Virtualisierung und Cloud – der endgültige Tod der Systemhäuser?

Nachdem ich am Mittwoch an einer recht „bemerkenswerten“ Veranstaltung der IT-Business teilnahm, schwirrt in meinem Kopf eine Frage herum: Lassen die Systemhäuser tatsächlich dazu instrumentalisieren, sich selbst das Wasser abzugraben?

Sachstand ist der: Alle (grossen) Hersteller von Serversystemen setzen derzeit darauf, ihren (End)Kunden etwaige Dienste in eigenen Rechenzentren anzubieten. Das „Zauberwort“ heisst stehts „as a service“ – sei es Infrastruktur, Software und am Ende sogar Baaz (Buzzwords as a Service).

Schon heute haben Systemhäuser und Fachhändler Probleme ihr Einkommen zu generieren. Das liegt nicht nur an der Vielzahl von Arbeitslosen, Schülern und „Feierabendspezialisten“, die Support und Beratung leisten und sich durch Vertrieb ein kleines Einkommen dazu verdienen. Das liegt auch an dem Wandel im Vertriebsweg. Müsste man früher zum Fachhändler, wollte man einen PC oder höherwertige Software erwerben, so ersteht man seine Ware heute häufig im Mediamarkt oder bei Amazon. Dies wurde dadurch möglich, dass die Distributionswege durch die Hersteller komplett aufgelöst wurden. Ein Distributor (Großhändler) kauft heute meist teurer ein, als es die grossen Onlinehändler tun. Schon vor 10 Jahren musste ich mir dies von Systemhäusern vorhalten lassen (als ich noch in der Distribution tätig war).

Für den Hersteller macht der kürzeste Weg zum Kunden natürlich Sinn. Umso kürzer die Wertschöpfungskette ist, desto höheren Ertrag kann man erwirtschaften.

Wenn jetzt aber die Fachhändler und Systemhäuser tatsächlich losrennen und die Applikationen ihrer Kunden in die Rechenzentren von HP, IBM, Dell und Konsorten verschieben, werden eben diese ehemaligen Vervielfältiger ein Problem bekommen: Sie generieren keinen Umsatz mehr. Support und Beratung wird dann mehr und mehr über Callcenter abgewickelt und die benannten Hersteller bieten dann zentralisiert alles aus einer Hand.

Natürlich werden in diesem Umfeld auch wieder Arbeitsplätze geschaffen. Die „besten“ Techniker und Berater werden zentral bei den Herstellern eine Anstellung finden. Der Rest allerdings wandert – mit „Lohnanpassungen“ ins Callcenter oder gleich zum Arbeitsamt.

Auch ich, als Mitarbeiter in einem privat betriebenem Rechenzentrum, sehe diese Entwicklung sehr kritisch. Denn der Hersteller der Server, die in meinem RZ stehen, kann seine eigene Ware natürlich deutlich preiswerter ins eigene RZ integrieren, als ich es je könnte. Ich muss sowohl die Hardware als auch den Zwischenhandel finanzieren, der Hersteller selbst rechnet eventuell sogar „quer“.

Am Ende kann es bei der Entwicklung (fast) nur Verlierer geben:

  • Systemhäuser werden massive Einbussen hinnehmen müssen
  • Private Rechenzentren müssen sich sehr strecken um mit dem Hersteller konkurieren zu können (Individualität/Service)
  • Die Anwender werden auf Gedeih und Verderb von den Herstellern abhängig sein und noch stärker als bisher mit einzelnen Herstellern „verheiratet“ sein, denn ein Wechsel wird sehr aufwendig und teuer sein.

Aber die Karawane zieht weiter und die Systemhäuser schaufeln sich ihr eigenes Grab. Die Zentralisierung/Globalisierung wird für weiteren Kollateralschaden auf dem Arbeitsmarkt und den Volkswirtschaften sorgen.

Cloud Computing: Heisse Luft in bunte Wolken verpackt

Cloud Computing, dass neue Buzzwort, dass die IT zu Wohlstand und Segen führen soll, sieht ja auf dem ersten Blick ganz praktisch aus:

  • Teure Lizenzen werden zentral verwaltet und optimiert fakturiert
  • Die Anschaffung teurer Hardware für den Anwender entfällt
  • Personal, welches Soft- und Hardware wartet und supportet entfällt
  • Nie wieder Stress mit Update……..(?)

Schon der Stress mit Updates ist ein Punkt, denn man so nicht stehen lassen kann, denn etwaige Schulungen für neue Softwareversionen werden weiterhin fällig werden. Aber dies ist nicht der einzige Punkt, der von den Propheten des Cloud Computing schön geredet wird, denn es gibt so einige Schwachstellen:

  • Interne Daten (Betriebsgeheimnisse…) werden auf externen EDV-Anlagen verarbeitet und gespeichert (Zugriffssicherheit)
  • Man gibt internes EDV-Wissen frei, da eine EDV-Abteilung evtl. komplett aufgelöst wird (Ausbluten des internen Know-Hows)
  • somit hat man auch kein internes Wissen mehr im Haus „Frau Müller hat ein Problem mit Excel“
  • Ein Weg zurück scheint nahezu unmöglich, wenn erstmal keine Server und IT-Mitarbeiter im Haus sind (Geknebelt)
  • Der Kunde ist auf „Gedeih und Verderb“ dem Anbieter seiner Lösung ausgeliefert, was Softwarestände angeht (Remember PHP?)
  • Der Anbieter kann – aus Kostengründen – die Datenbestände auch in – vom Kunden – ungewünschten Ländern lagern. Dürfen US-Firmen ihre Daten im Iraq verarbeiten lassen? Wo stehen die Server? Globalisierung macht es möglich
  • Bei einem Ausfall der Internetanbindung können die Mitarbeiter nach Hause gehen. Redundant geführte und schnelle Leitungen sind preisintensiv.

Wer also die Buzzwords Cloud Computing oder auch nur „Software as a Service“ in seine Betrachtungen einzieht, die interne EDV mal so richtig auf Vordermann zu bringen, sollte SEHR genau überlegen, ob es langfristig wirklich ein Vorteil für das Unternehmen ist, seine Daten weitgehend auswärts zu verarbeiten.

Und das sage ich, der in einem Rechenzentrum arbeitet. Aber mein „Beruf“ ist es auch zu beraten und nicht nur möglichst schnell viel Geld zu verdienen. Manchmal sind Kunden sehr glücklich, wenn man sie davon abhält Dummheiten zu begehen, nur weil ein paar Grosse der Branche der meinung sind, noch ein bisschen mehr Geld mit Neuheiten zu verdienen.