RTL 2 sendet BKA-TV

Es gibt Dinge, die muss man sich nicht selbst antun. Die einzige Ausnahme ist das erlernen des Begriffes „heiss“ – jedes Kind muss sich einmal die Pfoten verbrannt haben, um zu begreifen, was „die Alten“ meinen, wenn Sie sagen: „Nicht anfassen, heiss“.

Im Normalfall aber, kann man sich auf das Urteil Anderer verlassen, sofern sie denn einigermassen vertrauenswürdig sind und/oder mehrere Urteile zu dem gleich Schluss kommen. Also erlaube ich mir hier etwas zu tun, was ich eigentlich versuche zu vermeiden: Ich beurteile etwas, über das ich mir ein eigenes Bild hätte machen können auf Basis der Informationen, die mir andere Menschen zur Verfügung stellten.

Es geht – ihr habt es schon erraten – um das „Motivier den Pedobären“-Format „Tatort Internet – Schützt endlich unsere Kinder“ von RTL 2. Ich habe mir dem Kram nicht angesehen, da ich erstens schon ahnte, welch Hühnerkot uns dort wieder als Qualitätsjournalismus verkauft werden soll, ich zum zweiten die Zuschauerzahlen nicht zu hoch treiben wollte (bewusstes Konsumverhalten) und dritten weil ich schlicht etwas besseres zu tun hatte.

Sowohl BKA-Chef Zierke als auch der Ex- und der amtierende Innenminister sowie die Zensursula werden sich die Hände gerieben haben: Soviel Marketing für Überwachung und Kontrolle hat es im Fernsehen noch nie gegeben. Wie schreibt die Süddeutsche:

Das Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ein ernstes, und eigentlich wäre es der Redaktion von RTL 2 hoch anzurechnen, sich diesem journalistisch genähert zu haben. Doch die Annäherung, das machen schon den ersten Sequenzen der Sendung klar, gleicht eher einer Bulldozerfahrt: Schnelle Schnitte, verwackelte Bilder, dramatische Musik, gesprochene Chat-Fetzen wie „Wollen wir uns treffen?“ oder „Ich bin ein bisschen älter, ist doch nicht schlimm“ und unter donnerndem Trommeln die Ansage aus dem Off: „Das Internet, ein Tummelplatz für pädosexuelle Täter.“

Es ist genau das passiert, was ich gestern bereits prognostizierte. Es geht um Mediengeilheit und Einschaltquoten. Und wenn ich bei Heise die Worte Niggemeiers lese

Man sah Beate Krafft-Schöning an, wie sehr sie diese Gelegenheiten genoss. Die Minuten, in denen sie den Männern gegenüber saß, die ihr in die Falle gegangen waren. Die sie in einem Chat im Internet angesprochen hatten, in dem sie sich als 13-jähriges Mädchen ausgegeben hatte; die diesem Kind, das sie auf der anderen Seite der Datenverbindung vermuteten, pornographische Bilder geschickt hatten, sexuelle Botschaften und Aufforderungen; die sich mit diesem Kind unter dem Siegel der Verschwiegenheit verabredet hatten, um es zu missbrauchen.

werde ich an meine Worte von gestern erinnert:

Sind es wirklich die Abgründe perverser Täter, oder eher die Abgründe perverser Mediengeilheit sowie der Versuch Marktanteile zu ergattern

Manchmal wünschte ich mir – in solchen Fällen – auch mal nicht recht zu haben. Der einzige Trost ist, dass diese armselige Sendung nicht ein einziges Mal von Werbung unterbrochen wurde. Vielleicht finanzieren BKA und Innenministerium das Format ja direkt, so dass man an der Stelle auf Werbung nicht angewiesen ist.

Anzumerken bleibt, dass die RTL 2 Reportage „Grenzenlos geil – Deutschlands Sexsüchtige packen aus“ ausfallen musste.

„Tatort Internet“ und die Kanzlerin bei Kallwass?

Die Ministergattin Stephanie zu Guttenberg ist sich nicht zu schade beim „Sender mit hochwertigen Formaten“ RTL II eine tolle neue Mottoshow zu begleiten: “Tatort Internet – Schützt endlich unsere Kinder”.

Das stelle ich mir ungefähr so vor, wie „Päderast sucht Kleinkind“ „Bauer sucht Frau“ nur anstelle von Inka Bause wird dann die Ministergattin die Show mit schlauen Sprüchen begleiten. Für RTLII ist das sicherlich ein Glücksgriff, garantiert die junge Freifrau doch mediales Interesse, dass der Sender gewiss gut gebrauchen kann, sogar die Bild-„Zeitung“ macht Werbung für das Pederastenformat:

Viele Politiker-Frauen engagieren sich sozial, aber keine geht so weit wie Stephanie zu Guttenberg. Sie geht da hin, wo es weh tut. Mitten in die Abgründe perverser Täter, die sich an unseren Kindern vergreifen wollen.

Sind es wirklich die Abgründe perverser Täter, oder eher die Abgründe perverser Mediengeilheit sowie der Versuch Marktanteile zu ergattern. Netzpolitik schreibt nämlich:

Angelehnt ist das Format an NBC’s “To catch a Predator“, bei der mit versteckter Kamera Menschen die sich fiktiven Minderjährigen über das Internet sexuell annähern wollten “erwischt”, angeprangert und verhaftet wurden.

Ihr Mann ist Mitglied welcher Partei? Der CSU, wobei das „C“ für christlich steht. Ob diese Saubande von Christimitaten das „Vater unser“ kennen?

Und führe uns nicht in Versuchung

Aber sie, die Freifrau und ihr sauberer Selbstverteidigungsminister, die dürfen in Versuchung führen? Sie dürfen – im Zweifelsfall – unschuldige Menschen in Versuchung und Schuld führen?

Stephanie von und zu Guttenberg, ich spucke Ihnen angewidert vor die Füße. Ihr Verhalten ist ebenso ekelhaft, wie das der Kinderschänder, welches Sie kritisieren. Wo die Mediengeilheit übermächtig wird, setzt das Hirn einfach aus.

Priority Inbox – Googles echter Blödsinn

Ich gebe zu, auch ich nutze (bewusst!) Googlemail. Für manche Zwecke ist gmail recht praktisch, für andere Dinge würde ich Googlemail niemals nutzen. Da lesen einfach zu viele Menschen mit. Für „speziellere“ Mail sollte man – trotz PGP – andere Mailserver nutzen. Auch die Information wer überhaupt mit wem und wann kommuniziert ist etwas, das nicht jeder wissen muss (deshalb bin ich auch erklärter Facebook-Gegner).

Aber zurück zu den priorisierten Mails. Ein Algorithmus soll erkennen welche Mails wichtig sind und welche nicht. Welch ein Schwachsinn. Als erstes wurden Statusmails meines Webservers als wichtig kategorisiert (logo, der schreibt mir oft). Aber wer mit oft schreibt, ist eher unwichtig, denn wichtig. Wichtig wäre, wenn meine Mutter mir eine Mail senden würde (dabei kennt die weder meine meine Mailadresse, noch Interesse am Internet).

Dieser Schwachfug mit „was interessiert den Empfänger“ ist ein Thema, dass mich schon seit über 20 Jahren begleitet. Dies fing an mit den sogenannten Netnews und Usenet, welche per NNTP und UUCP übertragen wurde. Anfang noch recht kuschelig und übersichtlich, nahm der Input später Ausmasse an, die noch nicht mal mehr zu sichten waren. Danke AOL, Du hast damals gute Zerstörungsarbeit geleistet.

Schon damals wurde überlegt, ob es Algorithmen geben könnte, mit denen es möglich wäre, dem Benutzer nur das anzuzeigen, was ihn interessiert. Ja, kann man. Mit starren Filtern kann man – aufgrund der derzeitigen Nachrichten- und Interessenlage – tatsächlich eine Momentaufnahme erstellen. Diese Momentaufnahme ist aber Blödsinn, denn wir sind davon abhängig neue Informationen und Einflüsse an uns heran zu lassen. Sperren wir uns gegen diese, sind wir – informell – weg vom Fenster. Hätte ich einen starren Nachrichtenfilter auf Basis der Interessenlage von 1980, hätte ich nicht vom Mauerfall oder 9/11 gehört. Denn Informationen/Kontakte, die ich noch nie hatte, kann ich mitels Userverhalten nicht priorisiert haben.

Andererseits möchte ich aber nicht noch heute stets eine Information haben „Babywindel im Sonderangebot“ weil mich dies vor 20 Jahren mal interessierte.

Unser Interessen sind zu flexibel und wandelbar, als dass ein Algorithmus diese nachstellen könnte. Wenn das Programm zur Bewertung greift, hat sich unsere Interessenlage schon wieder gewandelt. Und die Mails meiner Prinzessin und anderer wertvoller Zeitgenossen werden ohnehin in besondere Ordner sortiert.

Ein schönes Feature, dass so sinnlos ist wie ein Kropf oder der Blinddarm.