Telekom vs. USENET: Erst unbenutzbar machen, dann abschalten

Die deutsche Telekom hat – vor vielen Jahren – Hand in Hand mit AOL für die Unbenutzbarkeit des USENETs gesorgt.

Usenet war das mit dem Gesprächsgruppen, Realnamenpflicht und ganz vielen Trollen. Wobei die Büchse mit den Trolle erst richtig aufgemacht wurde, als Telekom und AOL „IP-basierende Dienste“ als Geschäftsmodell erahnten. Vorher, als das Usenet von Universitäten und Freaks gepflegt und gehegt wurde, kamen Trolle eher gar nicht vor. Im Usenet kannte man sich typischerweise – und wenn man sich nicht direkt kannte, so kannte man meist jemanden, der einen kannte. Sie wissen schon.

Durch diese Art der „Verbundenheit“ behandelte man sich mit Respekt, half sich und ging typischerweise sehr „erwachsen“ miteinander um. OK, es gab natürlich auch Vollhonks, wie den Guenther Merknix (Name leicht angepasst) von der Uni Frankfurt, mit dem auch ich mich trefflich trefflich fetzen konnte. Aber das waren bedauernswerte Einzelfälle.

AOL und Telekom sorgten dafür, dass all die Frontallobotomierten die eben nicht unter dem Titel „Akademiker und User mit Niveau“ zu finden waren über das Netz her fielen. Nur wenige wissen noch, was der Spruch „Es muss Donnerstag sein“ hiess. Donnerstag war der Neuling-Tag. Der Tag an dem man lesen musste „Wie geht das“ und an dem das Niveau unter den Gefrierpunkt sank. Aus dieser Zeit stammen noch Einträge in Nameservern wie „palmwarez.koepke.net“, wenn mal wieder gefragt wurde, wo es denn gute Warez gäbe.

Aber nun, nachdem nur noch Hartgesottene sich an die Newsgruppen erinnern, lese ich bei Heise:

Wie auf den eigenen FAQ-Seiten angekündigt, hat die Deutsche Telekom ihren eigenen NNTP-Server zum 1. April abgeschaltet. Begründet wird dies mit dem Bedeutungsverlust der Usenet-News, die dieser Server verteilte. Nach dem Aus für die Usenet-Keimzelle an der Duke University und der lückenhaften Speicherung alter Usenet-Nachrichten ist dieser Schritt ein weiteres Indiz dafür, dass sich das frühe Internet ins digitale Nirwana absetzt.

Fiese Anmerkung meinerseits: Die Netnews wurden an dem Tag bedeutungslos, an dem die Telekom anfing mit dem Internet Geld zu verdienen. Aber ich will mich nicht beschweren. Das Usenet lebt es immer noch und bei Cord gibt es eine Liste der Anbieter. Schon bemerkenswert, wenn man da noch von den alten Helden findet…

The end of the net as we know it – wir werden gekonnt haben

Seit mehr als 25 Jahren benutze ich die elektronische Datenkommunikation, als Weg mich frei über Entfernungen und Grenzen hinweg mit Menschen auszutauschen. Diese Freiheit der Kommunikation, auf die ich stolz war, sie meinen Kindern in die Hand weiter reichen zu dürfen.

Und ich glaube, ich darf mir Fug und recht ein wenig stolz auf das deutsche Internet sein. Das „Internet“, dass für mich anfing, als THW 1986 anfing Usenet in Hamburg „anzubieten“. Man kommunizierte über Mail und ein paar Newsgruppen. Bang-Adressierung FTW … Ja, die gute alte Zeit.

Es wurden Mailboxen gestrickt und Padeluun brachte sich mit seinem Ausspruch „Vernetzt die Hängematten“ in aller Munde. Mausnet, Zerberus und wie sie alle hiessen, all das waren logische und richtige Schritte auf dem Weg eine Infrastruktur in Deutschland aufzubauen, die es uns ermöglichte das Internet zu verteilen. Irgendwer kannte einen, der einen kannte – und schon war ein neuer angehender Informationsjunkie ans Netz gebracht. Betriebssystem war egal. Entweder Remote-Zugriff oder pollen. Hauptsache man nahm Teil an dem grossen Pool des Wissens. Es gab kaum eine Fragestellung die nicht beantwortet werden konnte. Von Kochrezepten, über Chemie, Literatur bis zur Selbstverständlichkeit in diesen Kreisen: Der EDV.

Irgendwann kann dann richtiges Internet. Richtiges Internet hatte nur ein Problem: Es war teuer. Vor allem für diejenige, die uns „Saugern“ das Internet zur Verfügung stellten. Das waren in Hamburg ganz normale junge Menschen wie Du und ich. Zu vielen aus Hamburg – und aus Deutschland und der Welt – habe ich heute noch Kontakt.  Diese guten Seelen stellten ihren Rechner – inklusive Telefonleitungen und Schrankwände voller Modems – uns Usern zur Verfügung. Es wurde gesammelt und es wurden – bezahlbare – Gebühren erhoben. Wenn es Probleme gab, kommunizierte man sich und löste die Probleme. Sowas schweisste zusammen. Man hatte ein gemeinsames Projekt: Man baute Kommunikationsstrukturen auf. Manche verdienten damit Geld – aber nicht indem sie andere ausbeuteten, sondern indem sie einfach einen sauguten Job machten. Techniker und Freaks bestimmten den Weg – Betriebswirte waren weit weg.

Irgendwann dann kamen AOL und Compuserve aus den USA zu uns herüber. Die Telekom stellte fest, dass BTX irgendwie nicht mehr standesgemäß ist und stellte auf IP um. Aus einer Wandelhalle voller IBM wurden zwei Racks in der Ecke. (Ich hab sie gesehen 🙂 ). Irgendwann konnte man keine Zeitschrift mehr erwerben, ohne das eine Zugangs-CD aus dem Heftchen flatterte. Besonders AOL hat sich im Bereich der CD-Umweltverschmutzung einen Namen gemacht. Die Betriebswirthonks, Marketingaffen und Aktionäre hatten das Internet entdeckt. Auf einmal wollten alle mit dieser „neuen Technik“ Geld verdienen.

Auf einmal ging es sehr schnell – sowohl auf der Inhalteanbieterseite (Erotik mal wieder innovativ und GANZ weit vorn dabei) – als auch auf Seiten der Zugangsanbieter wurden unmengen an Geld investiert und ….. verbrannt. Die Internetblase quoll auf und platzte.

So langsam normalisierten sich die weltweit verbreiteten Bits. Mittlerweile kann jeder seine eigene Webseite und sein eigenes Blog betreiben – ein paar Klicks und jeder kann im Internet auch als Anbieter auftreten. HALT! Sagte ich kann? Sorry, mein Fehler: Es muss heissen „wird gekonnt haben“.

Mit Umsetzung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, wird vieles nicht mehr so sein wie früher. Denn jeder Anbieter muss sicherstellen, dass sein Angebot nicht gegen eben diesen Vertrag verstösst.

Sofern Anbieter Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, verbreiten oder zugänglich machen, haben sie dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen.

Kann ich 100%ig ausschliessen, dass mein Blog gegen diesen Passus verstösst? Auch besteht die Möglichkeit, dass ein Jugendlichen hier anzutreffenden Homus nicht versteht und darob kriminell wird – dann bin ich dran.

Aber wie war das mit den Jugendlichen? Haben Jugendliche Zugang zum Internet? Wie viele Kinder oder Jugendliche mag es in Deutschland geben, die einen Internetzugang auf ihren Namen haben? 99,99% der Jugendlichen nutzen doch den Zugang ihrer Eltern. Ist es nicht so, dass Eltern dafür verantwortlich sind, was ihre Kinder tun (Aufsichtspflicht)? Dürfen Eltern auf einmal Sado-Maso-Pornohefte rumliegen lassen und der Shop (Zugang/Vertrag erst ab 18) wird verklagt?

Unsere Gesetzeshüter haben mal wieder mit der geballten Macht der Inkompetenz zugeschlagen und eine Technik, die ein unglaubliches Potential für die gesamte Menschheit bietet, dermassen reglementiert, dass die Vorteile ausgemerzt werden. Danke an die beteiligten Parteien: CDU, FDP, SPD, Grüne und Die Linke.  Sie alle haben fleissig diesem armseligen Werk zugestimmt.

Cui bono? Es nutzt den Etablierten – den Parteien und dem Geld. Denn mit einer Einschränkung der freien Kommunikation geht Manipulation und Zensur Hand in Hand durchs Land.

Ich weiss noch nicht was ich mache –

  1. Lasse ich wehrhaft mein Blog oben und versuche weiterhin das Tagesgeschehen zu kommentieren und euch an meinen Ergüssen teilhaben zu lassen – bis ich die erste Abmahnung bekomme?
  2. Schalte ich mein Blog – mittels Cron-Job – so, dass es nur zwischen 22:00 – 06:00 erreichbar ist?
  3. Lösche ich es und halte einfach die Klappe
  4. Oder lösche ich es und gehe in den gewalttätigen Untergrund, weil es mir langsam wirklich reicht?

Die ersten geben auf. Und das sind keine Pornoseiten, sondern Seiten deren Verschwinden nicht bedeutungslos ist.