Priority Inbox – Googles echter Blödsinn

Ich gebe zu, auch ich nutze (bewusst!) Googlemail. Für manche Zwecke ist gmail recht praktisch, für andere Dinge würde ich Googlemail niemals nutzen. Da lesen einfach zu viele Menschen mit. Für „speziellere“ Mail sollte man – trotz PGP – andere Mailserver nutzen. Auch die Information wer überhaupt mit wem und wann kommuniziert ist etwas, das nicht jeder wissen muss (deshalb bin ich auch erklärter Facebook-Gegner).

Aber zurück zu den priorisierten Mails. Ein Algorithmus soll erkennen welche Mails wichtig sind und welche nicht. Welch ein Schwachsinn. Als erstes wurden Statusmails meines Webservers als wichtig kategorisiert (logo, der schreibt mir oft). Aber wer mit oft schreibt, ist eher unwichtig, denn wichtig. Wichtig wäre, wenn meine Mutter mir eine Mail senden würde (dabei kennt die weder meine meine Mailadresse, noch Interesse am Internet).

Dieser Schwachfug mit „was interessiert den Empfänger“ ist ein Thema, dass mich schon seit über 20 Jahren begleitet. Dies fing an mit den sogenannten Netnews und Usenet, welche per NNTP und UUCP übertragen wurde. Anfang noch recht kuschelig und übersichtlich, nahm der Input später Ausmasse an, die noch nicht mal mehr zu sichten waren. Danke AOL, Du hast damals gute Zerstörungsarbeit geleistet.

Schon damals wurde überlegt, ob es Algorithmen geben könnte, mit denen es möglich wäre, dem Benutzer nur das anzuzeigen, was ihn interessiert. Ja, kann man. Mit starren Filtern kann man – aufgrund der derzeitigen Nachrichten- und Interessenlage – tatsächlich eine Momentaufnahme erstellen. Diese Momentaufnahme ist aber Blödsinn, denn wir sind davon abhängig neue Informationen und Einflüsse an uns heran zu lassen. Sperren wir uns gegen diese, sind wir – informell – weg vom Fenster. Hätte ich einen starren Nachrichtenfilter auf Basis der Interessenlage von 1980, hätte ich nicht vom Mauerfall oder 9/11 gehört. Denn Informationen/Kontakte, die ich noch nie hatte, kann ich mitels Userverhalten nicht priorisiert haben.

Andererseits möchte ich aber nicht noch heute stets eine Information haben „Babywindel im Sonderangebot“ weil mich dies vor 20 Jahren mal interessierte.

Unser Interessen sind zu flexibel und wandelbar, als dass ein Algorithmus diese nachstellen könnte. Wenn das Programm zur Bewertung greift, hat sich unsere Interessenlage schon wieder gewandelt. Und die Mails meiner Prinzessin und anderer wertvoller Zeitgenossen werden ohnehin in besondere Ordner sortiert.

Ein schönes Feature, dass so sinnlos ist wie ein Kropf oder der Blinddarm.

Use the force Luke!

möchte man schreien, bloss dass man nicht Luke meint, sondern Politiker und nicht die Macht, sondern das Internet. Denn WÜRDEN unsere Politiker das Internet nutzen, würden sie etwas mehr Sachverstand besitzen.

Die Justizminister der Länder wollen letzte von ihnen ausgemachte Lücken bei der Strafbarkeit kinder- und jugendpornographischer Schriften und Bilder schließen. Auf ihrer Frühjahrskonferenz in Dresden haben die Regierungsvertreter so am gestrigen Donnerstag einen Beschluss (PDF-Datei) gefasst, wonach der vorsätzliche Aufruf entsprechenden Materials über das Internet deutlicher kriminalisiert werden soll.

schreibt Heise und ich mich echt lachen, wenn ich diese Zeilen lese, denn es zeigt dass sie nicht begriffen haben, wie die Technologie funktioniert, über die sie sprechen. Auch über etwaige Abläufe und Zusammenhänge bei der Strafverfolgung in dem Medium Internet sind die Politiker bemerkenswert uninformiert.

Warum ein Zugriff auf eine Webseite niemals strafbar sein darf, habe ich bereits an dieser Stelle ausführlich belegt. Nur leider kann man meine Webseiten nicht ausdrucken um sie dem Herrn Minister in sein Posteingangskörbchen zu legen. Ausserdem steht zu befürchten, dass Ermittlungsbehörden Webserver mit strafbarem Material bewusst weiterhin am Netz lassen, um so Zugriffsprotokolle zu erstellen und damit eine Strafverfolgung erst zu ermöglichen. Dies würde aber bedeuten, dass das BKA sich zumindest moralisch in die Mitschuld begibt, denn der Täter könnte die strafbare Handlung (den Zugriff auf die Webseite) gar nicht vollenden, wenn das BKA den Server abgeschaltet hätte.

Internetsperre kann auch konkreten Datendiebstahl bedeuten

Über die Mailingliste des AK gegen Internetzensur brachte mich Christian von Mogis auf einen nicht uninteressanten Gedankengang. WENN z.B. die unter der Domain „zu_sperren.de“ sowohl unter „www.zu_sperren.de“ als auch unter (ohne www.) „zu_sperren.de“ in der Sperrliste auftaucht, hat die IP-Adressänderung der Provider-DNS noch ganz andere Folgen.

Typischerweise läuft unter der Domain ja nicht nur der Webserver, sondern auch noch ganz andere Dienste sind dort meist verfügbar – so z.B. auch ein Mailserver. Was aber kann das zur Folge haben? Nehmen wir das Beispiel einer privaten Webseite, die unter einer „Namensdomain“ läuft, wie auch diese Webseite hier. Der Mailserver dieser Domain ist meistens unter der Domain selbst zu erreichen – ohne mail. smtp. oder ähnliches davor. Das hat zur Folge, dass auch Mails per Provider-DNS an eine andere IP-Adresse umgeleitet werden. Der absendende Mailserver fragt nach welcher Server für die entgegennahme der Mails zuständig ist und bekommt dann eben die IP-Adresse des Stopp-Servers als Antwort. Genau dorthin wird er also versuchen Mails an die Domain „zu_sperren.de“ zuzustellen. Mit ein wenig technischem Geschick ist es dann möglich jedwede mail an „zu_sperren.de“ auf dem Stoppserver entgegen zu nehmen.

Man kann solange darüber diskutieren, wie diese Mail ausschliesslich den Betreiber des Servers betreffen. Strafbar (solange Sippenhaft noch nicht eingeführt ist) wird es, wenn auch Mails von Unbeteiligten durch dieses Vorgehen entweder nicht zugestellt oder sogar Mails von Unbeteiligten (dieses können auch Familienangehörige – Eltern, Geschwister und ähnliches sein) an einen fremden Server zugestellt werden und dort eventuell gesichtet werden.

Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass sich unsere Gesetzgebenden Vollhonks nicht ANSATZWEISE über die Folgen ihres Handelns informieren. Und solch kurzfristig agierende Menschen bestimmen ebenfalls über die Lagerung von Atommüll, definieren wie gefährlich Gentechnologie und über andere höchstkomplexe Themen. Ganz zum Schluß wundert es mich nicht wirklich, zeigt sich doch gerade bei Betrachtung der Kosten für die Atommüllendlager und ähnliches, wie kurzfristig „dort oben“ nachgedacht wird.