Wut monetarisieren

Was als „flappsiger“ Twitterkommentar gedacht war

Wenn man als Wutbürger seine Wut monetarisieren könnte, würde dies die Eigentumsverhältnisse der BRD auf den Kopf stellen

rennt mir die ganze Zeit durch den Kopf und ich frage mich, ob nicht Wut und Unzufriedenheit die eigentlichen Parameter für die Messung der Qualität einer Regierung – und des generellen Machtgefüges –  sein sollten.

Wer ist denn derzeit in unserem Lande wütend? Es sind nicht die „dummen BILD-Leser“, sondern es sind vorwiegend die Menschen aus der Mittelschicht. Es sind sehr viele intelligente Menschen und vor allem – leider – sehr viele Menschen, die bereits resigniert haben, wütend und unzufrieden. Es ist ja beileibe nicht so, dass die derzeitige Wut ausschliesslich die „weniger Besitzenden“ erfasst. Insbesondere in Stuttgart wird deutlich dass auch immer mehr normale Menschen, berufstätig oder gar selbstständig, ihre Unzufriedenheit kund tun.

Es geht nicht um Geld – es geht um „Einigkeit und Recht und Freiheit“:

Einigkeit und Recht und Freiheit
für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
sind des Glückes Unterpfand.

Was das Deutschlandlied so pathetisch beschwört ist es, was die Menschen auf die Strasse treibt. Brüderlichkeit heisst, auch für den Bruder zu stehen und seine Interessen bedenken. Diese Brüderlichkeit wurde bei uns schon lange durch den Lockruf des Goldes sowie die endlose Gier nach Einfluss und Macht ersetzt. Geld und Macht sind aber begrenzte Resourcen – und da diese stets weiter „nach oben“ verteilt wurden und werden, bleibt den „Unteren“ (und dazu zähle ich auch Angestellte und „kleine Selbstständige“) kaum noch die Macht über ihr eigenes Leben und Umfeld zu entscheiden. Während eine kleine Schicht nicht nur die BRD sondern den gesamten Planeten als ihren Privatbesitz betrachtet, kocht die Volksseele immer heisser.

Ich fordere keine Umverteilung des Kapitals. Von mir aus kann man mir sogar noch ein paar Prozentpunkte mehr Steuern abziehen – es geht nicht um persönlichen Gewinn. Es geht um unsere Gesellschaft. Und die ist – wie eine Kette – stets nur so stark wie das schwächste Glied. Da nützt irgendwann auch der beste Überwachungsstaat nichts mehr.

Schwere Straftaten, Überwachung und Relationen. Oder: Zu dumm zum lügen

Die Polizei in Dresden hat eine recht „bemerkenswerte“ Einstellung zu den Persönlichkeitsrechten der Bürger (siehe auch hier). Anstelle nun reumütig den Kopf einzuziehen, agiert die Dresdner Polizei mit fadenscheinigen Argumenten – wie man es auch aus Stuttgart schon kennt. Können Polizisten nicht mal wenigsten so lügen, dass der normale Mitteleuropäer ihren argumentativen Schwachsinn nicht in der Luft zerreissen kann?

Folgende Zitate stammen aus der TAZ:

So wurden den Ermittlern von den Mobilfunkprovidern vom 19. Februar diesen Jahres, wie es in der Erklärung heißt, „etwa 138.000 Datensätze mit Verbindungsdaten“ übermittelt. Diese wurden „von insgesamt 14 Tatorten jeweils in engen, spezifischen Zeitfenstern erhoben“, heißt es. Wie groß diese Zeiträume sind, bleibt unbekannt. Wie groß genau das Gebiet ist, in dem die benannten 14 Tatorte sein sollen, ebenfalls.

Grund für die Abfrage der Verbindungsdaten bei den Providern, die von der Polizeibehörde drei Tage nach den Protesten bei der Staatsanwaltschaft Dresden beantragt und vom zuständigen Ermittlungsrichter vom Dresdner Amtsgericht angeordnet wurde, seien mehrere schwere Landfriedensbrüche gewesen.

„Unser Ziel ist die Aufklärung der schweren Straftaten. Dafür müssen wir wissen, wer sich zum Tatzeitpunkt innerhalb der Funkzelle aufgehalten hat“, teilte Dresdens Polizeipräsident Dieter Hanitsch mit.

Ich fasse mal die Fakten zusammen fest:

Um schweren Landfriedensbruch aufzuklären, darf die Polizei 138.000 Datensätze aus an 14 Gebieten (wahrscheinlich Funkzellen) einsehen.

Da frage ich mich, was zu was die Polizei ermächtigt ist, wenn es um die Aufklärung eines Totschlags oder gar eines Mordes geht. Werden dann sofort die Bank- und Kommunikationsdaten aller Bundesbürger pauschal frei gegeben? Ist dann mit einer nächtlichen Ausgangssperre zu rechnen?

Manchmal stelle ich wirklich anhand von „offiziellen“ Aussagen fest, dass wir in Deutschland einen Bildungsnotstand haben.

BKA-Präsident Ziercke schiesst sich sehr tief ins eigene Knie #VDS

Die Innenminister der Länder, der Bundesinnenminister und auch diverse Polizeidienststellen beten stets eine Formel der Weisheit herunter: „Ohne mehr Überwachung, wie z.B. Vorratsdatenspeicherung, wird man der Internetkriminalität nicht Herr werden können.

Und was für eine Aussage muss ich da gerade in einer BKA-Pressemitteilung lesen?

Jörg Ziercke, Präsident des BKA:

„Die Aktion des FBI, in die weltweit 11 Staaten eingebunden waren, macht deutlich, dass die Bekämpfung der international organisierten Cybercrime heute wirkungsvoll nur durch eine enge und entschlossene Kooperation der internationalen Staatengemeinschaft möglich ist. Professionellen Begehungsformen international agierender profitorientierter krimineller Cyberbanden müssen leistungsfähige und flexible miteinander vernetzte Kooperationsstrukturen der Sicherheitsbehörden entgegengesetzt werden.“

Verdammt, hat er vergessen die Vorratsdatenspeicherung zu erwähnen? Auf einmal kann man gegen international tätige Kriminelle auch ohne diese „Wunderwaffe gegen Internetkriminelle“ erfolgreich ermitteln? Herr Ziercke, waren Sie müde? Hat der Praktikant Ihnen diese Aussage untergeschoben?

Ich bin enttäuscht, das mit den Bedrohungsszanrien können Sie aber besser!