Ich liebe Experten

Nee, echt. So richtige Experten, die sich vollumfanglich mit einem Thema auseinandersetzen und dann eine fundierte, unabhängige Meinung zu einem Thema abgeben.

Als ich eben durch den „Arbeitstag des Bundestages“ (Heute im Bundestag – HIB) blätterte, fand ich eine Meldung zum Thema „Zahl der Studienanfänger durch attraktive Hochschulen erhöhen“ Das hört sich doch gut an. Vor allem, wenn man die Einleitung liest:

Die zu geringe Zahl der Studienanfänger ist ein Kernproblem für den Wissenschaftsstandort Deutschland. Das sagte der Vorsitzende der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK), Jürgen Zöllner, am Mittwoch im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Die Zahl müsse dringend erhöht werden.

Wenn man sich mal schnell bei Wikipedia informiert, woher dieser Jürgen Zöllner (sorry, der Name sagte mir wirklich nichts) kommt, dann findet man folgendes:

Ab 1977 war Zöllner Professor für Physiologische Chemie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Von 1983 bis 1990 war er deren Vizepräsident und anschließend bis 1991 Präsident.

Also hat er 14 Jahre an der lehrenden Seite des Wirtschaftsbetriebes Universität gesessen. Naja, wollen wir doch mal schaun, was dieser Insider so für Tipps hat, wie man mehr junge Menschen dazu bringen kann zu studieren:

Dies könne etwa geschehen, wenn die Losung „Geld folgt Studierenden“ umgesetzt werde. „Es soll honoriert werden, wenn Hochschulen attraktiv für Studierende sind und diese sich deshalb für eine Hochschule entscheiden“, bekräftigte Zöllner. „Wenn Hochschulen wissen, dass sie Geld für neue Studierende bekommen, dann strengen sie sich auch an.“

Ahhja. Also mehr Geld für die Universitäten. Kann ja sein, dass unsere Unis grottenschlecht sind. Schaun wir doch mal, was der Herr Zöllner so über unsere Unis konkret zu sagen hat:

Beispielsweise gebe es in Greifswald „traumhafte Rahmenbedingungen“ für Medizinstudenten, sagte Zöllner. Die Angebote würden allerdings nicht ausreichend angenommen, und man könne niemanden zwingen, an einer bestimmten Hochschule zu studieren. „Aber man kann Anreize schaffen und die Hochschulen müssen für sich werben“, plädierte Zöllner.

Also soll – wenn die Uni greifswald z.B. schon „traumhafte Rahmenbedingungen“ besitzt – die Uni Greifswald mehr Marketing machen? Naja, das hört sich gut an. Aber was ist mit den Studiengebühren? Schon hier setzte ich mich mit dem Thema auseinander, als die Medien berichteten, dass sich 18.000 Jugendliche aufgrund der Studiengebühren dazu entschieden, eben NICHT zu studieren.

Naja, aber der Herr Zöllner ist bestimmt einer von den unabhängigen Experten, die ich Eingangs ansprach. Warum er aber im Jahre 2000 sagte:

Prof. Zöllner: Das ist nicht richtig. Ich halte die CDU-Forderung nach Studiengebühren nach wie vor für falsch, denn Studiengebühren sind unsozial, wettbewerbsverzerrend, vom Studium abschreckend und wissenschaftsfeindlich

aber dieses Argument vor dem Bundestag nicht erwähnt (oder kam es nur nicht ins Protokoll?), halte ich für bemerkenswert. Vielleicht ist es aber nur schlauer geworden…. Wer weiss dies schon?

Leert hier eure Taschen

„Der Bundestag berät heute über die geplante Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung“

berichtet die Tagesschau. Die Beiträge sollen um 0,5% gesenkt werden. Das hört sich für den Arbeitnehmer erstmal gut an: 0,5% weniger. Aber da die Beiträge zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und -nehmer getragen werden, sind es für Arbeitgeber und -nehmer nur jeweils 0,25% weniger Abzüge.

Was bedeuten diese Zahlen in der Praxis?

Gesetzt den Fall ein Unternehmen hat 10.000 Arbeitnehmer, welche ein Durchschnittseinkommen von €2500.- erzielen. Dann würde jeder Arbeitnehmer ganze €6,25 weniger Abgaben zahlen. Der Arbeitgeber hätte aber €62.500.- weniger Abgaben. Insgesamt wäre es ein Einnahmeausfall von €125.000.- welche im Topf der Arbeitlosengeldkasse fehlen. Wo kommt dieses Geld nun her? Das Unternehmen müsste in diesem Fall das Tausendfache der eingesparten €6,25/Mitarbeiter an anderer Stelle abführen, um einen Ausgleich zu schaffen – oder aber jeder Arbeitnehmer wird an anderer Stelle um €13,50 mehrbelastet. Aber das Geld muss irgendwo her kommen, zumal die Kosten für die Arbeitlosen NICHT sinken, sondern steigen.

Nun ratet mal, wer letztendlich von der Senkung monetär profitieren wird?

Anmerkung: Ich habe extra als Beispiel ein Unternehmen mit 10.000 Arbeitnehmern gewählt, da der Unterschied für Kleinunternehmer (Mittelstand) eher lächerlich ist. Für Arbeitgeber, der „nur“ 10 Personen beschäftigen, ist diese Änderung eher irrelavant.

Merkel und ihr Weltbild – Pipi Langstrumpf

Während die Welt einen Artikel mit der Schlagzeile „Merkel sieht Deutschland als Top-Krisenbekämpfer“ ausstattet, in dem unsere Bundeskanzlerin den Beweis antritt, dass sie restlos den Anschluß an die Realität verloren hat:

Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht Deutschland bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise in einer Vorreiterrolle in Europa. Merkel verwies im Bundestag auf das von ihrer Regierung auf den Weg gebrachte Konjunkturpaket, dass 50 Milliarden Euro Investitionen in den kommenden zwei Jahren generieren und eine Million Arbeitsplätze sichern soll. „Wir gehören damit zu den führenden Ländern Europas, was die Reaktion auf die Wirtschaftskrise angeht“

kann man im Spiegel unter der Schlagzeile „Die Deutschen gehen auf Sparkurs“ z.B. lesen:

47 Prozent der Befragten wollen größere Anschaffungen wie einen Autokauf verschieben. Jeder Dritte verzichtet häufiger auf den Gang ins Restaurant oder spart beim Urlaub. Grund für den Konsumstopp ist die unsichere wirtschaftliche Lage. 20 Prozent fürchten zudem um ihren Arbeitsplatz.

Ich denke es ist legitim, daraus abzuleiten, dass grosse Teile der Bevölkerung nicht so ganz dem Optimismus der Frau Merkel folgen können. Was diese nicht vorhandene Nachfrage bedeutet, beschreibt die FTD:

Die deutsche Vorzeigeindustrie gerät immer tiefer in den Abwärtssog. Für 2009 erwarten die Autobauer auf dem Heimatmarkt den schwächsten Absatz seit der Wiedervereinigung – was Zehntausende Jobs gefährdet.

Ich schätze mal, dass die Autobauer damit rechnen, dass Sie von den Steuerersparnissen was Hausangestellte etc angeht, nicht wirklich profitieren werden. Die FTD weiter:

Wissmann (Anm.: VDA-Präsident)  kritisierte zudem die Bereitschaft der Banken, Kredite an Autohersteller und -zulieferer zu vergeben. „Wer bei Sonnenschein Regenschirme anbietet, dann aber den Schirm zuklappt, sobald der Regen einsetzt, der muss wissen, dass er damit viele hoch qualifizierte Arbeitsplätze bei Zulieferern, aber letztlich auch bei Herstellern gefährdet.“

Wie, die Banken geben nur zurückhaltend Kredite? Der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hatte doch gerade gestern im Spiegel erklärt:

Josef Ackermann kann trotz Finanzkrise keine Kreditklemme erkennen: Seit Dezember 2007 habe sich das Kreditvolumen der privaten Banken in Deutschland um mehr als 13 Prozent ausgeweitet, sagte der Chef der Deutschen Bank im Bayerischen Rundfunk: „Das heißt, wir haben sehr viel Kredit gegeben.“ Die Nachfrage nach Krediten nehme ab, weil weniger investiert und expandiert werde. „Aber bis heute von einer Kreditklemme in Deutschland zu sprechen, ist absolut falsch und führt auch zu einer ganz gefährlichen Diskussion.“

Hmm, einer lügt – aber wer? Würde der Ackermann lügen? Also wird es der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) sein. Aber warum sollte der dies tun?

Schaun wir doch mal eben einen anderen FTD-Artikel an:

Ausgetrocknete Kapitalmärkte und die globale Rezession verschärfen die Kapitalnot der Unternehmen. Viele können ihre Schulden nicht bedienen und verhandeln verzweifelt mit ihren Gläubigern – vor allem Firmen im Besitz von Finanzinvestoren sind bedroht.

Was sind nochmal Finanzinvestoren? Da sind doch bestimmt auch ein paar Banken mit gemeint, oder herr Ackermann? Kann ja aber nicht sein, wenn man dem Chef der Deutschen Bank glaubt. DER muss es doch wissen und ist sicherlich TOTAL ehrlich!

Aber zurück zu Frau Merkel und dem Vertrauen der Bürger. Unsere Bundeskanzlerin glaubt ja auch noch (wer in der CSU ist darf glaube, er muss nicht wissen), dass alles wieder gut wird. Aber wie sieht es der Wähler?

Die Erwartungen der Verbraucher für 2009 sind düster: 61 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich die Wirtschaftslage in Deutschland verschlechtere. Angesichts der Rezession erwartet jeder Dritte, dass sich auch die eigene wirtschaftliche und finanzielle Situation verschlechtert. Nur noch 48 Prozent halten ihren Arbeitsplatz für „sehr sicher“.

schreibt die FTD dazu.Wer so viel Vertrauen in die Wirtschaft – und damit in die Regulierungsfähigkeiten der deutschen Regierungen hat, der ist mit der Politik der Kanzlerin bestimmt zufrieden. Oder?

Der FTD-Artikel sagt auch weiter:

Fast jeder dritte Arbeitnehmer mit einem Einkommen von unter 25.000 Euro sieht seinen Arbeitsplatz gefährdet – von den Personen, die mehr als 50.000 Euro pro Jahr verdienen, sorgt sich nur jeder 13. um die Sicherheit seines Arbeitsplatzes.

Und DAS finde ich auch äusserst interessant: Diejenige, die „gutes“ Geld verdienen sitzen auf sicheren Posten, inklusive 5Punkt-Gurt, wohingegen diejenigen, die eh schon wenig verdienen eher den Schleudersitz gebucht haben.

Wo ist meine Heugabel?