Über die Makel von politischen Programmen

Der grösste Makel, welcher der Piratenpartei stets unterstellt wird ist das Gerücht von fehlenden Programmen. Abgesehen davon, dass sowohl Bundespartei als auch Landesverbände sowohl Partei- als auch Wahlprogramme bereits besitzen und diese auch kontinuierlich erweitern, haben detaillierte Programme auch stets einen Nachteil: Sie sind statisch.

Was nutzt es, wenn ich der Bevölkerung vor der Wahl verspreche eine Oper zu bauen, wenn ich nach der Wahl feststellen muss dass ich – durch aktuell gesunkene Steuereinnahmen – das Geld für solch ein Vorhaben nicht habe? Dann stecke ich als derjenige der ein Versprechen abgab in der Zwickmühle: Breche ich ein Versprechen oder halte ich an einer Unvernünftigen Entscheidung fest? Was nutzen die besten Wirtschaftsprogramme, wenn mir anschließend die Finanzkrise mein Kapital entzieht?

Programme sollten so ausgelegt sein, dass diese während der gesamten Laufzeit Gültigkeit haben können. Dabei ist es – in meinen Augen – legitim zu einzelnen Themen (noch) keine konkrete Meinung zu formulieren. Ich kann und will im Jahre 2012 nicht abschließend jede Frage beantworten die mir im Jahre 2015 gestellt werden könnte – zu viele Faktoren können sich noch ändern die eine Bewertung des Sachverhaltes ändern. Was ich aber schon heute definieren kann ist, wie ich an Fragestellungen herangehen werde und welche Faktoren ich generell wie gewichte.

Der Kernpunkt – der gern aus den Augen verloren wird – heißt „Vertrauen“. Vertrauen in diejenigen Menschen die für mich Entscheidungen treffen und wie diese Menschen zu ihren Entscheidungen kommen. Ich erinnere mich an der Stelle gern (Jaja, Opa erzählt vom Krieg) an meinen Kompaniefeldwebel bei der Bundeswehr. Dieser Mensch schaffte es, dass ich ihm vertraute, weil er jede seiner Entscheidungen stets auf eine Art traf, dass ich diese verstehen und nachvollziehen konnte. Hätte er mir erklärt :“Köpke, Du musst JETZT in die 2° kalte Ostsee springen – keine Diskussionen“, so hätte ich es getan. Nicht weil ich Masochist bin, sondern weil ich in der Vergangenheit die Erfahrung machte, dass er immer gute Gründe für seine Entscheidungen hat und sein Entscheingsfindungsprozess fair ist.

Was mein Spieß mit den Parteiprogrammen zu tun hat? Gar nicht! Denn mein Spiess hatte gar kein festgeschriebenes Programm. Ich konnte nirgendwo nachlesen, wie er sich in der Zukunft Entscheiden wird. Auch Eltern haben kein Erziehungsprogramm – dennoch vertrauen die meisten Kinder ihren Eltern.

Kommen wir wieder zum Ausgangpunkt zurück: Was nutzen Programme, wenn die betroffenen (in diesem Fall die Wähler) kein Vertrauen zu demjenigen haben, der dieses Programm definierte? In diesem Fall wird der Wert des Programmes eher durch Saugfähigkeit und Lagenanzahl des Papiers bestimmt, als durch den Inhalt. In einem Vertrauensverhältnis aber, wird gar kein Programm benötigt.

Liebe politische Parteien (und ich spreche auch die Piratenpartei hier an): Das höchste Gut dass ihr zu verwalten habt ist das Vertrauen.  Die Piraten haben derzeit einen Vertrauensvorschuß, dieses sehr kostbare Gut darf nicht verspielt werden, weder durch Taten noch durch nicht einhaltbare Programme.

Ist die Piratenpartei ein Fitness-Studio oder Profifußball?

Ich habe den „Fehler“ gemacht und habe mich in der Piratenpartei für ein Amt (klitzeklein, auf Bezirksebene) zur Verfügung gestellt. Naja, ein Fehler ist dies generell nicht, nur scheine ich nicht die richtige Person für dieses Amt zu sein – wenn ich die Stimmen höre die  fordern „wir“ (die Vorstände) müssten mehr tun. Mein Problem an der Stelle ist: Ich bezeichne mich als Verwaltungsfachangestellter – als Ordner, der eben verwaltet und nicht als Zievorgabendefinierer. In herkömmlichen Parteien mag es so sein, dass die internen Amtsträger sich an die Spitze der Partei stellen, Themen vorgeben und der Rest der Mitglieder macht wie geheissen, die Piraten ticken anders. Und das ist auch gut so!

Die alten politischen Strukturen leben in einer Hierarchie, ähnlich dem Profifußball: Trainingstermine, Trainingsinhalte  und Aufstellung werden durch den Trainer bestimmt. Der Trainer bestimmt wer aufgestellt wird und wer nicht zum Training erscheint wird mit Sanktionen bestraft.

Die Piratenpartei allerdings stellt sich anders auf, eher wie ein Fitness-Studio, dass mir die Möglichkeit lässt selbst zu wählen, was ich – und wann – gern tue. Niemand steht „vorn“ und zeigt mir an, welche Geräte ich heute, morgen und nächste Woche zu nutzen habe. Ich wähle selbst den Bereich und die Zeiten in denen ich aktiv werden möchte, das Personal des Fitness-Studios ist sicher gern behilflich, was die Auswahl der zur Verfügung stellenden Möglichkeiten angeht, aber es gibt nicht den Rhythmus vor. Das Personal kümmert sich darum, dass die zur Verfügung stehenden Mittel gepflegt sind und wird auf Kundenwunsch auch neue Geräte zur Verfügung stellen. Aber strampeln muss ich selbst.

Manche Piratenmitglieder kommen mir vor wie Mitglieder in einem Fitness-Studio, die sich an die Bar(Stammtisch) setzen und dann laut einfordern, dass sie nun fit werden. Allerdings ist die Bar nur der Treffpunkt, an dem sich die Mitglieder im lockeren  Smalltalk zusammen finden um dann anschließend in Interessensgruppen die Sportgeräte besetzen um – in kleineren Gruppen – gemeinsam ihre Übungen zu machen.

Es kann und darf nicht die Aufgabe der Amtsinhaber der Piratenpartei sein, die Mitglieder neben das Sportgerät zu stellen und sie dabei zuschauen zu lassen, wie man sich abstrampelt. Politik ist kein Schaulaufen von wenigen, sondern ein Mitmachsport.  Quasi die politische Trimm-Dich Bewegung. Denn selbst der Profifußball ist eher armselig wenn die Stadien nur von zahlenden Zuschauern befüllt sind.

Liebe Leute: Die Amtsträger sind gern bereit euch zu helfen, euch an Menschen zu verweisen die den Themen arbeiten, die euch interessieren, euch zu helfen, welche Tools zur Verfügung stehen und wie man diese benutzt. Ich mag nicht bestimmen, das Werner, Oskar, Heidi und Michaela sich jetzt um das Thema XYZ zu kümmern haben. Ich bin gern bereit dafür zu sorgen, dass sich Gruppen zusammen finden und erfolgreich arbeiten können. Nur machen müsst ihr immer noch selbst! Die Stammtische dienen der generellen Kommunikation, dem Austausch von unterschiedlichsten Menschen mit unterschiedlichsten Interessen. Sie werden auch genutzt um die Zwischenstände der Arbeit zu präsentieren und neue Helfer für die Arbeitsgruppen zu finden – für die Themen zu werben. Die eigentliche Arbeit geschieht aber nicht – vom Vorsitz angeordnet – auf den Stammtischen, sondern eben zwischen den Stammtischen, in den Arbeitsgruppen die von euch gegründet und mit Leben erfüllt werden.

Das musste mal gesagt werden.

Meine Idee: Margot Käßmann als Bundespräsidentin

Nachdem gestern der Christian Wulff (man möchte sagen „endlich“) seinen Rücktritt bekannt gegeben hat, begann natürlich sofort die Hatz auf den möglichen Nachfolger. Abgesehen von einigen Stilblüten, wie Fefe, der versucht die Piratenpartei als Steigbügelhalter seiner persönlichen Präferenzen zu missbrauchen und mittels Nötigung Georg Schramm als Bundespräsident nominieren zu lassen, gibt es auch zu kritisierende Vorschläge. Wobei ich die Idee – als Aufmerksamkeitsaktion – Georg Schramm zu nominieren nicht schlecht finde. Aber eben nur als Jux – mit ernsthafter Politik hat dies wohl eher nur zweitrangig etwas zu tun. Aber auch Namen wie Schäuble tauchen als Nachfolger auf. Schäuble, der schon mal Gedächnislücken hat, wenn es um Schwarzgeld geht. Oder Frau von der Leyen, der man sicherlich eine gewisse Affinität zu medial verwertbaren Themen unterstellen kann, die aber bislang eher nicht durch echte politische Erfolge glänzen konnte (Zensursula). Über den Herrn Gauck schreibt schon der Spiegelfechter, dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Damit ich nicht falsch verstanden werde, Menschen machen Fehler – es gibt keinen Erwachsenen Menschen der sich noch niemals etwas hat zuschulden kommen lassen. Die Frage ist, ob man in der Lage ist zu seinen Fehlern zu stehen und aus diesen zu lernen.

Da auch Stimmen laut werden, die nach einer Frau im höchsten Amt rufen, wage ich meine Idee kund zu tun: Margot Käßmann (Link zu Wikileaks, dort findet man auch ihre Position zu einigen Themen wiedergegeben).

Käßmann? War das nicht die Frau, die 2010 ihren Führerschein wegen einer Trunkenheitsfahrt verlor? Ja, sie ist es. Aber im Gegensatz zu Schäuble, Guttenberg und Wullf eierte sie nicht herum, sondern legte einen Tag nachdem die Tat mediale Aufmerksamkeit erlangte ihr Amt nieder. Und das obwohl der Rat der evangelischen Kirche ihr das Vertrauen aussprach und ihr seine Unterstützung zusagte. Frau Käßmann die sofort ihre Tat als „schlimmen, gefährlichen und unverantwortlichen Fehler“ bezeichnete. Wer so handelt, der verdient in meinen Augen Vertrauen. Denn fehler werden gemacht – wir sind halt nur Menschen und keine perfekt programmierten Maschinen. Ich unterstelle Frau Käßmann – gerade weil sie so reagierte wie sie tat – dass sie auch aus der Verfehlung gelernt hat.

Möge die sachlich-ernsthafte Diskussion beginnen.