The end of the net as we know it – wir werden gekonnt haben

Seit mehr als 25 Jahren benutze ich die elektronische Datenkommunikation, als Weg mich frei über Entfernungen und Grenzen hinweg mit Menschen auszutauschen. Diese Freiheit der Kommunikation, auf die ich stolz war, sie meinen Kindern in die Hand weiter reichen zu dürfen.

Und ich glaube, ich darf mir Fug und recht ein wenig stolz auf das deutsche Internet sein. Das „Internet“, dass für mich anfing, als THW 1986 anfing Usenet in Hamburg „anzubieten“. Man kommunizierte über Mail und ein paar Newsgruppen. Bang-Adressierung FTW … Ja, die gute alte Zeit.

Es wurden Mailboxen gestrickt und Padeluun brachte sich mit seinem Ausspruch „Vernetzt die Hängematten“ in aller Munde. Mausnet, Zerberus und wie sie alle hiessen, all das waren logische und richtige Schritte auf dem Weg eine Infrastruktur in Deutschland aufzubauen, die es uns ermöglichte das Internet zu verteilen. Irgendwer kannte einen, der einen kannte – und schon war ein neuer angehender Informationsjunkie ans Netz gebracht. Betriebssystem war egal. Entweder Remote-Zugriff oder pollen. Hauptsache man nahm Teil an dem grossen Pool des Wissens. Es gab kaum eine Fragestellung die nicht beantwortet werden konnte. Von Kochrezepten, über Chemie, Literatur bis zur Selbstverständlichkeit in diesen Kreisen: Der EDV.

Irgendwann kann dann richtiges Internet. Richtiges Internet hatte nur ein Problem: Es war teuer. Vor allem für diejenige, die uns „Saugern“ das Internet zur Verfügung stellten. Das waren in Hamburg ganz normale junge Menschen wie Du und ich. Zu vielen aus Hamburg – und aus Deutschland und der Welt – habe ich heute noch Kontakt.  Diese guten Seelen stellten ihren Rechner – inklusive Telefonleitungen und Schrankwände voller Modems – uns Usern zur Verfügung. Es wurde gesammelt und es wurden – bezahlbare – Gebühren erhoben. Wenn es Probleme gab, kommunizierte man sich und löste die Probleme. Sowas schweisste zusammen. Man hatte ein gemeinsames Projekt: Man baute Kommunikationsstrukturen auf. Manche verdienten damit Geld – aber nicht indem sie andere ausbeuteten, sondern indem sie einfach einen sauguten Job machten. Techniker und Freaks bestimmten den Weg – Betriebswirte waren weit weg.

Irgendwann dann kamen AOL und Compuserve aus den USA zu uns herüber. Die Telekom stellte fest, dass BTX irgendwie nicht mehr standesgemäß ist und stellte auf IP um. Aus einer Wandelhalle voller IBM wurden zwei Racks in der Ecke. (Ich hab sie gesehen 🙂 ). Irgendwann konnte man keine Zeitschrift mehr erwerben, ohne das eine Zugangs-CD aus dem Heftchen flatterte. Besonders AOL hat sich im Bereich der CD-Umweltverschmutzung einen Namen gemacht. Die Betriebswirthonks, Marketingaffen und Aktionäre hatten das Internet entdeckt. Auf einmal wollten alle mit dieser „neuen Technik“ Geld verdienen.

Auf einmal ging es sehr schnell – sowohl auf der Inhalteanbieterseite (Erotik mal wieder innovativ und GANZ weit vorn dabei) – als auch auf Seiten der Zugangsanbieter wurden unmengen an Geld investiert und ….. verbrannt. Die Internetblase quoll auf und platzte.

So langsam normalisierten sich die weltweit verbreiteten Bits. Mittlerweile kann jeder seine eigene Webseite und sein eigenes Blog betreiben – ein paar Klicks und jeder kann im Internet auch als Anbieter auftreten. HALT! Sagte ich kann? Sorry, mein Fehler: Es muss heissen „wird gekonnt haben“.

Mit Umsetzung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, wird vieles nicht mehr so sein wie früher. Denn jeder Anbieter muss sicherstellen, dass sein Angebot nicht gegen eben diesen Vertrag verstösst.

Sofern Anbieter Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, verbreiten oder zugänglich machen, haben sie dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen.

Kann ich 100%ig ausschliessen, dass mein Blog gegen diesen Passus verstösst? Auch besteht die Möglichkeit, dass ein Jugendlichen hier anzutreffenden Homus nicht versteht und darob kriminell wird – dann bin ich dran.

Aber wie war das mit den Jugendlichen? Haben Jugendliche Zugang zum Internet? Wie viele Kinder oder Jugendliche mag es in Deutschland geben, die einen Internetzugang auf ihren Namen haben? 99,99% der Jugendlichen nutzen doch den Zugang ihrer Eltern. Ist es nicht so, dass Eltern dafür verantwortlich sind, was ihre Kinder tun (Aufsichtspflicht)? Dürfen Eltern auf einmal Sado-Maso-Pornohefte rumliegen lassen und der Shop (Zugang/Vertrag erst ab 18) wird verklagt?

Unsere Gesetzeshüter haben mal wieder mit der geballten Macht der Inkompetenz zugeschlagen und eine Technik, die ein unglaubliches Potential für die gesamte Menschheit bietet, dermassen reglementiert, dass die Vorteile ausgemerzt werden. Danke an die beteiligten Parteien: CDU, FDP, SPD, Grüne und Die Linke.  Sie alle haben fleissig diesem armseligen Werk zugestimmt.

Cui bono? Es nutzt den Etablierten – den Parteien und dem Geld. Denn mit einer Einschränkung der freien Kommunikation geht Manipulation und Zensur Hand in Hand durchs Land.

Ich weiss noch nicht was ich mache –

  1. Lasse ich wehrhaft mein Blog oben und versuche weiterhin das Tagesgeschehen zu kommentieren und euch an meinen Ergüssen teilhaben zu lassen – bis ich die erste Abmahnung bekomme?
  2. Schalte ich mein Blog – mittels Cron-Job – so, dass es nur zwischen 22:00 – 06:00 erreichbar ist?
  3. Lösche ich es und halte einfach die Klappe
  4. Oder lösche ich es und gehe in den gewalttätigen Untergrund, weil es mir langsam wirklich reicht?

Die ersten geben auf. Und das sind keine Pornoseiten, sondern Seiten deren Verschwinden nicht bedeutungslos ist.

19 Gedanken zu „The end of the net as we know it – wir werden gekonnt haben

  1. Interessant:

    „Sofern Anbieter Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, verbreiten oder zugänglich machen, haben sie dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen.“

    Müsste man damit nicht den Großteil der Werbung und des Fernsehens verbieten, denn wenn was „die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ beeinträchtigt dann doch wohl das. Die machen da gerade ein Fass auf, das keinen Boden mehr hat. Ich halte das kommerzielle Aussaugen und systematische Verblöden und mit Scheinwerten anfüttern von Kindern und Jugendlichen für wesentlich gefährlicher als Gewaltspiele oder Pornos. Die Folgen dürfen wir jeden Tag bewundern und alle tun so als wüssten sie nicht wo es herkommt.

  2. Davon abgesehen – was beeinträchtigt denn ÜBERHAUPT die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit? Welches zu konsumierende Medium schafft das?

    Wenn man nackte Menschen sieht, ggf. auch bei überzogenen Sportübungen und Plug’n’Play-Interfaces … was ist mit den Menschen, die als Kinder mit ihren Eltern zum FKK-Urlaub gegangen sind? Alle nicht eigenverantwortlich und gemeinschaftsfähig?

    Wenn man auf einer Webseite ein Video sieht, wie einer jemand anderen mit einem Schirm verdrischt? … Was ist mit den Menschen, die Ernst-Haugust beim Journalistendreschen in den Nachrichten gesehen haben? Alle nicht gemeinschaftsfähig, potentielle Schwerverbrecher?

    Meiner Meinung nach ist das absolut blödsinniger Blafasel-Bullshit, der halt (kopflose) Initiative zeigen soll – Jugendschutz macht sich ja soooo gut beim Wahlvieh. Bloss nicht die tatsächlichen Probleme ansprechen wie z.B. mangelnde Erziehung, massive Verletzung der Aufsichtspflicht, Desinteresse vieler Eltern an ihrem Nachwuchs.

    Als Kind habe ich Sachen gesehen, die nix für mein Alter waren. Ich habe meine Eltern gefragt, warum das wie wo ist, wir haben darüber geredet und ich habe es in die Schublade „aha, so ist das“ oder in die Schublade „achja. doof, interessiert mich aber eh nicht“ gestopft. Bisher kann ich nicht behaupten, dass mir diese Freiheiten Probleme bereitet haben – wenn man schwierige Situationen mit einer Vertrauensperson reflektieren kann, kann man doch viel besser damit umgehen, als wenn ein Kind damit komplett allein (oder mit Hilfe des Erziehers Fernseher) damit fertigwerden muss.

    Aber zum erwachsen werden gehört auch mal auf die Schnauze fallen und weitere Aspekte der Gefühlswelt kennenzulernen – wir sollten echt aufhören, unsere Kinder immer in Watte zu packen, sie können wirklich weitaus mehr vertragen, als wir uns vorstellen wollen.
    Wenn wir früher auf dem Spielplatz Meinungsverschiedenheiten hatten, dann wurden die untereinander geklärt – evtl. auch mal mit milden Handgreiflichkeiten (Ohrfeige dürfte so ziemlich das „Schlimmste“ gewesen sein unter uns Kindern), man hat vielleicht mal geflennt, aber man hat nicht gleich nen Psychiater gebraucht, um mit dieser traumatischen Begegnung („Fresse zu weit aufgemacht und halt dafür aufs Maul bekommen“) fertigzuwerden. Wir haben daraus gelernt, wir haben interagiert, nicht immer nur reagiert.

    Wah, genug der Meckerei, ich will ja dein Blog nicht vollmüllen, Holger.

    Mach weiter mit deiner guten Arbeit! Ich werde auf alle Fälle versuchen, meine Seiten weiterhin zu betreiben.

  3. Uff wegen Prüfungen hab ich nicht so darauf geachtet was derzeit läuft. Prüfungen sind rum ich bin sprachlos…. wenn du in Untergrund gehen solltest will ich deine Adresse. Bei Aufständen bin ich dabei auch wenn ich nicht im Bereich Mumie liege 😛

  4. Mal schauen ob Sie nächstes Jahr ein deutsches Internet einführen, da die Kinder ja auf ausländische Seiten weiterhin zugreifen könnten?! Da wird dann halt alles gekappt und man kann nur noch auf deutsche, geprüfte a.k.a. manipulierte Seiten zugreifen?

  5. Gummi ist gut, speziell für „Volksvertreter“. Wo kämen wir den hin wenn wir keinen Ermessensspielraum hätten und wo kämen wir in wenn wir keine Gesetze (ungestraft) brechen dürften. Und wie sonst sollt man die Bevölkerung in Angst und Schrecken halten?

  6. Pingback: dª]V[ªX » Jugendmedienstaatszensur

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