähr alles andere auch.

Möchte ich ihn fragen, wieviel Stress denn gut ist – wo die Grenzen liegen? Ob Lobo weiss für welche Situationen der Mensch diese Funktion „Stress“ erlernt hat? Stress hilft uns in lebensbedrohlichen Situationen körperlich und geistig leistungsfähiger zu sein. Lobo findet es also gut, dem Körper und Geist vorzugaukeln, wir wären in Gefahr. Interessant, sowas nennt man bei Drogenexperimenten einen Horror-Trip – erstrebenswert nenne ich etwas anderes.

Es bleibt – nach lesen des gesamten Artikels –  nur ein Verdacht: Lobo ist ein verkappter Turbokapitalist, dem die FDP noch zu weich sein müsste.

Controllverlust beim Ctrl-Verlust

Dass ich vorrangig blogge um mir das Geld für den Therapeuten zu sparen, habe ich bereits erklärt. Aber ich blogge eben auch um etwas zu sagen – etwas von mir zu geben und meine Gedanken zu publizieren. In diesen Themenkomplex gehört auch meine stete Weigerung hier im Blog Werbung zu machen. Nicht für irgendwelche tollen Produkte auf die man mich hinweist, keine Google- oder sonstwas Adds und auch Link-Spam in den Kommentaren versuche ich hier rauszuhalten (Bloglinks bleiben natürlich drinnen, aber keine Links zu Reifendiskountern u.Ä.). All dies mache ich um unabhängig schreiben zu können und zu dürfen. Unabhängig ja, aber GANZ frei geht nicht – es gibt Gesetze und moralische/ethische Grenzen und an diese muss/will ich mich auch halten.

Aber es redet mir hier keiner rein – ich kann machen/schreiben was ich will. So wie es ein selbstständiger Unternehmer eben auch kann: Tun was er will – im Rahmen der gesetzlichen Regelungen. Als Angestellter hat man diese Freiheiten nicht: Wes Brot ich fress, des Lied ich sing. Ich kann an meinem Arbeitsplatz als „abhängig Beschäftigter“ nicht tun und lassen was ich will. Im Zweifelsfall erklärt mir mein Arbeit- und Geldgeber dass er in Zukunft auf meine Dienste verzichten wird.

Michael Seemann ist nicht in der Lage diesen Unterschied selbstständig/angestellt zu akzeptieren. Er hat gegen die Regeln seines Arbeit/Podiumgebers FAZ verstossen und beweint dies nun aufs garstigste. Eine Firma (und auch Medienunternehmen sind Firmen) funktioniert aber nur, wenn sich alle an die aufgestellten Regeln halten. Bei Michael Seemann liest es sich wie folgt:

1. Es gab wohl insgesamt Ärger mit einigen Bildern, die in Blogs verwendet werden, zum Beispiel auch in meinen. Deswegen ging eine Rundmail an einige der Blogger herum, man möge dort doch besser aufpassen und ein paar Tipps, wie man Bilder richtig einsetzt.

2. Gestern schrieb ich einen Artikel über Apple und den Computer an sich, den ich für heute früh (MEZ) für die Veröffentlichung einstellte. Als ich aufwachte, hatte der Artikel zwar schon recht viele Klicks für den Tag (ca. 1000), aber er war im Redaktionssystem nicht mehr frei geschaltet. Statt dessen eine Mail aus der Redaktion: Man habe den Artikel wegen mangelnder Bildrechte offline genommen. Was war passiert? Ich hatte Bilder verwendet, die zwar unter CC-Lizenz, aber nicht für die kommerzielle Verwendung erlaubt waren. Mein Fehler.

Ich meine: Sorry. Aber das ist ein wunderschönes Beispiel für ein Eigentor. Egal in welcher Branche und in welchem Umfeld: Der Arbeitsgeber klärt explizit – WEIL es Ärger gab – über gewisse Vorgehensweisen auf und bittet(!) um besondere Aufmerksamkeit. Wer danach diesen Fehler (nochmal?) begeht, hat einfach selbst schuld. Wenn Menschen die mir zuarbeiten sich so verhalten, werde ich auch SEHR deutlich. Für den Arbeit-/Auftraggeber zeigt solch Verhalten, dass man selbst entweder nicht gewillt ist sich an die Vorgaben/Regeln zu halten oder man diese Regeln nicht mal zur Kenntnis nimmt. Beides sind Gründe die Zusammenarbeit zu beenden. Wer da jammert soll Chef werden – dann stellt er selbst die Regeln auf.

Hier ist es augenscheinlich zum Clash der publizistischen Kulturen gekommen. Für Michael Seemann waren ein Ermessenspielraum des Autors und ein Recht auf unmittelbares Publizieren selbstverständlich. Die Zentrale sah ihr Vertrauen missbraucht und wähnte Kontrollverlust über Autor und Inhalte. Hier prallten zwei fundamental unterschiedliche Vorstellungen davon aufeinander, was “gute” Publizität ausmacht.

beschreibt Robin Meyer-Lucht den Vorgang bei Carta. Und ich befürchte, der grosse Crash liegt nicht in dem Zusammentreffen von Blogger und Medium sondern im Aufeinandertreffen von „Wurschtler“(nicht abwertend, sondern frei/kreativ beschreibend gemeint) und der Welt der Wirtschaft.

Don Alphonso beschreibt den Vorgang wie folgt:

Man liefert eine Leistung, hat enorm viele Freiheiten, und wird dafür ordentlich entlohnt. Das ist das freie Recht der dort Arbeitenden. Dafür muss man dann eben respektieren, wenn die Zeitung das freie Recht für sich in Anspruch nimmt, diese Leistungen nach eigenem Empfinden und eigener Entscheidung zu präsentieren. Das ist alles. Man kann damit gut leben, oder auch Verschwörungstheorien ins Netz setzen.

und dem ist nicht mehr viel hinzu zu fügen.