Notwehr bezeichnet laut §227 BGB und §32 StGB folgende Handlung:
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Im Moment der Entscheidung „liegt eine Notwehr vor oder nicht“, dem potentiell Handelnden also eine Stressituation zugesprochen werden darf, ist die Gesetzeslage sogar ausgesprochen „wohlwollend“. Der §33 StGB definiert:
Überschreitung der Notwehr
Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.
Nach dieser Einleitung möchte ich zum eigentlichen Punkt dieses Postings kommen: Der „Tötung“ eines Menschen durch eine Polizistin. Diese hatte, nachdem ein Kollege von ihr mit einem Messer angegriffen wurde, zur Waffe gegriffen und auf die Person geschossen, die ihren Kollegen bereits mit einem Messer verletzt hatte.
Bis zu diesem Punkt ist – in meinen Augen – alles rechtmässig und völlig legitim, aber:
Daraufhin habe die Polizistin ihre Waffe gezogen und ein Mal geschossen, um den Angriff abzuwehren. Die Frau wurde in den Oberkörper getroffen und brach zusammen. Die genaue Todesursache steht noch nicht fest; eine Obduktion soll Klarheit bringen. Die Polizistin habe ersten Ermittlungen zufolge aus Notwehr gehandelt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Das LKA ermittelt weiter.
Quelle: Badische Zeitung. Und genau hier möchte ich ansetzen, denn es gibt nun genau zwei Möglichkeiten:
- Die Beamtin hat in zu Recht in Notwehr gehandelt, obschon auch eine andere Handlung (z.B. Schuss in Schulter, Arm oder Oberschenkel, oder andere Überwältigung) die Täterin von weiteren Handlungen hätte abhalten können. In dem Fall würde §33 StGB zur Anwendung kommen, da sie aus „Verwirrung, Furcht oder Schrecken“ in den Oberkörper und nicht auf andere Körperteile schoss. Ausserdem hatte Sie keine andere Hilfsmittel (Pfefferspray oder Schlagstock) zur Verfügung, mit deren Hilfe sie den Angriff auf ihren Kollegen hätte abwenden können.
- Die Beamtin ist gut ausgebildet, wurde im Rahmen der Aus- und steten Weiterbildung auf diese Art von Situationen vorbereitet und/oder hätte andere Hilfsmittel anwenden können um den Angriff abzuwehren. Dann hätte sie überreagiert. Damit würde die Anwendung des Notwehrparagraphen nicht in Frage kommen und ihre Handlung würde (wenn ich mich nicht irre) den Straftatbestand „schwere Körperverletzung mit Todesfolge“ erfüllen.
Ich möchte an dieser Stelle eine etwaige Schuld gar nicht in Richtung der Polizistin suchen, sondern vielmehr hinterfragen, ob deutsche Polizisten ausreichend für ihre Aufgaben ausgebildet und ausgerüstet sind. Manchmal – nicht nur in diesem Fall, sondern auch im Bereich (De)Eskalation durch Beamte der Bereitschaftshundertschaften – habe ich das gefühl, dass wir (der Staat) auch in diesem Bereich schlicht am falschen Ende sparen. Denn dieser Fall hinterlässt nicht nur einen toten Menschen, sondern wahrscheinlich auch eine traumatisierte Polizistin. All dies hätte vermieden werden können und müssen, wenn die Beamten besser ausgebildet wäre, um in Stressituationen schlicht „cooler“ zu reagieren.
Die Frage warum es zu dieser Eskalation überhaupt kam, passt auch in den Bereich „der Staat spart“:
Bei dem Streit ging es ersten Erkenntnissen nach darum, dass die Frau (Anm.: die später Getötete) bestimmte Zahlungen nicht bekommen sollte.
Auch hier muss die Frage erlaubt sein, ob ein Staat der zuviel spart, die gesamte Situation zu verantworten hat.
Aber es geht uns ja gut, die Managergehälter sind wieder auf Rekordniveau und wer redet da schon vom sparen? Antwort: Diejenigen, die darunter zu leiden haben, dass das Geld nur „Oben“ angesammelt wird.
Mich machen solche Meldungen nur noch wütend und traurig.
Bitte noch mal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Mensch bekommt von einer Behörde, von der bekannt ist, daß sie intern „Geizwettbewerbe“ veranstaltet, pardon: „hohen Wert auf verantwortlichen Umgang mit Geldmitteln legt“, offenbar nicht genug, um seinen Lebensunterhalt und womöglich den seiner Verwandten/Kinder würdig zu bestreiten, ist verzweifelt und reagiert, weil womöglich nervlich am Ende, mit einem Wutausbruch, der sich – natürlich, gegen wen denn sonst! – die Vertreter des Staates richtet, der ihn in diese Lage bringt und wird dafür erschossen.
Scheiß auf die Frage ob Notwehr oder nicht: Was bitte ist das für ein Land, in dem es überhaupt zu einer solchen Situation kommt? Ist das unser schönes, demokratisches, sozialmarktwirtschaftliches Deutschland? Das Weltvorbild für Demokratie und Balance zwischen den Ideologien? Ist das das Land, das man uns in der Schule großmütig als vermutlich besten Platz auf der Welt gepriesen hat?
Ist das verdammte Scheiße noch mal wirklich ein Land, in dem wir leben möchten?
Die Frankfurter Rundschau hat das noch etwas genauer:
Quelle: http://www.fr-online.de/frankfurt/schiesserei-im-jobcenter/-/1472798/8466348/-/index.html
Da die Überweisung mit Sicherheit bis zu einer Woche gedauert hätte, hätte sie der Frau genau gar nicht geholfen, wenn sie sofort Lebensmittel brauchte. Und natürlich können die Repressionsämter auch Barschecks, Bargeld oder im Notfall Lebensmittelgutscheine ausstellen. Wenn sie denn wollen.
Gruß, Frosch
@Sabine Engelhardt:
Natürlich können die auch Bargeld auszahlen. Als ich in Harz-IV fiel, brauchten die 3 Monate um mir Geld zu überweisen. Als meine Rücklagen dann aufgebraucht wurden und meine Miete nicht mehr von mein Konto hätte abgebucht werden können, war ich auch vor Ort. Erst sollte ich abgewimmelt werden. Aber dann bekam ich eine Plastikkarte und konnte mir aus einem speziellen Geldautomaten sogar fast den kompletten ausstehenden Betrag in Bar auszahlen lassen.
Ich habe wahrscheinlich den Vorteil, dass ich wie ein „Kaufmann“ gekleidet war (IMMER, wenn ich mit der Arge zu tun hatte, schmiss ich mich in Schale) und ich eben Deutscher und kein Ausländer bin. Ich fürchte auch und gerade bei dieser Art vom Behörde sind unsere zugezogenen Nachbarn mit deutlich schwächeren Rechten ausgestattet.
http://www.tennessee-eisenberg.de/
Kam mir irgendwie gleich in Erinnerung… Oder wird nie aus meiner Erinnerung gelöscht.
Bin selber H4ler man sollte aber jetzt nicht die beiden Punkte Bedürftigkeit und Notwehr vermischen. Oder war einer vor Ort? Aber ich frage mich schon warum man es nicht mit Pfefferspray probiert hat? Das wie oben erwähnt die Polizistin kein Pfefferspray getragen hat aber dafür eine Schusswaffe kann ich nicht glauben wenn mittlerweile schon Rettungskräfte dieses Ding tragen: http://www.pfefferspray-versand.de/news/allgemein/pfefferspray-fur-rettungskrafte-266.html
Die Polizistin ist gut ausgebildet.
1.Um in so einer Stresssituation ( drohender Tod durch einen Messerangriff) relativ cool reagierenzu können muß man das natürliche Flucht- oder Schockverhalten abtrainieren.
Die geht nicht in öder Theorie sondern muß jahrelang trainiert werden.
2.Um in so einer Stresssituation den Gedanken zu fassen: „Ich nehme jetzt meine Pistole, ziehe sie (nachdem ich eine oder mehrere Sicherungen an meinem Holster betätigt habe), richte sie auf die Angreiferin (nicht auf meinen Kollegen) und schieße EINMAL. Nicht 2,3,5 oder zehn mal sondern ich erkenne die Wirkung und lasse nach dem ersten Schuß ab.
Auch dies lernt man nicht innerhalb eines Tages sondern muß lange trainiert werden.
3. Wieviel Geld ist ein Mensch wert?
Ab wieviel tausend Euro darf ich ein Messer nehmen und auf einen anderen Menschen einstechen. In vielleicht Versuchen zu töten. Und das obwohl dieser Mensch rein gar nicht an meiner Situation schuld ist.
Die getötete Frau hatte sicher Streß wegen Geld, Nahrung oder Arbeit, aber selbst wenn ich am Existenzabgrund stehe darf ich keine anderen/unbeteiligten gefährden, angreifen oder gar töten.
Meiner Meinung nach (unqualifiziert und sehr subjektiv) hat die Polizistin richtig gehandelt. Notwehr/ Nothilfe – (un-)gerechtfertigt……das sollen die Profis beurteilen