Rottenneighbor und Google – oder: Ich spiele mal Sherlock Holmes

Ich habe mich die letzten Tage fast ausschliesslich mit dem Thema „Sperrung von Rottenneighbor.com“ auseinander gesetzt – schön, wenn man Urlaub hat und eine Frau, die dieses Interesse/Hobby unterstützt.

Anfangs galt es für mich herauszufinden, wer sperrt und wie (technisch) gesperrt wird. Das wer war ziemlich schnell eingekreist: rottenneighbor.com selbst, oder deren Hoster Rackspace.com. Das wie war auch – anhand der Besonderheiten der partiellen Nichterreichbarkeit – schnell eingekreist: Dynamische IP-Adressen der grossen deutschen Provider traf es, wahrscheinlich Filterung aufgrund von Anti-Spam-Regeln, aus denen man die dynamischen IP-Adressen der deutschen Provider extrahierte. Keine grosse Sache, wenn auch im Ansatz dilletantisch.

Die riesengrosse Frage die übrig blieb war das WARUM. Wer oder was motiviert Rottenneighbor oder Rackspace den „Dienst“ für eine definierte Menge an Usern unverfügbar zu machen.

Ich habe mir lange das Hirn zerbrochen und versucht aus unterschiedlichsten Quellen verwertbare und sachdienliche  Informationen zu erhalten. Das Netz ist voll von Spekulanten und die „Gut, dass die unerreichbar sind“-Fraktion erfüllt das Netz mit weiterem Rauschen. Aber wo sind die FAKTEN

1) Eine bundesdeutsche Behörde oder Organisation hat eher keine so massive, direkte Eingriffsmöglichkeit. Selbst WENN eine der deutschen Gruppierungen an der Stelle Druck ausgeübt hätte, wäre es ein leichtes für Rottenneighbor oder Rackspace.com, dieses öffentlich zu machen um auf den „Eingriff“ hinzuweisen. Wer lässt sich schon gern einen Prozentsatz „x“ an Kunden aussperren?

2) Norbert Schneider (Direktor der Landesanstalt für Medien) wandte sich an die deutsche Google-Niederlassung (Google stellt das Kartenmaterial zur Verfügung, dass Rottenneighbor nutzt) und wird im Focus zitiert: 

 „Google sollte sich nicht daran beteiligen, dass nun ein digitaler Pranger wieder eingeführt wird.“  

Weiter ist dem Focus zu entnehmen:

Google kündigte allerdings an, Rotten Neighbor „darum zu bitten, Beschwerden aus Deutschland ernst zu nehmen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um rechtswidrige Einträge zu verhindern oder zu entfernen“. Google-Sprecher Stefan Keuchel bestätigte gegenüber FOCUS, dass sein Unternehmen inzwischen mit Rotten Neighbor gesprochen habe.

Auch ich habe – parallel – Kontakt zu Google aufgenommen und erfahren:

hinweis an den us-amerikanischen webseiten-betreiber erfolgt durch uns, darüber hinausgehendes liegt nicht in unserem einflussbereich

Ausserdem wurde mir nahegelegt – nachdem ich in einer vorigen Mail bereits erklärte, dass man von Rottenneighbor oder Rackspace.com keine Antworten auf Mails erhält:

am besten denke ich wäre es, wenn sie sich dazu ansonsten einmal direkt mit dem entsprechenden provider in kontakt setzen

 

An genau der Stelle dreht sich der Affe im Kreis: Von Rottenneighbor und Rackspace.com erfährt man nichts und Google gibt nur zu Einfluss genomen zu haben. Wie weit, entzieht sich unser aller Kenntniss.

Wie viel „Macht“ hat nun ein Unternehmen wie Google auf Rottenneighbor und Rackspace.com? Rottenneighbor verdient sein Geld aufgrund eines Dienstes, dem das Kartenmaterial von Google zugrunde liegt. Ohne Zugriff auf die Googledaten, kann Rottenneighbor den Laden dicht machen – zumindest solange, bis eine Alternative gefunden wird, die sehr teuer und arbeitsaufwendig ist. Google hat also massiven Einfluss auf Rottenneighbor: Wenn Google in Richtung Rottenneighbor hustet, rennt Rottenneighbor zum Notarzt. 

Warum aber bekommt man nun von Rottenneighbor – oder Rackspace.com – keinerlei Informationen? Ein technisches Problem wäre lange im Blog oder dem Forum von Rottenneighbor erwähnt worden. Dort steht aber NICHTS! Kein Hinweis, kein Kommentar.  

Das für mich – im Moment – einzige Erklärungskonstrukt ist wie folgt:

  1. Die Landesanstalt für Medien NRW wendet sich an Google Deutschland: Macht was, so geht das nicht weiter.
  2. Google-Deutschland will keineswegs in Deutschland politisch in Erscheinung treten und ruft beim Mutterhaus in den USA an und bittet um Amtshilfe. (Wir haben hier Ärger mit Behörden)
  3. Google-USA ruft bei Rottenneighbor.com an und erklärt:“Hey, macht was, wir haben Ärger mit den deutschen Behörden. Ihr müsst euren Dienst für Deutschland einschränken“
  4. (HIER kommt der Angstfaktor von Rottenneighbor.com ins Spiel) Voreilig wird eines von mehreren suboptimalen Szenarien zum Blockieren des Zugriffs aufgesetzt. Wenn Google droht, steht der eigene wirtschaftliche Erfolg auf der Kippe

An dieser Stelle erscheint nun der Blogger: Die Community stellt fest und recherchiert. Es wird nicht lapidar festgestellt „Ohh, Rottenneighbor.com ist wohl down“, sondern es wird herausgefunden, dass eine Filterung wirksam ist. Wahrscheinlich haben alle Beteiligten gehofft, dass niemand merkt, was da im Hintergrund los ist. 

Aber warum sagt nun keiner: OK, wir wurden aufgefordert zu filtern? 

Tja, das mag auch an Olympia liegt. Der Begriff „Zensur“ ist ganz übel und eine Schlagzeile (auch) in amerikanischen Zeitschriften „Google bedrängt Webseitenbetreiber – aufgrund deutscher Intervention – Inhalte zu zensieren “ ganz beschissen für den Google-Aktienkurs. Also wird Google – WENN Google dahintersteckt – Rottenneighbor GANZ sicher erklärt haben: „Wenn auch nur EIN Wort von der Aktion rauskommt, drehen wir auch die Maps ab“. Rottenneighbor KANN nichts sagen und Google WIRD nichts sagen.

Aber irgendwann, werden wir auch dieses Geheimnis lüften. Zuviele Menschen wissen jetzt schon Bescheid. Denn WENN Google dahintersteckt sind sie nun auch durch Rottenneighbor erpressbar:“Wenn ihr uns die Maps abdreht, plaudern wir“

Alles nur Spekulationen – sollten sich neue Faktenlagen ergeben, werde ich weiterhin am Ball bleiben.

Aber wie sagte Sherlock Holmes:

„Wenn Du das Unmögliche ausgeschlossen hast, dann ist das, was übrig bleibt, die Wahrheit, wie unwahrscheinlich sie auch ist.“

Nachtrag: 04.09.2008 13:30 Eine weitere SEHR vertrauenswürdige (hier aber mit Absicht nicht genannte) Quelle aus dem Hause Google teilt mir gerade mit:

Allerdings hat Google mit rottenneighbor gesprochen und sie gebeten die Beschwerden ernst zu nehmen. 

Hervorrhebung von mir. Was mag dieses „ernst nehmen“ wohl für jemanden bedeuten, der so abängig von der Nutzung der Google-Maps ist, wie Rottenneighbor.com? Das interpretiere bitte jeder für sich.

Informationssperre?

Ich habe eben versucht telefonisch weitere Informationen zu den technischen Problemen bezüglich der Erreichbarkeit von rottenneighbor.com aus weiten Teilen der deutschen IP-Adressrange zu erhalten.

Meine bislang an rottenneighbor.com und den Hoster rackspace.com gesandten Mails blieben – bis zu diesem Zeitpunkt – unbeantwortet. Also: Telefon!

Ich sprach mit Melissa McConnell, welche unter der Rufnummer „001 210 447 4000“ ans Telefon ging.Ich versuchte von Melissa zu erfahren, was mit rottenneighbor loswäre, ob Sie etwas wüsste, oder mich bitte zu jemandem durchstellen könne, der zu diesem „technischen Problem“ etwas sagen kann.

Die einzige Aussage, die ich bekam war, dass Rackspace keinerlei Auskünfte über ihre Kunden gibt. Auch ein weiterverbinden in das NOC, einen Techi oder einen anderweitig „Informierten“ wurde mir verwehrt, solange ich kein Kunde mit  Kundennummer etc. bin. Alle Stilmittel des „social Engineering“ verliefen im Sande 🙁

Auf meine Frage, ob ich den Inhalt des Gesprächs veröffentlichen dürfe, wurde dies ausdrücklich erlaubt.

Also bleibt „uns“ nichts weiter übrig als auf eine Information des Betreibers von rottenneighbor.com zu hoffen. Ich habe diverse Mailantworten ausstehend – warten auf Godot?

 

Schlussfolgerungen findet man hier