Wünsche an die Politik
Vorab: Wir leben in einer Marktwirtschaft – das ist solange OK wie der Markt es erreicht allen Menschen gleiche Möglichkeiten und Sicherheiten zu bieten. Wenn der Markt diesbezüglich an seine Grenzen gerät ist es Pflicht der Politik an dieser Stelle auszubessern. Und ich glaube hier haben wir den Kernpunkt meiner vielfältigen Probleme schon ganz gut freigelegt. Also ab in die Details meiner Wünsche an die Politik:
Ich wünsche mir Politiker mit Verantwortungsbewusstsein
Was ist so schlimm daran, einen Fehler zu machen? Jeder Mensch macht mal einen Fehler. Die Kunst besteht darin einen gemachten Fehler zu erkennen, ihn zu kommunizieren (auch gern ihn zu bedauern) und den Fehler zu beseitigen respektive in Zukunft diesen nicht noch einmal zu machen. Der moderne Politiker (vor allem in Führungsposition) sieht Fehler als Makel im Lebenslauf an. Aber sind Fehler wirklich Makel? Ist es nicht vielmehr so, dass der Makel erst entsteht, wenn man auf Fehler nicht reagiert und nachregelt? Politiker sind keine Übermenschen – warum sollten sie sich selbst als solche versuchen darzustellen? Das ist massiv unglaubwürdig.
Ich wünsche mir von der Wirtschaft unabhängige Politiker
Wenn ich mir diverse politische Entscheidungen anschaue und diese bewerte, kann ich den Gedanken nicht verbannen, dass die Politik sich immer mehr zum Werkzeug der Wirtschaft macht. OK, Politiker haben auch eine Verantwortung gegenüber der Wirtschaft, aber diese Verantwortung erwächst vor allem aus der Verantwortung für den Bürger. Denn jeder Bürger braucht eine Lebensgrundlage, welche vor allem durch ein Einkommen gewährleistet wird. Wohlstand muss erwirtschaftet werden. Ob diese Erwirtschaftung allerdings durch jeden Einzelnen oder durch die „Volksgemeinschaft“ realisiert wird, ist vorrangig irrelevant – solange eine soziale Gerechtigkeit sichergestellt werden kann.
Was ich allerdings heutzutage immer häufiger beobachten muss ist, dass „die Wirtschaft“ über alle Maßen gefördert wird. Schauen wir doch einmal den Dieselskandal an. Wenn ich ein Produkt kaufe und dieses Produkt nicht die garantierten Eigenschaften aufweist, so habe ich als Verbraucher diverse Rechte: Nachbesserung durch den Verkäufer, Kompensation (Gutschrift) oder gar den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Warum wird den KFZ-Herstellern hier eine Sonderstellung eingeräumt? Weil diese neben dem Verbraucher auch das KFZ-Bundesamt betrogen haben? Dieses „To Big To Fail“ ist das Mantra der Aktionäre (Shareholder) welche um ihre Erträge bangen. Dieses ist nur ein – gerade präsentes – Beispiel. Die Liste könnte noch sehr viel länger werden.
Wie kann es passieren, dass Wirtschaftsunternehmen derart mit der Politik verflochten sind, dass teilweise Gesetzesvorlagen von Mitarbeitern deutscher Unternehmen geschrieben werden, die direkt von diesen Gesetzen betroffen sind?
Ich wünsche mir Politiker die eine soziale Marktwirtschaft unterstützen
Die Marktwirtschaft kommt in unserer Bundesrepublik sicherlich nicht zu kurz – aber was ist mit dem kleinen Prädikat „sozial„? Nehmen wir die Beitragsbemessungsgrenze der Sozialversicherungen: Ist es wirklich sozial zu nennen, wenn die Person, welche (Stand 2018) 4424€ verdient den gleichen Beitrag in die Krankenversicherung zahlt, wie die Person die ein 10- oder 100-faches Einkommen erzielt? Stets wird vom Pflegenotstand geredet, aber haben wir wirklich einen Pflegenotstand – oder sollten wir lieber von einem Finanzierungsnotstand sprechen? Mit mehr Kapital für Pflege könnte man den schwer arbeitenden Menschen im sozialen Bereich ein angemessenes Einkommen sichern. Wenn im Pflegebereich ein ansprechendes Einkommen gezahlt wird, entscheiden sich auch mehr Menschen für diesen Beruf.
Apropos „soziales“ Gesundheitswesen: Wer kam eigentlich auf die glorreiche Idee dass die Privatisierung von Krankenhäusern eine gute Idee sei? Wenn ein Pflegeunternehmen wie Asklepios das Hamburger Nobelhotel „Atlantik“ kauft, so muss die Frage erlaubt sein wie mit den Geldern der Versicherungskunden derartige Anschaffungen möglich sind. Ohne Asklepios hätte das Kapital für Gehälter, Modernisierung oder gar Senkung der Beiträge genutzt werden können. In der Hand privater Investoren fließt dieses Geld nun aus den Besitz der Allgemeinheit in die wenigen Hände der (wohlhabenden?) Investoren.
Zu dem Thema soziale Marktwirtschaft muss ich – der Vollständigkeit halber – auch noch einmal auf die Steuergerechtigkeit eingehen. Vor etwas mehr als 20 Jahren (bis 1997) gab es folgende Steuersätze: Höchststeuersatz 53% (bei einem Einkommen von < 120.042 DM) und Eingangssteuersatz 25,9% (Bei einem Einkommen von < 12.095 DM). Heute haben wir einen Höchststeuersatz von 42/45%. Das heißt, dass wirklich gut Verdienende heute 8% weniger Einkommenssteuer zahlen als noch vor 21 Jahren. Wo ist der Artikel 14.2 des Grundgesetzes geblieben „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“? Ist es nicht Aufgabe des Staates hier die stets wachsende Schere zwischen „arm und reich“ abzubauen?
Ich wünsche mir Politiker mit Visionen
Auch wenn Helmut Schmidt einmal pampig gesagt haben soll „Wer eine Visionen hat, soll zum Arzt gehen“, vermisse ich diese Visionen bei nahezu allen Politikern. Wichtige Visionen wären heute zum Beispiel:
- Wie kann sich die Wirtschaft umweltfreundlich/umweltneutral weiter entwickeln?
- Wie schaffen wir Alternativen zum motorbetriebenen Individualverkehr?
- Wie schaffen wir es auch in Zukunft die Erde bewohnbar zu halten?
- Wie schaffen wir es die Fluchtursachen zu bekämpfen?
- Wie schaffen wir einen Übergang von einer einkommensfixierten zu einer aufgabenorientierten Gesellschaft? Und wie finanzieren wir diese?
Ich wünsche mir von politischen Ämtern unabhängige Politiker
Wie ich sie gestern wieder gefeiert habe: Politiker, die von den Wählern eine Ohrfeige mit Anlauf erhalten haben und dennoch an ihrem Amt kleben wie Kletten. Die Frage muss erlaubt sein, ob ein politisches Amt einen Bürger zum Zivilversager macht. Wahrscheinlich ist es tatsächlich so, dass unsere Politiker mittlerweile nichts anderes mehr können als „Politik“. Aber genau hieraus wächst die Grundlage vieler Probleme: Politiker kennen das wahre Leben nicht mehr. Sie nehmen nicht mehr daran teil, sondern besuchen es nur mal kurz bei Wahlkampfveranstaltungen.
Ich wünsche mir Politiker mit Bodenhaftung
Was ich damit meine hat uns Herr Söder gestern Abend erklärt, als er sagte (sinngemäß): Man müsse nun analysieren was die Wähler eigentlich wünschen. Ja-nee, ist klar. Und was machte er die vergangenen Jahre? Wenn er wüsste was die Bürger wirklich wünschen, so hätte er sich nicht an dem Flüchtlingsbashing beteiligt. Das Thema Flüchtlinge wird vom Bürger bei weitem nicht so kritisch gesehen wie es unsere Politiker viel zu oft versuchen zu erklären. Kennt jemand von meinen Lesern noch Norbert Gansel? Das war ein Politiker aus Kiel – saß auch im Bundestag und hatte auch Parteiposten (Parteivorstand, Vorstand Bundestagsfraktion) inne. Er hatte Bodenhaftung! Ich zitiere mal Wikipedia:
Gansel hatte keine Nebenjobs und er nahm keine Spenden von Firmen oder Verbänden an und veröffentlichte seine Einkünfte und deren Herkunft auf seiner Homepage. Um den Kontakt zur beruflichen Realität nicht zu verlieren, machte er einmal im Jahr ein „Praktikum“ bei einer Werft, bei der Post oder im Bergwerk.
Dieser Mann ist mir im Gedächtnis geblieben, da er sich redlich bemühte Anschluss am Bürger zu behalten.
Open-End
Oben angesprochene Punkte erheben mit Sicherheit keinen Anspruch auf Vollzähligkeit – da gibt es noch viel mehr zu nennen. Aber ich wollte nur einen Blogbeitrag und kein Buch schreiben. Vielleicht habt ihr ja Anmerkungen welche in den Kommentaren gern gesehen sind.