Lug und Betrug gehört zum Geschäft

Unehrlichkeit war bislang etwas, dass man zumeist den Verkäufern von Fortbewegungsmitteln unterstellte. Dies fing an mit den Pferdehändlern (Roßtäuscher) und setzte sich fort zu den Gerbrauchtwagenhändlern (Remember Jack Tramiel – der Atari-Chef, den man als „polnischen Gebrauchtwagenverkäufer“ verunglimpfte).

Nun gibt es einen neuen Berufsstand, der – nach einem Gerichtsurteil – nicht die Wahrheit sagen muss, vulgo lügen darf: Die Bankberater! Die FAZ schreibt:

Nach Ansicht der Richter reicht es aus, wenn Bankberater die Berichterstattung in den „anerkannten“ überregionalen Wirtschaftsmedien wie der „Financial Times Deutschland“ oder der „FAZ“ verfolgen. Tauchen dort zeitnah und gehäuft negative Berichte auf, muss der Kunde davon unterrichtet werden.

Na, ist das nicht prima, denn lt. Gerichtsurteil:

Vor allem die Informationen in speziellen Brancheninformationsdiensten müssten die Banken nicht verfolgen. Laut BGH würde dies zu einer „uferlosen, kaum erfüllbaren Ausweitung der Pflichten von Anlageberatern“ führen (Az: XI ZR 89/07).

Das ist doch klasse. „Spezielle Brancheninformationsdienste“ – darunter verstehe ich diejenigen Dienste, die mich mit Insiderwissen füttern. Denen man Branchenwissen entnehmen kann, dass tiefer geht und fundierter ist, als es der allgemeinen Presse zu entnehmen ist.

Wenn sich dieses Urteil rumspricht, dürfte man seinen Investmentberater (den schlauen Kundendienstler der Beraterbank u.A.) künftig höchstens nach der Uhrzeit fragen. Anlagetipps nehme ich von dem nicht mehr an.

Selten war ein Politiker so deutlich – dumm

Als ich om SPON die Überschrift ‚Wulff spricht in Talkshow von „Pogromstimmung“ gegen Manager‘ las, fing mein Gehirn langsam an zu rattern. Meine Gedanken wanderten in Richtung „mag sein – aber wenn, dann selbst verschuldet“ oder „Das könnte zur Revolution gehören“.

Ich klickte den Artikel an, weil mich die Überschrift neugierig auf die Umstände der Aussage machte und ich las…

Zum ersten Mal in der gesamten Sendung stockt der Ministerpräsident, es folgt eine sekundenlange Pause. „Also, wenn diese Debatte nichts mit Neid zu tun hat…“, setzt er an. Dann fällt das Reizwort: „Ich finde, wenn jemand zehntausend Jobs sichert und Millionen an Steuern zahlt, gegen den darf man keine Pogromstimmung verbreiten“.

Zehntausende von Jobs sichern – liest Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff keine Zeitungen, ist er der am schlechtesten informierte Politiker Deutschlands? Nahezu jeden Tag liest man die Meldung, dass wieder irgendein Konzern Arbeitsplatze im vierstelligen Bereich abbauen will/muss. OK, wer 5000 Leiharbeiter entlässt (oder die gezielt einstellt!), macht so die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft sicherer, aber sind die Leiharbeitsplätze keine Jobs?

Wulff hat recht, es werden Arbeitsplätze geschaffen, aber nicht von den hochbezahlten Managern, sondern von den Kleinunternehmern und den mittelständischen Unternehmen. Deren Führungskräfte werden aber eher jovial „Cheffe“ gerufen und nicht Manager.

Was die Millionen an Steuergeldern angeht, welche von den Managern gezahlt werden, so muss ich an gestern denken. Ich entschied gestern das Thema Zumwinkel nicht wieder aufzuwärmen. Aber Herr Wulff lässt mir ja gar keine Wahl.

Gerade gestern überschlugen sich die Medien mit der Meldung, dass die Bochumer Staatsanwaltschaft den früheren Postchef Klaus Zumwinkel wegen Steuerhinterziehung anklagen will. Wobei anzumerken ist, dass Meister Zumwinkel nur einer von Hunderten ist, gegen die derzeit Klage erhoben oder geprüft wird. Und nein, es sind nicht die Geringverdiener, die versuchen ihren Einkommenssteuerbescheid zu manipulieren, denn für die lohnt sich das gar nicht. Es sind die Grossverdiener, die massiv Geld am Fiskus vorbei schleusen. Warum wohl legt sich der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück mit der Schweiz an? Steueroasen bringen nur Grossverdienern und Managern etwas.

Aber der Herr Wulff fand auch noch andere Fettnäpfchen mit Aussagen wir:

Wulff verteidigte mehrfach seine Position, dass Manager, die „unendlich viel investieren….

Was investiert ein Manager denn? Zeit, auch Gesundheit und Stress, ein leidendes Familienleben, aber welcher Manager hat denn eine Bürgschaft für sein Unternehmen am Arsch? Ja, das mit dem Stress etc. sehe ich ein. Habe es selber schon verspürt – die Verantwortung und einen Tagesablauf, der einen – wenn man sich denn am Wohnort aufhält – zu um 19:00 nach Hause fahren lässt, damit man bis 20:00 noch die Kinder sieht, um anschliessend bis nach 23:00 noch weiter zu arbeiten. Aber muss man dafür Millionenbeträge erhalten? So ein gehalt ist einfach unanständig, wenn man gleichzeitig tausende von Mitarbeitern – in die Arbeitslosigkeit! – entlässt.

Gerade kommt über die FTD die Meldung rein, dass die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft einen Gewinneinbruch von 99% zu verzeichnen hat. Aber die Aktionäre (Institutionelle Anleger = 93,1%) erhalten die normale Dividende.

Wie für das Vorjahr will die Münchener Rück auch für 2008 eine Dividende von 5,50 Euro je Aktie zahlen, um die Eigentümer bei der Stange zu halten.

Dividende – Dividende. War das nicht der Anteil am Betriebsergebnis (vulgo Gewinn), der an die Aktionäre ausgeschüttet wird? Wieso bitte wird den Aktionären das Geld in den Arsch geblasen, wenn die Firma keinen Gewinn macht? Bei solchen Informationen muss man doch kotzen. Oder liegt es am Ende daran, dass diejenigen, die über die Dividende entscheiden, selbst eine erkleckliche Menge an Aktien besitzen? Dann aber wären doch wieder einmal Manager nichts anderes als raffgierige Idioten, die verprügelt gehören. Oder irre ich an der Stelle Herr Wullf?

Das ist doch mal Größe

Wenn ich mir Wahlberichterstattung in Deutschland anschaue und den Reden und Aussagen der Wahlverlierer lausche, höre ich immer wieder getroffene Hunde bellen. Es werden die eigenen Fehler analysiert und es wird versucht – auch wenn schon alles entschieden ist – dem Widersacher noch eins auszuwischen.

Amerika ist da irgendwie anders – „höflicher“? Die Rede von Mccain, die im Spiegel zu finden ist, beeinhaltet andere Aussagen. Dieser Rede kann man Respekt und auch eine gewisse Ehrerbietung entnehmen. Ein sportliches Verhalten, dass im heutigen Sport nicht mehr zu finden ist.

Nach dieser langen und schwierigen Kampagne verdient allein schon sein Erfolg, sein Können und seine Ausdauer meinen Respekt. Dass er es aber darüber hinaus geschafft hat, die Hoffnungen so vieler Menschen zu inspirieren, die zuvor gedacht hatten, dass ihr Leben nicht durch eine Wahl beeinflusst würde und auch nicht dachten, dass sie selbst Einfluss auf den Ausgang einer Präsidentschaftswahl nehmen könnten, bewundere ich sehr.

und

Senator Obama hat etwas Großartiges erreicht – für sich persönlich und für dieses Land. Ich spende ihm meinen Beifall ………….

sind dort grosse Worte eines Mannes, der als Verlierer – in meinen Augen – mehr Stil beweist, als er im Wahlkampf wahrzunehmen war. Das einer der letzten Sätze der Mccain-Rede

Ich wünsche dem Mann, der einst mein Gegner war und bald mein Präsident sein wird, viel Glück auf seinem Weg.

ist, birgt eine besondere Aussage. Denn die letzten Sätze sind in jeder Rede diejenigen, die im Gedächnis bleiben. Dies weiss Mccain (resp. dessen Redenschreiber) auch. Insofern ist es bemerkenswert, dass auch hier nochmals Obama als „ehemaliger Gegner“ bezeichnet wird, was auch darauf hindeutet dass eine Zusammenarbeit möglich scheint. Welchem deutsche Wahlverlierer traut man Aussagen wie:

Ich rufe alle Amerikaner, die mich unterstützt haben, dazu auf, sich mir anzuschließen: nicht nur indem sie Obama gratulieren, sondern indem wir alle unserem neuen Präsidenten mit Wohlwollen entgegentreten und uns aufrichtig bemühen, Wege zu finden, um zusammenzukommen und die nötigen Kompromisse zu finden, um unsere Differenzen zu überbrücken,

zu? In Deutschland würde ein Politiker verhaftet werden, wenn er soetwas äussert.

Aber auch Obama sonnt sich nicht im (Wahl)Sieg gegen Mccain, sondern erklärt (Quelle Spiegel):

Heute am frühen Abend habe ich einen außergewöhnlich gütigen Anruf von Senator McCain erhalten. Er hat in diesem Wahlkampf lange und hart gekämpft. Und er hat noch viel länger und härter für dieses Land gekämpft. Er hat Qualen für Amerika ausgehalten, die sich die meisten von uns nicht vorstellen können. Wir sollten die Dienste würdigen, die dieser mutige und selbstlose Mann für uns geleistet hat.

Ich gratuliere ihm und ich gratuliere Governeurin Sarah Palin zu allem, was sie erreicht haben. Und ich freue mich darauf, mit den beiden in den nächsten Monaten daran zu arbeiten, das Versprechen dieser Nation zu erneuern.

Naja, ob man mit „Frau“ Palin wirklich zusammenarbeiten will, lassen wir mal einfach so im Raum stehen. Aber die Geste des sich gegenseitig – nach dem grossen Kampf – die Hand zu reichen ist wahrlich bemerkenswert.

Anmerkung: In den verlinkten Spiegelartikeln findet man auch die Reden im Original