Piratenpartei heute – ein Analyseversuch

Folgenden Text postete ich gestern auf einer Mailingliste und erhielt durchweg positives Feedback. Aus diesem Grunde habe ich entschlossen ihn auch auf dem Blog einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen – voila:

Interessenten in eine Struktur einbinden ist so mit das schwierigste, was die einzelnen Gliederungen als Aufgabe haben. Um dies zu realisieren gilt es ein paar Punkte im Fokus zu halten:

1) Ziele definieren
2) Ziele kommunizieren
3) Mitstreiter gewinnen
4) Aufpassen, dass es ein gemeinsames Anpacken und kein Tauziehen wird.

Meine Analyse zu der Piratenpartei (PP). Keineswegs auf Harburg gemünzt, sondern allumfassend und total subjektiv:

Zu 1) Es sind viel zu viele Ziele definiert, von zu vielen Befindlichkeitsträgern. Die Organisation hat sich völlig verfranzt und ist eher im Onanieren (mit sich selbst beschäftigen) gebunden, als dass ein in sich rundes Programm sichtbar wäre. ICH würde mich keineswegs in der heutigen Zeit mit einem Journalisten zusammensetzen wollen und ihm die Ziele der PP erklären. Es scheint mir unmöglich zu sein. Zu viele (teils gegensätzliche) Forderungen wurden definiert.

Zu 2) Herrgott nochmal, wer ist denn für die Kommunikation nach außen verantwortlich? Ziele und Ideale der PP müssen(!!!!!) so kommuniziert werden, dass auch unsere Eltern diese verstehen. Mit Nerd-Witzchen gewinnt man keine Wähler außerhalb der eigenen Filterbubble. Sicher stehen komplexe Themen an, aber wer diese nicht kommunizieren kann, hat schlicht verloren. Wo sind die einfachen „Nachdenker“: „Wenn Sie nichts zu verbergen haben, warum haben Sie dann Gardinen vor den Fenstern?“. Auf dem Level sollte man – meiner Meinung nach – kommunizieren. Mit TTIP, NSA, PRISM etc.pp. können Millionen Menschen so rein gar nichts anfangen. Selbst bei Transparenz denkt der normale Bürger an Cellophanpapier, aber nicht an öffentliche Verwaltung 🙂 Und natürlich muss man auch „raus auf die Strasse“, dazu mehr unter 3)

zu 3) Oha, das ist auch ein knackiges Stück Problem. Irgendwer formulierte mal: „die Menschen abholen“ und ich denke, genau das ist es. Wenn 1) und 2) vernünftig umgesetzt sind, kann man auf die Leute zugehen und ihnen die Sinnhaftigkeit der Anliegens erklären. Aber dafür muss ein Fundament geschaffen werden, welches ich derzeit bei der PP nicht wirklich sehe. Es gab eine Zeit, in der war es einfach Leute hinterm Ofen hervor zu holen (hihi, ich weiß wovon ich spreche …) und sie zum Mitmachen zu bewegen. „Die gute alte Zeit“[TM]. Es hat aber nichts mit gestern oder vor 3 Jahren zu tun, sondern damit, was man anzubieten hat, ob man Interesse wecken KANN. Da tut sich die PP derzeit schwer und wird eher von (jetzt werde ich mal so richtig böse, ihr kennt mich und erwartet es förmlich) schwer erziehbaren Kindern und Egomanen unterwandert, als dass sie an der Sache interessierte Menschen zur Verfügung hat, die sich mit Herz und Hand um die Anliegen der Menschen in der Partei kümmern. Hier besteht eine direkte Abhängigkeit zu 1).

zu 4) Hahahaha, Linke Faschos und Busenstars. Sorry, was soll ich dazu sagen? Hier scheint die PP durch die total offenen Strukturen sich selbst die Karten gelegt zu haben. Swanhild erinnert sich vielleicht noch an das Treffen der 3.ten Art mit dem Blauen Weihnachtsmann. Dieser wollte seine Ziele (Väterrechte) priorisiert wissen. Nils und ich (vor allem Nils) haben ihn dermaßen auflaufen lassen, dass er uns fortan mit seinen (wirklich krude vorgetragenen) Ideen in Ruhe ließ. Manchmal sollte man die Möglichkeit haben zu sagen „Alterchen, Du passt nicht zu uns und unseren definierten Zielen, wir wollen dich nicht“. Diese Zeiten sind ebenfalls – und zwar völlig ohne Not – vorbei. Die völlige Offenheit und der Wunsch sich um jedes Problem auf der Welt kümmern zu wollen, hat – in meinen Augen – für große Probleme gesorgt.

Lawblogger goes Bundestag? Wie Andere und ich es sehen

Dass Udo Vetter Mitglied der Piraten ist, war mir schon länger bekannt, dass er nun derartige Aktivitäten an den Tag legt überrascht mich dann doch. Vor allem möchte ich in diesem Artikel auf den ersten Reaktionen auf  folgenden Artikel, der heute in Spiegel erschien, eingehen und meine Meinung dazu äussern:

Er ist erfolgreicher Anwalt, Bürgerrechtler und beliebter Blogger: Jetzt will der Düsseldorfer Rechtsanwalt Udo Vetter für die Piraten in den Bundestag einziehen.

Und sofort kommen – neben den positiven Stimmen – drei akute Kritikpunkte:

  1. Udo Vetter ist erst dieses Jahr bei den Piraten eingetreten und will schon hoch hinaus
  2. Udo Vetter verteidigt mutmassliche Neonazis
  3. Udo Vetter wäre ein Gesicht – wir wollen Themen statt Gesichter

Und ich habe 3x eine gegenteilige  Meinung, welche ich gern begründen möchte.

Sicher ist Udo Vetter erst Anfang dieses Jahres in die Partei eingetreten. Aber ist es nicht das Besondere an den Piraten, dass JEDER und SOFORT wirksam werden kann? Warum sollte ein fähiger Mensch sich erst durch langjährige Grabenkämpfe hocharbeiten, wenn er es schafft das VERTRAUEN derjenigen Personen zu erhalten, um die es geht? Wo es endet, wenn man sich erst durch die Instanzen kämpfen muss, aber andererseits auch von den Instanzen oben gehalten werden kann, sieht man dieser Tage bei den Grünen, wo Claudia Roth völlig überraschend abgewatscht wurde, nachdem Posten nicht mehr innerhalb eines kleinen Zirkels ausgeteilt werden und wo innerhalb der Zirkel ein deutliches Hauen und Stechen auf dem Weg zur Wirksamkeit besteht?

Eben DASS Udo Vetter mutmassliche Neonazis verteidigt zeigt mir, dass Udo bereit ist sich auch für die Rechte derjenigen einzusetzen, deren Weltbild er eben nicht teilt. Gern vergisst „der Deutsche“[TM], dass auch Menschen die äußerst verurteilenswerte Dinge getan haben (oder auch nur ihrer verdächtigt werden), Rechte haben. Wie kann ein Mensch, der der Grundidee  der Piraten positiv gegenüber steht, es verurteilen wenn jemand die Grundrechte von Menschen (selbst wenn sie sich schuldhaft in die betreffende Lage versetzt haben) schützt? Es wir wohl niemand dem Udo Vetter unterstellen wollen, er wäre auf dem rechten Auge blind, oder gar ein Freund der rechten Szene. Würde er sonst großartige Vorträge wie folgenden auf der SIGINT 2012 des Chaos Computer Clubs halten? Für ein doch eher linkes-alternative Publikum?

httpv://www.youtube.com/watch?v=WqQVHx0a1Qo&feature=related

Anmerkung: Ich habe das Video getauscht, da der Vortrag auf dem  23. Chaos Communication Congress technisch (Bild und Ton) besser ist. Der oben angesprochene Vortrag ist hier zu finden.

Last but not least das Thema „Themen statt Köpfe“. Ist ja alles schön und gut, wenn die Piraten intern die Köpfe nicht so wichtig nehmen und statt dessen Themen in den Vordergrund stellen. Aber wer soll denn bitte diese Themen vertreten? Jede Gruppierung braucht Menschen, die nach vorn treten, wenn die Themen auch kommuniziert werden sollen und vor allem, wenn man glaubhaft machen möchte, dass den Ankündigungen(!) von Themen auch Umsetzungen folgen. Vielleicht hat der Eine oder Andere meiner Leser schon einmal den Satz gehört „Geschäfte werden immer noch zwischen Menschen gemacht“. Wer im Vertrieb beschäftigt ist, weiss wie wertvoll eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Kunde und Dienstleister/Lieferant ist. Man verlässt sich auf Zusagen – aber nicht weil die XY GmbH diese getroffen hat, sondern weil man dem Menschen vertraut, der einem eine Zusage macht. Der Mensch schließt Verträge, wo das Vertrauen seine Grenzen findet. Und genau DAS ist es, was die Piratenpartei – neben den Themen – auch ganz dringend braucht: Menschen, die Themen transportieren und denen man vertrauen kann. Was nutzt es mir, wenn jemand das Parteiprogramm auswendig und jegliche Abstimmungsergebnisse des Liquid Feedback runterleiern kann? Wer sagt mir, wie dieser Mensch – wenn er dann tatsächlich gewählt sein sollte – dann zu Fragen steht, für die es keine Parteimeinung gibt? DANN wird es nämlich knifflig, das ist die Stelle bei der es auf den Menschen ankommt. Dann ist nicht nur der Kopf (Hirn, Intelligenz) gefragt, sondern auch die Moral.

So, und mit ein paar Worten zum Thema Moral will ich diesen Artikel dann auch schließen: In meinen Augen braucht es keine Piratenpartei mit einem tollen 1256523 Punkte umfassenden Programm, sondern schlicht Menschen denen ich vertraue. Deren Wertesystem möglichst identisch ist mit dem meinen. Über die Themen die uns wichtig sind definieren wir Menschen mit denen wir konform gehen. Am Ende sind die Themen nur das Band, dass von Mensch zu Mensch führt.

Piraten und Dart vs. Skat

Was Piraten mit Dart- und Skatspielern gemeinsam haben: Eine Antwort auf den Artikel Neupiraten. Denn ich glaube es geht nicht um neue und alte Piraten, sondern um Skat und Dart.

Ich stelle mir gerade ein paar Dartspieler vor, die sich jeden Sonntag in einer Kneipe zum Dartspielen (nach den 501-Regeln) treffen. Diese Leute sind recht kuschelig, die Stimmung ist gut und diese ausgelassene Stimmung wird auch von den anderen, in der Kneipe anwesenden, Gästen wahrgenommen.

Nun passiert es, dass diese Dartrunde einer gewissen Fluktuation unterworfen ist. Ein paar wenige Darter nehmen – aus welchen Gründen auch immer -den Sonntagstermin nicht mehr wahr, dafür interessieren sich immer mehr Menschen aus dem Umfeld für das Dartspielen. Sie stossen zu unseren Dartgruppe „Bullseye“, es wird gemeinsam Bier getrunken und es ist weiterhin ein toller Spass.

Nach einer Weile findet sich innerhalb der Gruppe eine kleine Anzahl von Menschen, die auch gern einmal nach den Fuchjagd-Regeln darten wollen. Da die Mehrzahl der 501er bei 501 bleiben wollen, entscheiden sich die Fuchsjäger sich unabhängig von dem Sonntagstreff am Mittwoch zu treffen eben nach Fuchsjagd zu darten. Diese Gruppe bleibt mit den 501er eng verbunden, man trifft sich auch gemeinsam und alle haben das darten als gemeinsames Hobby.

Was würde wohl passieren, wenn sich ein passierte Skatspieler eines Sonntags hinstellen und fordern würde „Heute wird hier Skat gespielt“? Würden unsere Darter die Dartpfeile zur Seite legen und das Skatblatt zur Hand nehmen? Wenn diese Person lange genug dabei ist und noch ein netter Kerl dazu, kann es tatsächlich sein, dass er die Truppe überreden kann und mal einen Abend tatsächlich Skat gespielt wird.

Was aber passiert, wenn der Skatspieler sich jeden Sonntag hinstellt und möchte, dass alle Darter mit ihm Skatspielen? Die ersten ein-zwei Male würde er nett darauf hingewiesen werden, dass er sich in einer Dart-Runde befindet und entweder Dart mitspielt oder aber sich bitte ein Getränk holen und als Zuschauer Platz nehmen möchte. Würde unser Skatspieler aber des öfteren auftauchen, und stets seine Forderung nach „Skat“ wiederholen, im Laufe der Zeit auch eine gewisse Impertinenz entwickeln, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass unsere sehr freundlichen Darter irgendwann genervt sind und etwas „deutlichere Worte“ fallen. Sollte unser Skatbruder weiterhin die Dartrunde durch seine impertinenten Forderungen stören, würde ich für nichts garantieren wollen.

Unser Skatbruder hat alles Recht der Welt seines Hobbys Skat zu frönen – aber doch bitte nicht in einer Dart-Runde!