Alte Hasen und junge Füchse

Nachdem die Piratenpartei vor  geraumer Zeit Jörg Tauss in ihren Reihen begrüssen durfte, gibt es gestern einen weiteren politikerfahrenen Neuzugang bei der Piratenpartei: Herbert Rusche ist der Piratenpartei beigetreten. Herbert Rusche ist Gründungsmitglied der Partei „Die Grünen“.

Sicher mag es viele Piraten geben, die vor dem Beitritt bei der Piratenpartei Mitglied einer anderen Partei waren, aber Rusche hatte (wie Tauss immer noch) ein Bundestagsmandat inne, was für die Piraten einen besonderen Wert darstellt.

Die Piraten rekrutieren ihre Mitglieder hauptsächlich aus jungen, und (trotz aller Unkenrufen) engagierten Wählerinnen und Wähler, die nicht der Politik generell sondern den etablierten Parteien sehr kritisch gegenüber stehen. Was den Piraten fehlt ist die Erfahrung auf dem politischen Parkett. Wer den Bundesparteitag der Piratenpartei in Hamburg erlebte, konnte – als Schmankerl am Rande – feststellen, wie gut die Erfahrung eines Jörg Tauss den Anwesenden tut. Nicht, dass er das Ruder in der Hand hat oder hatte. Aber er setzt Akzente, kann seine Erfahrung sinnvoll ins Spiel bringen.

Herbert Rusche hat den Weg den die Piratenpartei nun zu gehen hat, bereits mit den Grünen beschritten. Er war Geschäftsführer des Hessischen Landesverbands der Grünen und kennt Partei-, Landes- und Bundespolitik. Diese Erfahrung dürfte den Piraten weiteren Aufschwung geben.

Viel Feind viel Ehr – wo stehen die Piraten eigentlich

Kaum schafft es die Piratenpartei den Achtungserfolg von 0,9% bei der Europawahl zu erringen, wird sie zur Zielscheibe diverse Befindlichkeiten.

  • Die ehemaligen Volksparteien CDU/CSU und SPD schiessen sich auf den wohl bekanntesten Piraten Jörg Tauss ein. Auch medial ist dies natürlich immer wieder ein Angriffspunkt.
  • Die konservativen Medien und Rechteverwertungsgesellschaften schiessen sich mit dem Argument „Die wollen die Künstler enteignen“ auf die Piratenpartei ein.
  • Die Linke (nicht die Partei) meint in der Person Bodo Thiesen, der sich nicht klar genug vom rechten Gedankengut abgrenzt, einen neuen wunden Punkt gefunden zu haben.
  • Neu ist Kritik an der Art des Parteitages, auf dem NICHT mittels Delegiertenstimmen entschieden wurde.

Was aber macht die Piraten aus? In meinen Augen (also so richtig subjektiv) ist gerade die Offenheit ALLER möglichen freiwilliger Diskussionsteilnehmer und aller Menschen – die sich zu einem der in der Piratenpartei thematisierten Punkte – äussern wollen ein sehr grosser Vorteil. Die Piraten sind nicht links oder rechts – sie sind Piraten. Mitten durch! Eine Linke gibt es – rechte Parteien noch viel mehr. Was die deutsche, politische Landschaft inspirieren kann ist eine Partei, die frei ist von alten Gedanken und Schablonen. Wer nicht verurteilt ist gilt als unschuldig – egal was gegen ihn vorgetragen wird. Und um es mit der Worten von Klaus Wowereit zu sagen: Und das ist auch gut so!

Das die Piraten die Kreativen um ihre Rechte bringen wollen hält sich zwar hartnäckig, wird aber dennoch nicht richtiger. Innerhalb der Piraten wird massiv an einer Lösung eben dieses Problems gearbeitet: Wie kommen Künstler an die angemessene Entlohnung ihrer Wertschöpfung. Vielleicht sollten sich gerade Künstler an dieser Stelle aktiv an der Diskussion beteiligen. Ich sehe an der Stelle auch und gerade eine Chance der Kreativen ein neues, tragbares und vor allem besseres Modell für „Schaffende“ zu formulieren, als das Modell das derzeit angewandt wird.

Was den Parteitag angeht, frage ich mich, warum scharf-links ein Problem damit hat, dass jeder Pirat sich auf dem Bundesparteitag selbst und direkt an der aktiven Gestaltung der Partei beteiligen kann „Auf dem Parteitag bestimmten ca. 9% zufällig anwesende Mitglieder das Geschehen. Jedes Delegiertensystem wäre demokratischer gewesen.“ Es waren keine „zufällig Anwesenden“, es waren aktiv mitarbeitende Bürger, die mit Interesse und persönlichem Einsatz an dem Weg der Partei mitarbeiten wollen.

Was mich z.B. beim CCC immer fasziniert hat war(aktiv kann ich es nicht mehr beurteilen), dass sich Menschen jeglicher Machart und Meinung fanden, um an ihrem gemeinsamen Zielen zu arbeiten. Aus der Satzung des CCC:

Der Chaos Computer Club ist eine galaktische Gemeinschaft von Lebewesen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Abstammung sowie gesellschaftlicher Stellung, die sich grenzüberschreitend für Informationsfreiheit einsetzt und mit den Auswirkungen von Technologien auf die Gesellschaft sowie das einzelne Lebewesen beschäftigt und das Wissen um diese Entwicklung fördert.

Es sind die Ziele die uns einen, nicht unsere Vergangenheit.

Stimmungsaufnahme vom Bundesparteitag der Piratenpartei 05.07.2009

Politik ist mehr – sollte mehr sein – als alle 4 jahre einmal ein Kreuzchen zu machen. Politik ist etwas, das man verstehen sollte. Und um etwas zu verstehen muss man „dahinter“ blicken. Eben mehr zur persönlichen Meinungsbildung nutzen als allein das, was einem die Medien versuchen erklären.

Also habe ich mich heute auf den Weg gemacht um – zumindest temporär – am Bundesparteitag der Piratenpartei 2009 teilzunehmen. Um zu erfahren, um zu fühlen, was dort passiert und wie dort Politik gemacht wird. Im Rennsport wird gesagt, man müsse den Rennwagen „mit dem Arsch fahren“ – dass will sagen, man muss ein gefühl für das Fahrzeug bekommen. Warum sollte dies bei einer Partei anders sein? Also habe ich mein verlängertes Rückgrat in Bewegung gesetzt um Eindrücke zu sammeln.

Zuerst: Es ist offen. Offen in jeder Hinsicht. Jeder – ob Parteimitglied oder nicht – kann sich anschauen, kann zuhören wie die Piratenpartei Politik macht. Keine Absperrgitter und kein Sicherheitsdienst hindern etwaige externe Zuhörer. Ob man dies in 8 Jahren auch noch so umsetzen kann lasse ich mal dahingestellt. Da ich Mitglied „dieser“ Piratenpartei bin ist es ein leichtes sich zu akkreditieren. Den Personalausweis vorzeigen (Kontrolle der Person ist ja auch sinnvoll) und man bekommt eine Stimmkarte für Handabstimmungen überreicht. So einfach geht das. Schon kann ich aktiv an Politik teilnehmen und mitbestimmen was in das Wahlprogramm hineinsoll und was auch nicht. ICH kann mitbestimmen und nicht nur das Ergebniss mittels eines Kreuzes bestätigen.

Aber – wie gesagt – um zuzuhören braucht man keine Stimmkarte. Und auch das Zuhören ist erfrischend, angenehm. Es reden keine professionellen Redner, die mit jedem Satz gewohnt sind eine Lüge von sich zu geben, sondern es kommt vom Herzen. Auch und gerade, dass einige Teilnehmer am Bundesparteitag mit Formulierungen und Begrifflichkeiten nicht ganz sicher sind, zeigt dass diese Politik wirklich von unten, aus dem Herzen des Volkes kommt. Der Ort an dem eine Demokratie stattfinden sollte: Beim Volk. Und genau dieses Volk, dem von den etablierten Parteien Politikverdrossenheit vorgeworfen wird, zeigt sich hier engagiert. Hier ist es wirklich das Volk, dass Stimme und Meinung erhebt. Keine Unterausschüsse, die Punkte an den Oberausschuss geben, welcher dann an den Generalausschuss weiterberichtet um dann zu erklären: Der Bundesausschuss hat keine Zeit sich darum zu kümmern.

Aber welches Volk ist denn überhaupt auf dem Bundesparteitag der Piratenpartei vertreten? Sicher sind dort viele computeraffine Menschen zu treffen, aber eine Ausschliesslichkeit – allein optisch – lässt sich deutlich nicht feststellen. Es gibt mehr Hemdsträger als den bekannten Ex-SPDler Tauss und auch selbst ich – als kurz vor 50 – fühlte mich nicht fremd. Das Durchschnittsalter mag unter 40 liegen. Aber ist das ein Nachteil? Eine alte Weisheit sagt, dass die Mischung als neuen Ideen und der Erfahrung der alten die richtige Mischung macht. Hier haben junge Menschen (damit meine ich diejenigen unter 40!) eine Chance dabei zu sein. Es sind genau diejenigen, denen die etablierten Parteien vorwerfen uninteressiert zu sein. Aber genau das sind sie nicht. Sie sind interessiert, die nehmen teil – sie nehmen aktiv teil, weil man sie lässt.

Ich prognostiziere den Piraten gute bis vorzügliche Zukunftsaussichten, wenn sie es schaffen diese Selbstdarstellung, diese „vibrations“ aufrecht zu erhalten. Denn diese Piraten haben das Potential nicht nur mich, sondern auch die Generation meiner Eltern aktiv für Politik zu interessieren. Die Piratenpartei ist jene Partei die es schaffen kann, viele Bürger die bei jeder Wahl eine Ankreuzmöglichkeit „Keiner von denen da oben hat mein Vertrauen“ suchen, hinter sich zu bringen. Denn Offenheit und Bürgernähe schafft Vertrauen. Ina Deter sang mal „Neue Männer braucht das Land“. Vielleicht brauchen wir die immer noch – eine Partei haben wir schon mal.

Piratenpartei? Politik die begeistern kann!

Nachsatz: Ich las in den Medien, dass Frauen bei dem Parteitag unterrepräsentiert sind. Das mag stimmen. An der Partei liegt es sicher nicht. Vielleicht fehlt vielen Frauen (noch) der Mut sich aktiv zu beteiligen. Frauen, die ihr das hier lest: Versucht es mal.