Märchen, die traurig und wahr sind

Stefan Gärtner hat in TheEuropean eine wunderschön-traurig-bittere Kolumne veröffentlicht, auf die ich euch unbedingt hinweisen muss. Sie fängt an mit den Sätzen

Es war einmal ein armer Mann, der hatte reiche Verwandte. Diese Verwandten hatten vor Jahren, weil sie alle gute Christenmenschen und/oder Sozialdemokraten waren, beschlossen, ihren armen Verwandten zu unterstützen: Jeder sollte allmonatlich ein winziges Scherflein seines Vermögens abgeben und es dem Verwandten schenken, damit der arme Mann, der zu Hause ein Halbdutzend Mäuler zu füttern hatte, ein wenigstens annähernd menschenwürdiges, teilhabendes Leben führen könne.

und …. ja, den Rest müsst ihr selbst lesen. Sie ist wirklich lesenswert!

Die Bewährungsstrafe von Winnenden

Ich habe noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich den Balla-Balla-vulgaris (den gemeinen Sportschützen) für latent-potentiell mitschuldig an bewaffneten Amokläufen halte. Es sind nicht die „Killer“spiele, die allen Tätern gemein sind, es ist die Waffe die leicht zu beschaffen war.

Das Landgericht Stuttgart hat nun heute den Vater des „Amokläufers von Winnenden“ schuldig gesprochen.

Nach Meinung der Richter hat sich der Vater der 15-fachen fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung in 14 Fällen schuldig gemacht.

Quelle SWR. Eine Meinung, der ich mich vorbehaltlos anschliesse. Der Besitz einer Waffe impliziert eine sehr weitgehende Verantwortung. Waffen sind keine Spielzeuge und ich selbst reagiere (trotz oder wegen einer Ausbildung an vielen Handfeuerwaffen) äusserst allergisch auf Waffen in meiner Nähe.

Was ich aber keineswegs verstehe ist das Strafmass:

Das Landgericht Stuttgart hat den Vater des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.

Dieses Strafmass werte ich als erhobenen Zeigefinger, aber nicht als Strafe die das begangene Vergehen gerecht bestraft.

Erklärung: Eine Bewährungsstrafe hat typischerweise den Sinn den Täter eine letzte Warnung zukommen zu lassen. „Mache dies nie wieder, sonst wird die Gesellschaft dich strafen“. Bewährungsstrafen machen Sinn. Viele jugendliche Kleinkriminelle könnten – bei rechtzeitiger, zeitnaher Bestrafung (Schuss vor den Bug) – vielleicht von Wiederholungstaten abgehalten werden. Wie hoch aber mag die Gefahr sein, dass sich ein Waffenbesitzer durch sein Fehlverhalten nochmals einer fahrlässigen Tötung oder fahrlässigen Körperverletzung schuldig macht?

Wäre ich Waffenbesitzer, was würde ich aus diesem Strafmass lernen? Wäre ich gesellschaftlich motiviert stets den Verschlusszustand meiner Waffen zu kontrollieren? Wäre eine Bewährungsstrafe Grund genug Nachts aufzustehen und nochmal am Schloss des Schrankes zu rütteln – nur um sicher zu sein ?

Der Tod des eigenen Sohne wiegt schwer – ist ein Verlust der mir als Vater ganz sicher schlaflose Nächte und Schuldgefühle bescheren würde. Aber es geht nicht um den eigenen Sohn – der ist in diesem Fall (so hart es klingen mag) Kollateralschaden. Es geht um die Opfer, die Angehörigen der Opfer und an all die traumatisierten Schüler, die diesen Amoklauf zwar unverletzt überlebten, aber dennoch sicher unter der Tat litten.

Was bringt mich zu solch harten Worten gegen den Vater:

Nach Überzeugung des Landgerichts hat der Vater von den Tötungsfantasien seines Sohnes gewusst. Im April 2008 und damit knapp ein Jahr vor dem Massaker seien die Eltern von den Ärzten der psychiatrischen Klinik in Weinsberg darüber informiert worden. Dort hatte Tim K. bei einem therapeutischen Gespräch gesagt, er habe einen Hass auf die ganze Welt und stelle sich vor, die ganze Menschheit umzubringen.

Der jetzt verurteilte Vater habe seinen Sohn sogar nach dem ersten Therapiegespräch zum Schießtraining in den Schützenverein mitgenommen. Der Angeklagte habe nicht nur die spätere Tatwaffe ungesichert in einem Schlafzimmerschrank aufbewahrt. Er habe auch größere Mengen Munition im ganze Haus verteilt herumliegen lassen. Dadurch sei es Tim K. leicht möglich gewesen, über längere Zeit die große Zahl an Patronen anzusammeln, die er beim Amoklauf am 11. März 2009 dabei hatte: 285 Schuss Munition.

Sollte all dies den Tatsachen entsprechen, hat sich der Vater schlicht unverantwortlich verhalten. Unverantwortlich was die Erziehung seines Sohne angeht und unverantwortlich, was den Umgang mit den Waffen und der Munition angeht. Ist der Umgang mit den Waffen – im Bewusstsein um die Phantasien seines Sohne nicht sogar grob fahrlässig?

Wenn die Verteidiger anbringen:

Die Verteidiger plädierten hingegen dafür, von einer Strafe ganz abzusehen. Das Leben des Angeklagten sei zerstört. Auch er habe seinen Sohn verloren. Die Familie habe wegziehen müssen, lebe an einem geheimen Ort und sei vom wirtschaftlichen Ruin bedroht. Sie sei seit dem Amoklauf sozial isoliert und müsse mit einer neuen Identität leben.

Muss ich feststellen: Selbst Schuld. Der Vater hätte (wahrscheinlich als Einziger) die Möglichkeit gehabt, die Tat zu verhindern. Er hat unverantwortlich gehandelt und die von den Verteidiger vorgebrachten Argumente sind – in meinen Augen – lächerlich. Das ist als wenn ein Mörder auf Freispruch plädiert, weil er bei der Flucht aus einem fahrenden Bus gesprungen ist und sich verletzte. Ursache->Wirkung.

Ja, manchmal bin ich hartherzig.

Bitte lasst mich nie im Mittelpunkt der Medien stehen

Es gibt ja Menschen, die es brauchen – diesen Kick „wichtig“ zu sein. Von Journalisten gefragt und von den Medien zitiert zu werden. Diesen Menschen mit dem „Mittelpunkt-Fimmel“ ist es meistens egal, warum und wie sie in den Mittelpunkt kommen – Hauptsache Sie finden diese befriedigende Beachtung.

Ich kenne Julian Assange nicht, kann also nicht einschätzen ob sein Drang zur Theatralik wirklich sachliches Stilmittel für die Sache, oder die Person sein soll. Vielleicht beides ein bisschen. Aber besser fährt man, wenn man sich so wenig wie möglich im Brennpunkt der Medien aufhält.

Im Bereich der wissenschaftlichen Publikationen gelten andere Gesetze, ich rede hier aber über die Boulevardpresse – von Revue, Bild, Stern und Focus bis Spiegel. Diese Publikationen sind die Aasgeier der Neuigkeitsverbreiter. Diese Aasgeier wühlen wie Schweine im Dreck, schnauben solange bis sie irgendetwas gefunden haben, mit dem sie dann – wild mit dem Ringelschwänzchen wedelnd – durch das Dorf laufen können und auf sich aufmerksam machen: „Seht her“.

So ein „Seht her“ waren die 20 Kg „Mehr“gewicht der verstorbenen jungen Unteroffiziersanwärterin von der Gorch Fock. Irgendeine Sau hat im Dreck 20 Kilo Übergewicht gefunden und KEINER kam auf die Idee „Wieso“ zu fragen.

Ich frage mich, welcher Journalist, welche Redaktion sich jetzt bei der Mutter der jungen Frau entschuldigt. Nun, nachdem feststeht dass dieses die junge Frau zu Lebzeiten kein Übergewicht hatte, sondern dieses Gewicht ihrem Körper nach dem Tode zugeführt wurde. Welche Drecksau stellt sich nun vor die Mutter und entschuldigt sich für den Vorwurf, dass die Tochter eh nicht diensttauglich gewesen ist?

Ich gebe zu: Ich war kurz davor über dieses Detail zu schreiben, aber es war ZU unlogisch, es ergab keinen Sinn, war nicht stimmig – etwas passte nicht. Ich war – wie schon beschrieben – bei der Marine und kenne die Bundeswehrärzte und Sicherheitsbestimmungen. Eines ist dort an vordersten Stelle: Sicherheit, Kontolle und CYA (Cover Your Ass). Die Assgeier der Medienwelt denken aber nicht – sind nicht in der Lage eine Schieflage der Logik zu erkennen. Sie erkennen nur ein Fragment, schnappen es sich und rennen schwanzwedelnd durch das Dorf: „20 Kilo“.

Qualitätsjournalismus eben. Und das Interesse dieser Qualitätsjournalisten möchte ich niemals erregen.