Die „demuetige mich“-Show

Der Begriff „demütige mich“-Show ist nicht neu. Er wurde vor über 20 Jahren von Ralf „Ralle“ Müller – einem alten Freund (den ich lange aus den Augen verloren habe) geprägt. Ralle meinte damit die Shows, die heutzutage den Hauptteil der Fernseh“unterhaltung“ ausmachen. Die Shows, die es aber wirklich jedem ermöglichen seine 15 Minuten (zweifelhaften) Ruhm zu erhalten, die laut Andy Warhol jeder in der Zukunft einmal haben soll. Die Frage ist nur: Zu welchem Preis. Da werden hilflose Menschen „ausgeschlachtet“ nur um Sendezeit zu füllen. Das Lawblog macht sich (zu recht!) Gedanken über die „Supernanny“, in welcher eine Mutter sich in all ihrer (bemitleidenswerten!) Hilflosigkeit darstellt. Udo Vetter kommentiert dies nit den Worten:

Abseits von allem, insbesondere dem guten Ende für den Jungen, frage ich mich, wieso die Mutter in der Sendung überhaupt mitgemacht hat. Und wieso sie die Ausstrahlung des Beitrags nicht wenigstens verhindert hat. Ahnt die Frau nicht, was sie sich damit antut?

Wahrscheinlich tut sie es wirklich nicht.

Und genau DAS meinte Ralle: Hilflose Menschen machen ALLES um ein wenig Hilfe zu erhalten – aus einer ausweglosen Situation herauszukommen oder ihre suboptimale Situation zu verbessern. Der Fall der Supernanny ist ein schönes Beispiel, was wirklich passiert: Das Schicksal einer völlig überforderten Mutter wird medial ausgeschlachtet – im wahrsten Sinne des Wortes: Er wird zur Schlachtbank der Öffentlichkeit geführt und alle verdienen daran. Das Fernsehen mit der eingespieleten Werbung, die Zeitschriften, die anschliessend (wie hier BILD) berichten „dürfen:

Brutal schlägt Jutta W. (30) auf ihren kleinen Sohn Justin (7) ein, zerrt an seinen Haaren, schreit ihn an. Millionen Zuschauer sahen entsetzt am Mittwoch bei der „Super Nanny“ auf RTL, wie die Prügel-Mutter anschließend ihr Kind in eine Pflegefamilie geben musste.

Mir tut der Sohn (und nicht nur dieses Kind) leid, dass er in solchen Verhältnissen leben muss. Aber mir tut auch die Mutter leid, die offensichtlich keine Verwandtschaft und keinen Freundeskreis hat, die ihr aus dieser Situation heraushelfen.

Wieso muss es überhaupt so weit kommen, dass die Medien ein Geschäft wittern und das Elend des Individuums an die Öffentlich zerren müssen. Die Antwort scheint einfach: Weil wir – die Gesellschaft nicht mehr funktionieren. Wir bauen die Mauern der Ignoranz um uns und verschliessen die Augen.

Zum Thema passend hat sich Stefan Niggemeier (der Bildblogger) im Fernsehblog mit der Inflation des Elends auseinander gesetzt

Jeder wie er kann….

Und Alan Posener scheint es ganz gut zu können: In meinen Augen VOLL daneben zu liegen. Posener hat schon in der Vergangenheit auf sich aufmerksam gemacht, als er als Kommentarchef der „Welt am Sonntag“ den (ebenfalls zum Springer-Konzern) gehörenden Chefredakteur der Bild-„Zeitung“ angriff. (Quelle Wikipedia).

In der Welt treibt es Posener jetzt aber wirklich abgehoben bunt. Er versucht sich daran, die Begriffe Gier und Kapitalismus gleichsam als Antriebsmotor und „Gutwerkzeug“ darzustellen, hält die Leserschaft aber anscheinend für selten dämlich. Poseners virtuellen Feder entgleiten Sätze wie

Wer die Gier verurteilt, verurteilt den Kapitalismus. Kapitalismus ohne Gier ist so absurd wie Sozialismus mit menschlichem Antlitz.

Eine wundervolle Hohlphrase, die sich schön anhört, aber Bullshit ist. Streben nach Fortschritt und Wohlstand stumpf  mit Gier gleichzusetzen, liest sich interessant, wird aber eher der Dickmanschen Bildzeitung gerecht, als der Welt. Die Antriebskraft Poseners wird in den Sätzen

Wer in einer Welt ohne Gier leben will, soll ins Kloster gehen, oder in eine Koranschule – oder nach Nordkorea. Wir anderen verlassen uns darauf, dass früher oder später die Gier nach einem guten Geschäft ein paar Waghalsige dazu treiben wird, abgestürzte Aktien zu kaufen – und wieder einmal die Welt zu retten.

Eine Welt ohne Gier gibt es z.B. auch im familären Umfeld, oder im Freundeskreis. Wenn Herr Posener diese Erfahrung nicht gemacht hat und seine einzige Triebkraft die Gier ist, so sei ihm das belassen. Gier war gewiss nicht die Triebfeder, die Wissenschaftler dazu brachte Nobelpreise zu verdienen. Gier hat einen Gandhi gewiss nicht motiviert. Die Gier ist es, die aus dem Guten den Gewinn herausschlägt und dabei auch bereit ist, das Elend der Anderen in Kauf zu nehmen. Ich habe dann nur noch Mitleid für Posener. Wobei mein Mitleid eher auf die ihm unterstellten Mitarbeiter zielt, denn unter einem Menschen, den einzig die Gier anzutrieben scheint, möchte ich z.B. niemals arbeiten müssen.

Posener schliesst seinen Artikel mit der Drohung:

Bis zum nächsten Mal.

Ich möchte anmerken: ICH brauche dieses nächste mal nicht. Zumindest solange nicht, wie er – in meinen Augen – solch hahnebüchenen Unsinn verzapft.