Heute Morgen hatte ich das Vergnügen mal wieder mit unseren Reinigungskräften einen kleinen Plausch zu halten. Wer glaubt Reinigungspersonal wäre strunzdoof, sollte sich mal mit denen unterhalten. Unsere sind sehr intelligent und auch gesellschaftskritisch.
Thema waren die langen Ladenöffnungszeiten. Wir kamen – wir sind alle älter als 30… – über den alten Gewerkschaftsslogan „Samstag gehört der Papi mir“. Damit kämpften die Gewerkschaften vor ca. 50 Jahren um die 40 Stunden-Woche. Das Ziel war, der Familie ein gemeinsames Wochenende zu ermöglichen.
Ja, wo ist er hin, der hohe Anspruch den Familien gemeinsame Zeit zu ermöglichen, wenn ein Familienmitglied im Supermarkt arbeiten muss. Wochentags bis 22:00 – Kasse machen um dann gegen 23:00 zu Hause zu sein. Wenn die Familie vor 20 Jahren noch freitags auf den Campingplatz fuhr, so sind diese Zeiten vorbei. Das geht höchstens noch alle 2 Wochen, wenn der Dienstplan dies zulässt.
Werden wir durch mehr Arbeit leistungsfähiger? Wer diese Frage stellt, sollte sich einmal das Interview in der Zeit mit Thomas Geoghegan durchlesen, der über die Unterschiede zwischen Arbeit/Leistung in den USA und Deutschland folgendes sagt:
Geoghegan: Die Amerikaner jammern permanent über den Aufstieg Chinas. Was machen die Deutschen? Sie gehen nach China und verkaufen dort ihre Maschinen und Autos. Zwischendurch machen sie sechs Wochen Urlaub. Es ist, als würden sie gegen uns gewinnen, während sie einen Arm auf dem Rücken festgebunden haben.
ZEIT ONLINE: Jahrelang wurde Deutschland von zahlreichen Ökonomen dazu gedrängt, den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren, amerikanischer zu machen…
Geoghegan: (lacht) Ja, und zwar von genau jenen Ökonomen, die selbst ganz europäisch arbeiten: sozial abgesichert und mit frühem Feierabend. Im Ernst: Der flexible US-Arbeitsmarkt, wie er von Professoren und vielen Journalisten so gerne gelobt wird – was bedeutet das denn? Amerikanische Arbeitnehmer sind machtlos und der Willkür ihrer Unternehmen ausgeliefert.
Durch Freizeit und Erholung (Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit) sind wir Deutschen der amerikanischen Wirtschaft überlegen. Es ist nicht das Prinzip „immer arbeiten“, sondern die Möglichkeit die Batterien auch aufzuladen, das uns international wettbewerbsfähig macht.
Aber zurück zu der Überschrift: Die Mathematik der BWLer. Warum muss der Einzelhandel 14 Stunden am Tag geöffnet haben – an 6 Tagen der Woche? Uns wird gesagt: Damit ihr mehr Zeit habt eure Ware einzukaufen. Gemeint ist: Damit wir euch mehr Geld aus den Taschen ziehen können.
Geht diese Rechnung aber auf? Kann der Verbraucher tatsächlich mehr Konsumartikel erwerben? Gegen sei eine Volkswirtschaft, in der jeder Verbraucher monatlich einen Etat (bei Währungsstabilität) von stets 200€ zum verkonsumieren hat.
Wenn das Einzelhandelsgeschäft am Tag 9 Stunden geöffnet hat, so sind die Personalkosten auf 9 Stunden festgesetzt. Soll dieses Geschäft nun 14 Stunden geöffnet gehalten werden, muss mehr Personal eingestellt werden. Auch wird mehr Strom (Licht etc) verbraucht. Die Kosten der 14 Stunden-Öffnung liegen – im Vergleich zur 9 Stunden Öffnung – höher. Diese höheren Betriebskosten müssen nun auf den Produktpreis aufgeschlagen werden. Das heisst, unser Beispiel-Verbraucher kann für seine 200€ unterm Strich weniger Waren kaufen.
Unterm Strich werden wir Verbraucher also auch hier ausgenommen. Denn die Discounter werden weiterhin ihre x% Kapitalverzinsung realisieren. Letztendlich ging es nur darum, kleine Familienbetriebe aus dem Markt zu verdrängen – bezahlt haben den Tod der Tante-Emma-Läden die Verbraucher. Stolz können wir Deppen darauf sein, denn bei Rewe und Aldi kann man nicht anschreiben lassen.
Ja, das wäre toll, wenn der Einzelhandel immer von 9 bis 12 und von 13 bis 18 Uhr geöffnet hätte. Sonnabends natürlich nicht und sonntags schon gar nicht … schließlich möchte die Supermarktkassiererin auch mit ihrer Familie das Wochenende verbringen. Wie toll ist es doch, am Sonnabendvormittag mit der ganzen Familie eink… ups.
Mein momentaner Job gibt mir zwar relativ viele Freiheiten, kleinere Erledigungen auch mal tagsüber zu machen, aber viele Menschen haben diese Freiheit nicht. Der gewöhnliche Werktätige hat die Möglichkeit, relativ streßfrei einzukaufen, nur in der Woche abends ab sagen wir 19 Uhr sowieso sonnabends und sonntags ganztätig. Tagsüber entspannt einkaufen können im wesentlichen Arbeitslose (so sie Geld haben), Hausfrauen (die fast ausgestorben sind), Rentner (okay …), Schichtarbeiter, Kinder und Touristen. Normale tagsüber in Vollzeit arbeitende Menschen nicht.
Was ich nicht verstehe, ist, warum gerade um das Einkaufen so viel Terz gemacht wird. Kinos, Zoos, Theater, Kneipen, Restaurants, Museen, Discos, Freizeitparks … all das und noch viel mehr ist abends und/oder am Wochenende ganz selbstverständlich geöffnet. Natürlich, denn wann sonst haben die Menschen Zeit, diese Einrichtungen zu nutzen? Nur der Einzelhandel darf nicht. Wo ist da der Sinn?
Ich bin durchaus dafür, die Einzelhandelsunternehmen (und auch andere Arbeitgeber natürlich) zu verpflichten, für Nacht- und Wochenendarbeit Zuschläge zu zahlen, oder andere Beschränkungen zum Schutz der Beschäftigten vor übermäßiger Belastung einzuführen. Ein generelles Öffnungsverbot halte ich dagegen für völlig verfehlt und nicht mehr zeitgemäß. Die Zeiten, als Papi arbeiten ging und Mami für die Familie einkaufte, während die Kinder in der Schule sind, sind nun einmal vorbei.
@buntklicker.de:
Ich weiss nicht wie alt Du bist. Aber ich habe den langen Samstag (erster Samstag im Monat) noch als etwas neues, besonderes kennen gelernt. Zu der Zeit galten Öffnungszeiten Mo-Frei 09:00 – 18:00, Sams 08:13:00. Alles war OK und es ist niemand verhungert.
Die von die erwähnten Zuschläge werden über den Preis der Produkte mitbezahlt. Das kann sich erlauben, wer das Glück hat ein „mittleres Einkommen“ zu erhalten. Die grosse Menge der normalen „Arbeiter“ knausert doch aber eher am unteren Ende rum. Von Arbeitslosen, Hartz-IV und Alleinerziehenden wollen wir hier noch gar nicht reden.
Der „normale Werktätige“ hat zwischen 16:00 und 17:00 Feierabend. Das reichte auch mir lange Zeit um nach der Arbeit noch schnell (mit dem Rucksack) das notwendige einzukaufen. Großeinkauf wurde Samstag Vormittag erledigt. Viele Eltern arbeiten halbtags (um sich auch um die Kinder zu kümmern) und können Nachmittags mit den Kindern einkaufen.
Das Geschäftsstätten, deren Hauptgeschäftszweck es ist den Menschen ein Freizeitvergnügen zu bieten genau dann geöffnet haben, wenn die Menschen Freizeit haben, ergibt sich aus der Natur der Sache – und das weisst Du auch. Aber warum haben Kino. Theater und Restaurant nicht schon vormittags auf, wenn die Verkäuferin Abends erst ab 23:00 Freizeit hat?
Damit ein paar Menschen die sehr eine hohe Stundenbelastung (wie Du) haben – und hoffentlich adäquat bezahlt werden (was ich jedem gönne) – verteuern sich ALLE Produkte.
Steht das in einem gesunden Verhältnis?
Verstehe mich nicht falsch, ich verdiene ausreichend, mir geht es finanziell nicht schlecht. Die Prinzessin und ich leben recht gut. Aber man kann nicht immer nur über die Privilegien der anderen schimpfen, man muss auch sehen durch welche selbst erhaltene Privilegien man andere Menschen einschränkt.
@reizzentrum: Zunächst: Ich bin, glaube ich, etwas jünger als Du, aber nicht viel (ich bin 44).
Du machst meiner Meinung nach einen Denkfehler und lieferst auch gleich den besten Beweis: „Zu der Zeit galten Öffnungszeiten Mo-Frei 09:00 – 18:00, Sams 08:13:00. “ Falsch. Einen gesetzlichen Ladenschluß um 18:00 hat es nie gegeben — der war um 18:30 (übrigens eine Regelung aus der Nazizeit, wenn man der Wikipedia glauben darf)! Die Geschäfte haben aber trotzdem meist um 18:00 geschlossen. Freiwillig. Oder hatten über Mittag zu — von 13 bis 15 Uhr war fast kein Laden geöffnet. Am Sonnabend war meist um 13 Uhr Schluß, gesetzlich aber erst um 14 Uhr.
Wenn es so ist, daß lange Öffnungszeiten zu teuer und/oder nicht lohnend sind, dann nutzen die Geschäfte den rechtlich möglichen Rahmen nicht aus. Und das ist so — [fast?] kein Laden in Berlin nutzt die möglichen Zeiten von Montag 0:00 bis Sonnabend 24:00 aus. Es zwingt sie ja auch keiner.
Ich habe auch kein Problem damit, wenn ein Händler sagt: Ich kann meine günstigen Preise nur halten, wenn ich 18:00 Uhr schließe. Bitte.
Du schreibst: „Das Geschäftsstätten, deren Hauptgeschäftszweck es ist den Menschen ein Freizeitvergnügen zu bieten genau dann geöffnet haben, wenn die Menschen Freizeit haben, ergibt sich aus der Natur der Sache – und das weisst Du auch.“ Dasselbe gilt für viele Geschäfte — eigentlich so gut wie alle außer dem Lebensmitteleinzelhandel. Shopping ist ein Freizeitvergnügen wie Kino oder Kneipenbesuch.
Ich verlange ja nicht, daß alle Einzelhändler von Montag 0:00 bis Sonntag 24:00 durchgehend geöffnet haben. Ich will nur eine weitestmögliche gesetzliche Freigabe — bei gleichzeitiger Steuerung des Personaleinsatzes durch verbindliche Regelungen für Zuschläge etc. –, der Rest wird sich einpegeln. Hier in Berlin haben die meisten Geschäfte jetzt bis 20:00 geöffnet, die großen Supermärkte fahren einen personalreduzierten Betrieb bis 22:00 oder 24:00. Warum wohl? Es ist zu teuer und nicht lohnend, die Bedienungstheken bis spät abends zu öffnen. Also wird es nicht gemacht. Genauso könnte es an Sonntagen sein.
Mit einem gesetzlichen Ladenschluß um 18:30, wie früher, ist niemandem gedient. Den kleinen Läden nicht — die könnten als wohnortnaher Spätverkauf nämlich genau eine Nische finden –, den Mitarbeitern nicht — es gäbe nämlich etliche weniger davon –, Menschen mit wenig Geld nicht (wenn es sich lohnen würde, günstige Preise durch reduzierte Öffnungszeiten zu realisieren, gäbe es das heute schon).
Es ist geradezu zynisch, wenn Du die Verteuerung der Lebensmittel durch vermehrten Personaleinsatz durch lange Öffnungszeiten zum Problem von Menschen mit wenig Geld erklärst — erhöhter Personalaufwand heißt immer auch weniger Menschen mit wenig Geld. Lieber mehr Arbeitslose, damit die Dose Pennerglück statt 0,59 nur noch 0,57 kostet? Das kannst Du eigentlich nicht ernst meinen.
@buntklicker.de:
Junger Bengel 🙂
Ich bin der Ansicht, dass die Öffnungszeiten dergestalt von den Discountern(!) ausgereizt werden, um grösstmöglichen (!) Anteil des Umsatzkuchens einzufahren. Erst hatte Discounter A bis 20:00 offen, andere zogen nach, dann wurde bis 22:00 geöffnet. Einer fing an und innerhalb weniger Tage/Woche zogen die anderen nach. Die Discounter können das, „Tante Emma“ bleibt auf der Strecke. Neben den Nachteilen des „Nichtgrosseinkaufs“ der kleinen Läden kam/kommt nun auch die Öffnungszeit dazu. Ist für kleine Läden nicht zu deckeln. Ergebnis: Mehr UMSATZkuchen für die Discounter.
Wenn Shopping für dich ein Vergnügen ist, kannst Du ja gern mit der Prinzessin Schuhe kaufen gehen (AUA!, Nicht schlagen Schatz, ich habe es nicht so gemeint) 🙂
Wer von uns beiden zynisch ist (nicht böse gemeint) stelle ich mal in Frage, wenn dir bei Verteuerung von Lebensmittel nur das Dosenbier einfällt. Ich denke an Brot, Margarine und – wenn noch Geld über ist – an Käse. Dazu Nudeln (die billigen) und einen von den Instantsoßenwürfel, damit man ein wenig Geschmack an die Nudeln bringen kann. Ich weiss (wirklich, glaubs mir einfach) wie es ist von SEHR wenig Geld leben zu müssen. Da steht Bier typischerweise überhaupt nicht auf dem Einkaufszettel.
@reizzentrum:
Widerspricht völlig meinen Erfahrungen. Es zumindest hier in Berlin hat ewig gedauert, bis zum Beispiel ALDI die längeren Öffnungszeiten übernommen hat. Lange nach der Verlängerung auf 20:00 hatten die ALDIs immer noch nur bis 18:30 auf. Der Lidl hier um die Ecke schließt um 20:00 — die hochpreisigeren Supermärkte wie Kaiser’s und Reichelt um 24:00 bzw. 22:00. Gerade mal Penny schafft es mittlerweile (!), bis 22:00 zu öffnen. Okay, ein „schwarzer“ Netto hier hat von Donnerstag bis Sonnabend bis 21:00 auf.
Pioniere langer Öffnungszeiten waren und sind hier immer die Nicht-Discounter. Klar — für Discounter ist es zu teuer, lange zu öffnen. Discounter Lidl schließt um 20:00, Kaufland (der Vollsortimenter aus gleichem Hause) um 24:00. Rate mal warum. Auch an den Sonntagsöffnungen, wenn es denn mal welche gibt, beteiligen sich Discounter nicht. Genau die können es nämlich nicht.
Reichelt dagegen öffnet regelmäßig einige ausgewählte Filialen am Sonntag, wenn es möglich ist, und es ist immer recht viel los. Der Bedarf ist nämlich da.
Wohnortnahe Spätverkaufe könn(t)en den Nicht-Großeinkaufs-Nachteil durch die Öffnungszeiten wieder wettmachen. Da Discounter ja relativ früh schließen müssen, könnte man, wenn man nur abends und am Wochenende mit geringem Aufwand öffnet, eine Marktnische eröffnen. Sowas hat es in den letzten Tagen der DDR viel gegeben. Wurde natürlich nach der Einheit vom Ladenschlußgesetz alles plattgewalzt, zugunsten der großen Einzelhandelsketten (und der Tankstellen, aber das ist eine andere Geschichte).
Es erschließt sich mir überhaupt nicht, warum Du meinst, Discounter könnten eine Abend- oder Wochenendöffnung wuppen, aber Tante Emma nicht. Meiner Meinung nach ist eher das Gegenteil der Fall.
Das Beispiel mit dem Dosenbier kam übrigens dadurch zustande, daß es eins der wenigen Lebensmittel ist, dessen Preis sich in den letzten Monaten nicht ständig schwunghaft geändert hat, und von dem ich ungefähr weiß. was es kostet. Ich weiß einfach nicht, wieviel die preiswerten Nudeln gerade kosten. Der Preis ändert sich öfter als ich Nudeln kaufe. Von 0,23 bis 0,59 je 500 g habe ich in den letzen anderthalb oder zwei Jahren jede Menge Preise gesehen.
Ist die Preisstruktur in Hamburg so viel anders als in Berlin? Ich weiß jedenfalls, daß ich, wenn ich wenig Geld habe, ganz bestimmt keinen Käse kaufe. Viel zu teuer. Wurst aufs Brot ist um Längen billiger.
Sei es wie es sei: Mehr Personalaufwand im Einzelhandel heißt mehr Geld in den Händen der arbeitenden Bevölkerung, und das ist gut für alle.
@buntklicker.de:
Lidl, Aldi, Penny, Plus und REWE haben sehr kurzfristig ihre Öffnungszeiten angeglichen. Tja, das ist wohl der Hauptstadtmalus *gg* Kann natürlich sein, dass die Gebietsverkaufsleiter hier in HH aggressiver aufeinander reagieren.
Junger (no-name) Gouda ist Preis/Kilo günstiger als Wurst – oder war es zumindest vor 3 Jahren als ich mit spitzen Fingern rechnete. 🙂
„Tante Emma“-Läden gibt es in Hamburg quasi gar nicht mehr. Die sind nahezu komplett durch die Discounter verdrängt worden. Es gibt noch ein paar „grosse Kioske“ an deren Tür SPAR steht. Aber die sind in Sachen Sortiment und Preis deutlich eher an den Kiosken orientiert, denn an den alten kleinen Läden. Ausserdem haben diese höchsten bis 20:00 auf und nicht bis 22:00 wie die „Grossen“. Parallel gibt es noch die „echten“ Sparmärkte, die dann den REWEs und Aldis dieser Welt Paroli bieten.
Hamburg ist weitestgehend dichtgepflastert mit Discountern. Ich schätze mal dass im Hamburger Kernbereich jeder Bewohner mindestens einen Discounter in „fussläufiger Entfernung“ hat.
@reizzentrum: Tante-Emma-Läden gibt es hier auch schon lange nicht mehr. Die wurden, vermute ich mal, in den Siebzigern von den Vollsortimenter-Supermärkten verdrängt, lange bevor es flächendeckend Discounter gab. Ich kann mich jedenfalls nicht mehr an welche hier erinnern.
REWE ist übrigens ein Vollsortimenter — der Discounter der REWE-Gruppe heißt Penny. Du scheinst nicht oft bei REWE einzukaufen. 🙂 Ich übrigens auch nicht — ich kaufe bevorzugt bei Reichelt, das ist ein Vollsortimenter der Edeka Minden.
Ich wohne zwar nicht im Kernbereich von Berlin, sondern am Rand, aber die Pflasterung mit Discountern gibt es hier schon auch. Es gibt wesentlich mehr Discounter als Vollsortimenter — die nächste Einkaufsquelle ist ein Lidl. Offenbar versuchen die Discounter, die Vollsortimenter — und noch mehr einander gegenseitig — mit Verkaufsfläche und Wohnortnähe zu erdrücken, weil sie es mit anderen Faktoren wie Öffnungszeiten, Sortiment oder Service halt aus Kostengründen nicht können.
@buntklicker.de:
Vollsortimenter vs. Discounter…. Wenn ich bei REWE Grundnahrungsmittel(!) teils preiswerter als bei Aldi oder Penny bekomme, ist REWE für mich in der absolut gleichen Liga beheimatet. Da mache ich mir das einfach 🙂 Und – so btw – ich kaufe sehr oft bei REWE ein *gg*
Du schriebst im vorigen Kommentar
Mehr Geld für die Verkäuferinnen? Aber nur knapp. Ausserdem musst Du auch mit einberechnen, was die Diskountimenter (..) den Zulieferern an Erträgen durch Knebelverträge (z.B.Milchwirtschaft) nehmen, wieviele Kleinbetriebe durch übergrosse Zulieferer (Müllermilch) kaputt gehen und unterm Strich in dem Bereich auch wieder Arbeitslose und Niedrigverdiener produzieren. Ich glaube nicht, dass „der gemeine Bürger“ im Schnitt bei dieser Rechnung Gewinn macht. Der dürfte – wieder einmal – bei den Aktiengesellschaften hängen bleiben.
@reizzentrum:
Du weißt auch nicht, was Du willst. Einerseits beklagst Du, daß durch die langen Öffnungszeiten Mehrkosten (vor allem an Personal) entstehen, die die preiswerten Lebensmittel ach so schlimm verteuern, andererseits hälst Du den Effekt für vernachlässigbar, wenn ich dem entgegenhalte, daß dadurch insgesamt mehr Geld an die Lohnempfänger fließt.
Billige Lebensmittel sind gut, damit auch Menschen mit wenig Geld sie bezahlen können, aber es ist böse, wenn diese niedrigen Preise durch knallhartes Wirtschaften der Einzelhändler gegenüber den Zulieferern zustande kommen?
Und Grundnahrungsmittel zu Discounterpreisen hat doch heute jeder normale Vollsortimenter im Programm! Was mit A&P bei der Tengelmann-Gruppe angefangen hat, gibt es heute überall, ob G&G bei Edeka oder „ja!“, „die Weißen“ oder was auch immer. Das Merkmal eines Discounters ist doch nicht, daß der Sechserträger des billigsten Mineralwassers 1,14 plus Pfand kostet — das ist praktisch überall so –, sondern vor allem die geringe Sortimentsgröße mit wenig Alternativprodukten, aber auch die einfache Ladenausstattung und der geringe Personaleinsatz (z. B. keine Bedientheken). REWE ist kein Discounter. Punkt. Oder Du mußt das Wort komplett anders definieren, aber langsam gehen Dir die „Guten“ aus. Mit Deinen Kriterien gibt es nämlich überhaupt nur noch Discounter unter den Supermärkten.
Was willst Du eigentlich? Mehr arbeitslose Verkäuferinnen durch kürzere Öffnungszeiten? Weniger Essen wegen höherer Preise für Hartz-IV-Empfänger wegen fairerer Einkaufspraktiken gegenüber den Erzeugern? Was? Es ist mir einfach nicht klar.
Denn die Läden, die billige Lebensmittel dank (u. a.) relativ kurzer Öffnungszeiten und geringer Personalkosten anbieten, gibt es schon. Sie sind mit dem Wort „Lidl“ gekennzeichnet. Natürlich geht das nur, wenn man die Zulieferer und Mitarbeiter unter Druck setzt. Das ist aber auch wieder böse. Was denn nun? Was wird besser, wenn auch die Vollsortimenter und der Türke um die Ecke schon so früh schließen müssen wie Lidl? Ach, Vollsortimenter gibt es ja nicht mehr. Sind ja jetzt alles Discounter. Die Argumentation ist wirr.
Ach ja, ein Beispiel will ich noch geben: In England gibt es sehr sehr viele kleine Mini-Supermärkte. Sie werden meist von Pakistanern betrieben (und heißen deswegen auch „Pakis“), haben ein relativ kleines Warensortiment und relativ hohe Preise. Wie können sie überleben? Ganz einfach: Sie haben bis spät in die Nacht geöffnet.
@buntklicker.de:
Es fliesst ja unterm Strich nicht mehr Geld an die Lohnempfänger. WENN mehr Geld bei den Angestellten (NICHT bei den Aktionären) bleiben würde, hätten wir weniger Probleme mit den Steuereinnahmen und dem Konsum. Es wird – unterm Strich – weniger rentenversicherungspflichtiges Einkommen erwirtschaftet. Würde das Einkommen die Mehrkosten ausgleichen, könnte man dem gemeinen Verbraucher die Mehrkosten für Konsumgüter mittels Steuerersparnis erstattet. Oder?
Es geht mir um den Bürger an sich. Wir müssen ein System schaffen/erhalten in dem so viele Menschen wie möglich – aufrechten Hauptes – ihr eigenes Einkommen erwirtschaften können. D.h. umso mehr Arbeitslose und Niedriglöhner wir „produzieren“, desto billiger müssen die Waren werden. Das haut aber nicht hin. Es gibt diese Schraube weder nach unten (immer weniger Kosten) noch nach oben (stetes Wachstum).
Es ist die Milchmädchenrechnung, dass man eines davon erreichen könnte, die ich kritisiere.
Arbeit muss sich lohnen – und zwar für die Arbeiter.
„@reizzentrum: „Es fliesst ja unterm Strich nicht mehr Geld an die Lohnempfänger.“ — doch, das war genau Deine ursprüngliche Theorie!
Wenn ich mal das Licht außen vor lasse, steht da genau das, was ich sage: die Personalkosten sind höher, das heißt, es wird absolut gesehen mehr Geld an das Personal gezahlt.
Wenn Du über Niedriglöhne, „Aufstocker“ (eine der größten Schweinereien im Arbeitssektor überhaupt) und sonstige Míßbildungen schimpfst, bin ich Deiner Meinung (wie Du ja aus meinen sonstigen Kommentaren weißt). Arbeit muß sich lohnen für die, die sie leisten — Mindestlöhne braucht das Land. Bin ich völlig bei Dir.
Aber lange Öffnungszeiten bewirken genau das Gegenteil der Spirale nach unten — sie erhöhen die Gesamtlohnsumme (gut), de-intensivieren die Arbeit, denn Kunden und Umsatz werden ja nicht mehr, verteilen sich nur auf mehr Stunden (auch gut), schaffen Arbeitsplätze für Geringqualifizierte (auch gut), schaffen Gelegenheit für Teilzeitarbeit (auch gut). Die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse steigt (gut), die Einnahmen der Rentenversicherung (auch gut). Für Deine Theorie „Es wird – unterm Strich – weniger rentenversicherungspflichtiges Einkommen erwirtschaftet.“ sehe ich keinerlei Anhaltspunkte.
@buntklicker.de:
Ich glaube die Quintessenz unseres Gedankenaustausch ist vor allem: Volkswirtschaft lässt sich nicht auf 2 DIN-A4 Seiten abbilden 🙂
Wenn ich den Personalwandel bei dem „Lebensmittelladen bei dem ich immer einkaufe“ sehe, so wird dort immer mehr mit Teilzeitkräften und Aushilfen gearbeitet. Eine Kassiererin arbeitet z.B. nur Dienstags und Donnerstag Abends (sagte Sie mir mal). Das sind keine „echten“ sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze.
Die Gesamtlohnsumme kann (in meinen Augen) nicht gestiegen sein, schliesslich werden die Produkte für den Verbraucher meist billiger. Woher diese Preissenkungen kommen und wie sich der Preis ändern würde wenn die Personalkosten im „Einzelhandel“ gestiegen sind, steht auf einem GANZ anderen Blatt.
Man müsste die Bilanzen und die internen Kalkulationen der Grossisten im Vergleich der letzten Jahre interpretieren um wirkliche Aussagen treffen zu können.