Arbeitslose, Kranke und Statistiken,

Vorab möchte ich meiner getreuen Leserschaft das Buch von Gert Bosbach empfehlen: „Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden“ (Link zu Amazon).

Denn die Lekture dieses sehr flüssig lesbaren und informativen Buches hat mich über diese Meldung nachdenken lassen:

Empfängern von Arbeitslosengeld I ist laut einer Statistik der Techniker-Krankenkasse (TK) im vergangenen Jahr die höchste Pro-Kopf-Menge an Medikamenten verschrieben worden. Im Schnitt erhielten sie Arzneimittel für 254 Tage des Jahres, wie die Kasse am Mittwoch in Hamburg mitteilte.

Die Krankenkasse wertete die Statistik als Beleg, dass auch fehlende Arbeit krank macht. „Die Daten zeigen, dass Gesundheit nicht nur von den gesundheitlichen Belastungen am Arbeitsplatz abhängt, sondern dass auch mit der Arbeitslosigkeit gesundheitliche Risiken, vor allem im psychischen Bereich, verbunden sind“

Quelle: Zeit. Nun könnte man losrennen und diese Nachricht in alle Winde verteilen. Unreflektiert und – ist ja eine Statistik – sofort psychiatrische Unterstützung für Arbeitslose fordern. Andererseits könnte man interpretieren, dass – wieder mal – die Arbeitslosen uns einfach unverschämt viel Geld kosten.

Ich möchte aber euer Augenmerk auf eine andere Betrachtung lenken: Wieviele Arbeitslose sind wegen einer dauerhaften, chronischen Erkrankung in die Arbeitslosigkeit verbannt worden? Ohne diese – nicht unwichtige Information – ist die Statistik der Techniker-Krankenkasse eher nutzlos. Und gerade für eine Krankenkasse sollte es etwas leichtes sein, zu erkunden ob diese Arbeitslosen eventuell bereits vorab zu dem „teureren“ Kreis der Kunden gehörte. Die bereits vorher Erkrankten müsste man aus der Statistik heraus rechnen, um dann die Neuerkrankten identifizieren zu können. Leider liefert die Statistik der TKK dazu keine Zahlen.

Mein Dank an Gert Bosbach, der durch sein Buch meine Sensibilität in Sachen Statistiken deutlich schärfte.

Bravo Gesundheitsreform: Deutsche zu arm für Medikamente

In was für einem Scheissland leben wir eigentlich, wenn mittlerweile die Tafeln (die typischerweise ja nur Lebensmittel zur Verfügung stellen) bei dauerkranken Bürgern aushelfen müssen, weil die erkrankten sich die Medikamente nicht leisten können.

Kreislaufbeschwerden und Übelkeit. Die Frührentnerin Petra Wollny kann sich ihre Medikamente nur dank der Dülmener Tafel und vieler Bürger leisten.

Früher konnte sie die Arzneimittel über die Krankenkasse abrechnen. „Das geht ja schon lange nicht mehr, für mich ist das aber zu teuer.“

„Wir können heute kaum noch etwas verschreiben. Für mich und viele meiner Kollegen ist das sehr frustrierend.“ Holger Kruck ist einer von zwölf niedergelassenen Allgemeinmedizinern in Dülmen. Von rund 1.000 Patienten, die er im Quartal betreut, hätten 40 bis 50 kein Geld für Medikamente, hat er beobachtet. „Es geht ja nicht nur darum, den Verlauf einer Erkältung abzumildern oder Schmerzen zu lindern, sondern auch Superinfektionen zu verhindern, wie beispielsweise eine Lungenentzündung.“

Quelle: TAZ. Man müsste doch allen für diesen Zustand verantwortlichen Gesundheitsministern direkt einen Schuh ins Gesicht werfen.

Es gibt ja den Spruch“ Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“ – heisst es bald „zum Sterben ist es OK“?

Ich schäme mich, dass so etwas in unserem Land möglich ist. Aber sollen die Kranken doch arbeiten gehen, wenn das Geld nicht reicht. Faules Pack. Einen Job für 2,5€ die Stunde sollen sie annehmen und aufhören zu jammern. Oh Mann, wenn ich dürfte wie ich manchmal wollte.