Soziale Probleme lassen sich nicht mit Gesetzen und Technik lösen

Sehr geehrte Frau Familienministerin von der Leyen,

mit Erschrecken las ich im SPON, dass Sie anstreben „Seiten“ im Internet sperren lassen wollen, welche kinderpornografisches Material veröffentlichen.

Generell laufe ich da – besonders als Vater von zwei Töchtern – mit ihnen konform. Zumindest was die generelle Einstellung zu diesem Thema angeht: Sowas muss und darf nicht sein. Dieses Material muss nicht hergestellt und verbreitet werden. ABER: Warum bitte wollen sie Symptome (wie Don Quijote) und nicht die Ursachen bekämpfen?

WENN Sie sich ein wenig mit der Struktur des Internet beschäftigen hätten, wären Sie zu der Erkenntnis gekommen, dass gesperrte Webseiten den Sumpf niemals trocken legen werden. Vielmehr wird es – und das zeigte uns bereits die Vergangenheit – dazu kommen, dass entweder unbeteiligte (Web)Seiten in Mitleidenschaft gezogen werden, weil ihre Vasallen eine IP-Adresse sperren auf der auch andere Inhalte von anderen Anbietern liegen, oder aber der gesamte Inhalt der gesperrten Seite taucht an anderer Stelle wieder auf. Was hätte man gewonnen, auser der Pressemeldung:“Wieder EINE Seite mit 5000 Zugriffen täglich ausgehoben“, welche verschweigt, dass dafür an anderer Stelle Webseiten mit 10.000 Zugriffen aufgemacht werden?

Das Einzige, was Sie erreichen werden ist, dass sie medienpolitisch Punkte sammeln und Steuergelder sowie Resourcen bei Ermittlungsbehörden und Internetdienstleistern verbrennen. Wenn das ihr wahres Ziel ist: Machen Sie es so.

Wie differenziert und einfühlsam Sie an das Thema herangehen – und dabei beweisen, dass Sie sich dem ursächlichem Problem zurückschrecken, zeigt dieses Zitat:

„Die Bandbreite reicht vom Pädokriminellen bis zum User, der wahllos sucht und ignoriert, dass er sich gerade die Einstiegsdroge besorgt.“

Ich gebe zu: Ich habe – versehentlich – (vor langer Zeit) einmal eine Seite mit dem angesprochenen Inhalt aufgerufen. Muss ich jetzt – obwohl ich angewidert die Seite im Browser sofort wieder schloss – nun in Therapie, da ich ja eine Einstiegsdroge „genossen“ habe?

Lidl-Version der „Tafel“

In verschiedenen bundesdeutschen Städten gibt es die sogenannten Tafeln. So auch in Hamburg – Auszug aus deren Webseite:

Die Hamburger Tafel versorgt die Ärmsten von ihnen mit dem, was unsere Gesellschaft an Überproduktion hervorbringt. Bevor verwertbare Lebensmittel in den Abfall gelangen, leiten wir sie stattdessen an Bedürftige weiter.

Nur bei Lidl in Schweden ticken die sozialen Uhren anders. Laut Spiegel wurden dort Lebensmittel „vergiftet“

Sie wollten Obdachlose fernhalten: Lidl-Mitarbeiter in Schweden schütteten deshalb Reinigungschemikalien über Lebensmittel mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum, bevor sie die Ware in den Müll warfen.

Mittlerweile wird dies so nun nicht mehr umgesetzt, aber allein dass man auf diese Idee kommen kann, macht mich sprachlos. Wieder ein Zeichen dafür, wie sozial kompetent der Mensch doch generell ist.

Nachtrag zu „Die Bahn startet Serviceoffensive“

Ja, es gibt schon wundervolle Massnahmen, wie man aus „einfachen Schaffnern“ Kettenhunde bastelt. Wie heute der Welt zu entnehmen ist, hat die Deutsche Bundesbahn AG „Fangprämien“ für erwischte Schwarzfahrer eingeführt. Diese Fangprämie ersetzt die ehemals gezahlte Provision für im Zug verkaufte Fahrkarten.

Ist das der ursächliche Grund dafür, dass eine Bahn-Schaffnerin ein 12-jähriges Mädchen aus dem Zug warf und es bei anbrechender Dunkelheit 5 Kilometer ein schwere Chello schleppen liess? (Siehe auch hier)

Die Schaffnerin hätte also – so rein monetär – nichts von dem Angebot der anderen Bahnreisenden gehabt, wenn ein netter, sozial handelnder Mitreisender den Fahrpreis bezahlt hätte. Dafür gibt es kein geld. Nur wenn die Schaffnerin die Amtshandlung vollendet, klingelt es in ihrem Portemonaie.

Ja, DANN sieht die Sache aber anders aus, denn in diesem Fall (und ich verachte das Verhalten der Schaffnerin immer noch zu 100%) gibt es aber eine Motivation: Ich nehme mal an, dass Schaffner bei der Bundesbahn nicht ansatzweise die 2,975Millionen Euro (Quelle Welt) Jahresgehalt nach Hause bringt, die Herr Mehdorn im jahr 2007 als Gehalt aufs Konto kriegte. Sicherlich wird bei Gehaltverhandlungen auch seitens der Bahn eben diese Fangprämie erwähnt „Die Angestellten bekommen ja noch die Fangprämie (insert some Durchschnittswert) zu dem Tariflohn dazu“ (Remember Kellner und Trinkgeld?)

Wie beschissen ist das System in dem wir leben müssen? Jeder ist korrumpierbar, nur die Summe unterscheidet uns ;(

Natürlich weisst Die Bahn jeglichen Zusammenhang zwischen Fangprämie und diesem Fall zurück Quelle:

Auch die Deutsche Bahn versucht, den Verdacht zu widerlegen, die Schaffnerin habe einfach nur herzlos Geld einstreichen wollen. „Natürlich müssen Schwarzfahrer erwischt werden, aber mit der Prämie hat dieser Fall überhaupt nichts zu tun“, versicherte die Bahn-Sprecherin.

Dort ist AUCH zu lesen:

Bislang konnte das Unternehmen das Motiv der Schaffnerin nicht weiter erklären. „Im Laufe der Woche wird mit der Kundebetreuerin gesprochen“, sagte eine Sprecherin der Deutschen Bahn WELT ONLINE.

Moment: Die Bahn hat noch NICHT mit der Schaffnerin gesprochen, aber kann jetzt schon ausschliessen, dass die Prämie mit dem Fall nichts zu tun hat? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf?