AFD – die gerechte Strafe für die CxU? Das Hamburger Wahlprogramm

Nachdem sich das Mitte/Links Spektrum seit 1978 (Gründung der Bunten Liste) zersplitterte, Parteien wie die Linke und die Piraten hervorbrachte und den Niedergang der SPD einläutete, beginnt nun auch das Mitte/Rechts Spektrum auseinander zu fallen.

Über die Gründe des Zerfalls der ehemaligen „Volksparteien“ habe ich schon an anderen Stellen ausgiebig meine Meinung kund getan. Heute möchte ich mit anschauen, was die AFD denn so zu bieten hat: Was macht sie für Wähler interessant? Wofür steht sie? Als Grundlage nehme ich den Entwurf des „Wahlprogramm Bürgerschaftswahl 2015“ der „Alternative für Deutschland Landesverband Hamburg“. Darin finden sich einige sehr interessante Passagen. Und ich werde hier gar nicht alles kommentieren können, was kommentierbar ist.

Die AFD beginnt schon in der Präambel ihren Schleier zu lüften:

Denn auch viele andere Bereiche hierzulande wie z.B. die
unzulängliche Einwanderungs-Steuerung [..] dokumentieren
politisches Versagen

Gehört es nicht zur Freiheit eines jeden Menschen sich auszusuchen wo auf diesem Planeten er sich aufhalten möchte, wo er seinen Lebensmittelpunkt setzen will? Muss ich – KANN ich – die Einwanderungen lokal steuern? Oder wäre es – wenn sich zu viele Menschen aus unterschiedlichen Notsituationen heraus dafür entscheiden in Deutschland leben zu wollen – nicht sinnvoller – die Not in den Heimatländern zu lindern? Wer verlässt schon gern seine Heimat? Für die AFD scheint der Standpunkt legitim zu sein: „Bleibt wo ihr seid: Egal ob ihr verhungert, im Krieg sterbt oder aufgrund persönlicher Ansichten/Lebenseinstellungen verfolgt werdet. Wir teilen unseren Wohlstand nicht, der teilweise auf eurem Elend aufgebaut ist“. Dieser Egoismus hat uns in der Vergangenheit viele Kriege beschert und scheint auch ein Teil der unterschiedlichsten derzeitigen Konflikte auf dem Planeten zu sein.

Gleich im nächsten Absatz findet sich die Passage:

Dagegen formiert sich die AfD auf allen politischen Feldern: Wir fühlen uns dabei im Kern dem gesunden Menschenverstand verpflichtet

Ich wage dies allein schon durch meine Interpretation des ersten Zitates zu widerlegen, aber es geht noch weiter.

Gerade unsere Stadt Hamburg steht für solche erfolgreichen, bürgerlichen Lebensformen mit ihrer altehrwürdigen Kultur des Hanseatentums: Mit der Handschlags-Qualität von Verträgen,
kühler Selbstbeherrschung, aus der gegenseitiges Vertrauen wächst, mit Selbstbewusstsein, Freiheitsstreben und Selbstverantwortung – und der gelebten Verpflichtung des Einzelnen gegenüber dem Gemeinwohl und der Gemeinschaft aller Stadtbürger.

Die Hanseatische Handschlags-Qualität beruht auf Vertrauen in mein Gegenüber. Egal ob er ebenfalls Hanseat ist, oder aus dem Baltikum oder der Mongolei stammt. Der Hanseat weiß, dass sein Wohlstand nicht lokal gewachsen ist. Er ist aufgebaut auf Weltoffenheit und dem Austausch der Kulturen. Finden wir diese Weltoffenheit bei der AFD wirklich wieder oder versucht sie sich hier mit fremden Federn zu schmücken, die ihr gar nicht passen?

Auch das jugendlich verwirrte möchte-gern Linke-Spektrum wird erwähnt:

Hamburg wuchs in Jahrzehnten – vom Senat durch Duldung faktisch rechtsfreier Räume kaum gehindert – zur Hochburg des Linksextremismus in Deutschland. Immer wiederkehrende Gewaltexzesse um die ‚Rote Flora‘ und alle Jahre erneute Brutal-Auftritte des ‚Schwarzen Blocks‘ sind nur die Spitze eines Eisbergs. Die etablierten Parteien wollen diese rechtsfreien Räume offenbar nicht beseitigen

Ich vermisse an dieser Stelle die Erwähnung – und sei es nur der Vollständigkeit geschuldet – auch der rechten Gewalt. Ich will und werde die Linken Deppen nicht verharmlosen. Das aber die Rechten Deppen an der Stelle bei der AFD unerwähnt bleiben, könnte Absicht sein.

Bewertungen in Notenform sollen anhand sachlicher Kriterien ab der 2. Klasse erfolgen. Dies gibt Kindern und Eltern Orientierungshilfen und entspricht meist auch dem Wunsch der
Kinder.

Ob ein Zweitklässler bereits in der Lage ist zu erkennen, welche Vor- und Nachteile die Bewertung in Notenform hat, sei einmal dahin gestellt. Allerdings schimmert für mich hier ein wenig das „Wir haben das schon immer so gemacht und wollen stumpf vergleichbare Leistungen“ anstelle von „Wir wollen die Kinder nicht unter Druck setzen und akzeptieren ihre unterschiedliche Entwicklung“ durch. Die mir bekannten Studien sprechen durch die Bank GEGEN die frühe Benotung.

Manchmal muss man auch zwischen den Zeilen lesen:

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf benötigen intensive Betreuung, die nur Förderschulen gewährleisteten können.[..] Die derzeitige Inklusionspolitik erschwert individuelle Förderung. Sie überfordert die Regelschulen, deren Lehrer und die betroffenen Schüler.

Hier versteckt sich die Aussage, dass in irgendeiner Form zu fördernde Kinder aus der Regelschule ausgeschlossen werden sollen. Ich ahne hinter dieser Forderung, den Versuch Kinder mit „besonderen individuellen Merkmalen“ in eine Parallelwelt abzuschieben um diese so von den eigenen Kindern fern zu halten. Inklusion erschwert keineswegs, sondern fördert das Zusammenleben von ALLEN Menschen.

Familie und Elternhaus sind die Erstverantwortlichen in der Erziehung ihrer Kinder. [..] Einzelne Eltern vernachlässigen ihre Erziehungs- und Förderpflichten zu Lasten der Zukunft
Ihrer Kinder. Die Zahlungen staatlicher Transferleistungen sollen daran gekoppelt werden, dass Eltern ihren Pflichten nachkommen, z.B. bezüglich regelmäßigen Schulbesuches. Auch
Bußgelder sind möglich.

Das Eltern „erstverantwortlich“ sind, steht außer Frage. Interessant ist, dass als erstes die Keule der staatlichen Transferleistungen genannt wird. Der Nachsatz der möglichen Bußgelder wirkt ein wenig wie ein nachträglich eingefügtes Feigenblatt. Vorrangig scheint es darum zu gehen Transferbezieher zu gängeln, anstelle ihnen – offensichtlich mit der Erziehung überfordert – eine Hilfestellung zu geben. Denn auch wenn Familie und Elternhaus vorrangig gefordert sind, so ist es auch Aufgabe der Gesamtgesellschaft sich um die Erziehung des Nachwuchses zu bemühen. Dies geschieht nicht vorrangig durch Bestrafung (aushungern?) der Eltern, sondern durch Anreize für die Kinder.

Integrationsfeindliche Symbole und Kleidung haben in der Schule nichts zu suchen, Vollverschleierung ist abzulehnen. Über Kopftücher muss im Einzelfall entschieden werden. Lehrkräfte sollen generell keine Kopftücher tragen.

Wurde oben nicht bereits altehrwürdige Kultur angesprochen? Was bitte ist gegen das Tragen eines Kopftuches einzuwenden? Wenn ich alte Familienbilder anschaue, so sehe ich dort viele Frauen mit Kopftüchern. Wo bleibt hier die individuelle Freiheit? Über eine Vollverschleierung kann man gern diskutieren, aber Kopftücher? Werden als nächstes Krachlederne gefordert?

Hierzu sind die Klassenstärken bei der Ausstattung mit Ressourcen anzugleichen, derzeit ist u.a. die maximale Klassenstärke bei den Gymnasien deutlich höher als bei den
Stadtteilschulen.

WENN auf den Gymnasien vor allem die leistungsfähigen Heranwachsenden Lerninhalte vermittelt werden, so ist es doch sinnvoll Stadtteilschulen aufgrund des Integrationsauftrages besser auszustatten. Kann in kleinen Klassen nicht besser gelernt, um so den Abstand  zwischen Gymnasium und Stadtteilschule zu verringern? Auf dem weiteren schulischen Weg werden die Lernenden in Hörsälen sitzen in denen noch mehr Gedränge herrscht. Umso schwerer es ein Kind hat Lerninhalte aufzunehmen, desto mehr gezielte Aufmerksamkeit benötigt ist.

Kinder sollen deshalb vor Einschulung ein Jahr täglich an einer Kindergruppe teilgenommen haben. Insbesondere bei Defiziten im Erwerb deutscher Sprachkenntnisse soll der Kindergartenbesuch verpflichtend sein.

Sollen? Warum soll ich verpflichtet werden mein Kind schon vor der Schule mit einer Zwangsgruppe belasten? Vor allem der stets wiederkehrende Passus mit der deutschen Sprache macht mich sehr nachdenklich. Ich muss da immer an ländliche Gegenden in Bayern denken. Aber ich schweife ab.

Es müssen neue „Anlernberufe“ geschaffen werden, um den schwächeren Jugendlichen eine Chance im Berufsleben zu bieten. [..]Alle Jugendlichen ohne Lehrstelle sollen eine berufliche Ausbildung den Eigenbetrieben des Landes Hamburg erhalten.

DAS wird in Perspektive sehr-sehr teuer werden. Vor allem ist die Frage was mit den angelernten Jugendlichen nach der Ausbildung passiert gänzlich unbeantwortet. Denn der Arbeitsplatz ist noch wichtiger als die Lehrstelle.

Aus der Gründungsgeschichte ergibt sich bis heute, dass die Alternative für Deutschland über ein hohes Maß an ökonomischer und wirtschaftspolitischer Kompetenz verfügt.

Dieser Beweis durch Behauptung ist so gnadenlos schön, den kann ich gar nicht kommentieren. Aber es kommt noch viel dicker:

Niemals sollte es sich lohnen, staatliche Sozialleistungen leistungslos zu kassieren anstatt zu arbeiten, soweit dies Alter und Gesundheit zulassen.

Hinter diesem Satz verbirgt sich nicht weniger als der Einstieg in die Zwangsarbeit für Arbeitslose. Gut verborgen und umschrieben, aber dennoch erkennbar!

Durch die starke Konzentration der Politik auf Europa wächst der Einfluss der Großindustrie überproportional und der Mittelstand hat das Nachsehen. […] Bei allen Maßnahmen werden wir auch weiterhin darauf achten, Nachteile für den Mittelstand zu vermeiden, insbesondere bei Finanzierung und bürokratischen Vorschriften.

Ist es nicht auch gerade der Mittelstand, der von Europa profitiert? Der massive Vorteile durch den Binnenmarkt und die gefallenen Schranken hat? Aber man muss natürlich auf Europa schimpfen wenn man AFD heißt. Vor allem muss man versuchen auch Mittelständler irgendwie einzubinden – man will ja jeden Wähle abgreifen.

Hamburg hat seine Infrastruktur lange vernachlässigt. Längst hat sich dies zu einem echten Standortnachteil ausgewachsen, was jeder Hamburger Autofahrer täglich erfährt. Dies gilt
gerade auch für Hamburger Unternehmen. Für sie bedeuten „Stunden im Stau“ massive Verluste. [..] Die AfD fordert  die Erhaltung und Instandsetzung der bestehenden Infrastruktur mit hoher Priorität […]

Kein Wort vom ÖPNV. Keine wirkliche Vision wie der Verkehr in der Innenstadt entlastet wird, sondern schlicht festhalten an dem (nicht) bewährtem. DAS ist nicht fortschrittlich und einer modernen Großstadt nicht würdig.

Die AfD befürwortet die sogenannte Verbindungsdatenspeicherung zur Verhinderung und
besseren Aufklärung Straftaten. Die Daten dürfen nur im Einzelfall und nur aufgrund richterlicher Anordnung genutzt werden.

Jawoll! Endlich kommt Law & Order so richtig durch. Weg mit der Maske des Liberalen und der Freiheit. Her mit dem Überwachungsstaat.

Wir fordern die regelmäßige Anwendung des Erwachsenenstrafrechts bei 18 bis 21-jährigen
Straftätern, so wie es das Jugendgerichtsgesetz vorgibt. Entgegen der Vorgabe des Gesetzes wird bei dieser Altersgruppe überproportional häufig das Jugendstrafrecht
angewendet.

Und wenn die Maske erstmal gefallen ist, fordern wir auch die Nutzung des höchstmöglichen Strafmaßes. Irgendwann muss auch mal Schluss sein mit der Integration und dem guten Willen. Denn harte Strafen waren schon immer gut. Nur in Gefängnissen werden den Heranwachsenden echte Werte vermittelt.

Wir plädieren für die Schaffung eines Gesetzes, dass die erleichterte Ausweisung sogenannter Hassprediger ermöglicht. Wer im Namen der Religion Gewalt anwendet, dazu
aufruft oder damit droht, muss Deutschland verlassen.

An der Stelle wird es bei großzügiger Auslegung auch für einige Katholiken und Protestanten eng („Wer sündigt wird in der Hölle darben!“). Aber diese haben ja den Vorteil, dass sie meist deutsch sind und demnach nicht ausgewiesen werden können. Letztendlich kann dieser Passus also dergestalt gewertet werden, dass die AFD hier schlicht „ihre“ Religion schützen will.

Die AfD fordert die Aufnahme der Ethnie bzw. des Migrationshintergrunds in der polizeilichen Kriminalstatistik.

WENN, dann bitte auch Protestant oder Katholik erfassen. BTW: Wusstet ihr dass das Land mit der grössten Kriminalitätsrate der Vatikan ist? Mal im ernst: Mensch ist Mensch und Arschloch ist Arschloch und Straftäter ist Straftäter. Dafür brauche ich keinen Migrationshintergrund, keine Ethnie und keine Religion.

Es gelten die Grundsätze: „Keine Partizipation ohne Integration“ und „Integration ist primär eine
Bringschuld der Zuwanderer“.

Ich wage zu widersprechen: Integration kann nur im gegenseitiger Bemühung erfolgreich sein. Ich kenne in Deutschland geborene Menschen, die ein voll integriertes Leben führen, aber dennoch nur aufgrund ihres Aussehens diskriminiert und ausgegrenzt werden. Ein wenig mehr aufeinander zugehen und eben KEINE Angstmacherei wie sie auch von der AFD praktiziert wird.

Es muss verhindert werden, dass vorrangig solche Personen zu uns kommen, die sich von unseren sozialen Leistungen angelockt sehen. Die Anreize zur Einwanderung (Hartz IV oder Kindergeld) in die Sozialsysteme sind zu minimieren! Nur wer über mehrere Jahre hinweg in Deutschland gearbeitet und Steuern gezahlt hat, erwirbt einen Anspruch auf hiesige Sozialleistungen. Allen anderen ist Sozialhilfe nur nach Standard ihrer Herkunftsländer zu gewähren

Wie verhindert man am besten, dass Menschen aus Not nach Deutschland kommen? In dem man ihnen in der Heimat hilft. Es hilft keinem Menschen wenn die westliche Welt deren Heimatländern – aus Interesse an den Bodenschätzen – unsicher macht um dann zu sagen: In deiner Heimat gibt es gar kein Sozialsystem, also verhungere. Sozialhilfe ist eine segensreiche Errungenschaft, die es aber in sehr vielen Ländern unseres Planeten gar nicht gibt. Wer dies nicht in seinen Planungen berücksichtigt ist entweder dumm oder es ist Kalkül.

Angesichts der sich schon seit 1,5 Jahren hinziehenden Armutseinwanderung aus Serbien und Mazedonien in die Sozialsysteme – vor allem sog. Roma – ist eine Aufhebung der
Visafreiheit für diese beiden Staaten anzustreben.

Genau! Endlich wird wieder Angst und Fremdenhass geschürt. Kam gerade etwas zu kurz.

Unangetastet bleibt das Recht auf Asyl für politisch, religiös oder wegen ihrer Rasse oder Nationalität Verfolgte. Hierzu dient das rechtsstaatliche Asylverfahren. Die derzeitige
Anerkennungsquote in Höhe von 1,5 Prozent verdeutlicht, dass die überwiegende Zahl der Flüchtlinge aus wirtschaftlichen Gründen migriert.

1,5% also. OK, schaun wir doch mal nach, was das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dazu zu sagen hat (Zahlen Jan – Aug 2014):

  •   1,6% Anerkennungen als Asylberechtigte (Art. 16 a GG und Familienasyl)
  • 19,6% Anerkennungen als Flüchtling gem. § 3 Abs. 1 AsylVfG*
  •   5,6% Gewährung von subsidiärem Schutz gem. § 4 Abs. 1 AsylVfG*
  •   1,7% Feststellung eines Abschiebungsverbotes gem. § 60 Abs. 5 o. 7 AufenthG*

Macht in der Summe eine Anerkennungsrate von 28,5% – das ist das Siebzehnfache des Wertes, mit dem die Manipulatoren der AFD hier hausieren gehen.

Und hier verlässt mich einfach die Lust – wer von euch macht weiter? Ich habe die Nase voll von der AFD – auf so vielen Ebenen 🙂

Demenz – Freiheit und/oder Sicherheit?

Das Thema Demenz ist sehr ernst. Wer nichts mit einem dementen Menschen zu tun hat, kann nicht ansatzweise bewerten, was diese Krankheit bedeutet und welche Auswirkungen diese hat – auf ALLE Beteiligten.

In der Süddeutschen findet sich ein Artikel über eine Pflegeanlage für Demenzkranke in Hameln. Kein Heim, in dem auf Flur 3 die Demenzkranken einkaserniert sind, sondern eine Wohnanlage, ähnlich dem Demenzdorf „De Hogeweyk“ in den Niederlanden, welches mich schon früher schwer beeindruckte.

Es gibt Artikel, die machen mich böse – sehr, sehr böse. Dieser gehört dazu. Aber nicht, weil der Schreiberling Blödsinn schreibt, sondern weil einige der in dem Artikel zitierten Meinungen mich einfach nur auf die Palme bringen. Ich darf – nein ich muss – zitieren:

„Alte, kranke Menschen werden einfach ausgelagert, das wirkt wie eine Art Aussätzigendorf“, sagt Reimer Gronemeyer. Der Soziologie-Professor ist Mitglied im Stiftungsrat der Deutschen Hospiz- und Palliativstiftung, hat mehrere Bücher über das Altern im Allgemeinen und das Altern mit Demenz im Besonderen geschrieben. „Wir sperren die Leute weg, damit sie uns Gesunden nicht vor der Nase herumtanzen“, sagt er über das Konzept Demenzdorf.

Ich frage mich, wie lange und intensiv sich dieser Professor mit dementen Menschen beschäftigt hat. Wie viele Jahre war er für einen dementen Menschen verantwortlich? Hat er sich angewöhnt, seine Wohnungstür stehts im Verschlusszustand zu halten und die Schlüssel zu verstecken, weil z.B. sein/e Frau/Mutter/Vater dazu neigt wegzulaufen und völlig hilflos durch die Großstadt zu irren? Kennt er die Hilflosigkeit der Familie, wenn der nahe Angehörige sich 100 Meter von der Wohnung – in der er seit 40 Jahren wohnt – befindet und nicht mehr nach Hause findet? Wie oft hat er seinen nahen Angehörigen schon gesucht, weil er mal wieder „ausgebüxt“ war? Kennt er die Angst, dass etwas passiert sein könnte?

Demenzkranke werden heute schon weggesperrt, und zwar in Wohnungen und in Pflegeheimen in denen sehr genau kontrolliert wird, wer gerade das dritte Stockwerk verlässt. Schwere Demenz macht, dass die Menschen teilweise vor sich selbst geschützt werden müssen. Und um so mehr Raum man diesen kranken Menschen lässt, um so besser ist es für diese.

Doch Supermärkte, in denen Demente zufällig genau das finden, was sie brauchen und in denen sie im Zweifel auch mit drei Keksen bezahlen können, lösen andernorts Befremden aus.[….]

Michael Schmieder drückt es etwas drastischer aus: „Die Leute werden von vorne bis hinten verarscht.“ Der Leiter des Vorzeige-Pflegeheims Sonnweid in der Schweiz ist einer der größten Kritiker des Demenzdorf-Konzepts. […] Eine unwürdige Lösung, die sich niemand für das eigene Alter wünsche.

Natürlich ist der Vertreter des Pflegeheimes Sonnweid ein Kritiker, wie auch sollte er ein Konzept, welches zu dem eigenen im Wettbewerb steht loben? Und ich muss Herrn Schmieder sagen: Doch, ich würde mir solch Konzept für mich wünschen. Ich würde mir wünschen, dass ich so glücklich gemacht werde, wie nur irgend möglich, dass mir mein Leben kuschelig und einfach gestaltet wird. Aber auch, dass ich so viel Freiheit und Möglichkeiten habe. Und wenn ich der Meinung bin, mit Keksen oder gar mit Glasperlen bezahlen zu können und mir dies zugestanden wird, ist es doch toll. Es ist eine späte Freiheit, das niederreißen des „So wird das in dieser Welt gemacht“. Eine späte – aber nicht zu späte – Freiheit des Individuums. Diese – meist sehr alten – Menschen haben es verdient, dass man nicht mehr mit erhobenem Zeigefinger erklärt, wie unsere Gesellschaft funktioniert.

Ich finde dieses Konzept toll. Ich würde dort gern aufgenommen werden, sollte ich einmal schwer dement sein. Und meine Prinzessin wüsste mich dort sicher in guten Händen – und in Freiheit, trotz oder gerade wegen des Zauns.

Ist es eine gute Idee für UBER in Deutschland zu fahren?

Die Süddeutsche widmet sich UBER:

 Uber, der Taxi-Dienst für Privatwagen, klingt progressiv. Aber was, wenn ausschließlich der Markt über die Preise bei Regen und Schnee bestimmt? Das ist das Letzte, was kranken und alten Menschen zu wünschen wäre.

Sind es aber nur kranke und alte Menschen, die auf der Strecken bleiben, wenn UBER die alt eingesessenen Taxidienst ablöst? Es gibt seit Jahren schon alternative Modelle zur alten Taxizunft. Zuerst kam ich in Kiel mit diesen in Berührung. Damals hieß das „Taxi der Soldaten“ Minicar, denn mit Minicar kamen wir billiger in die Kaserne, wenn der Bus nicht mehr fuhr. Minicars mussten neutral lackiert sein und durften keine Fußgänger an der Strasse aufnehmen. Alles musste über die Zentrale laufen. ABER: Jeder Fahrer zahlte seine Steuern, hatte einen Personenbeförderungsschein UND seine Versicherung war auf Personenbeförderung ausgelegt. Dass heißt er zahlte (wie ein Taxifahrer)  mehr Versicherungsgebühren und bei einem etwaigen Schaden war/ist der Fahrgast mitversichert.

Was ich nicht verstehen kann ist, dass das UBER-Konzept auf dem Rücken der Fahrer und der Fahrgäste Erträge einfahren muss. Wenn ein UBER-Fahrer tatsächlich jede Einnahme versteuert und auch seine Betriebskosten (Kraftstoff, Anschaffung des Fahrzeug und Verschleiß, Personenbeförderungsschein, erhöhte Insassenversicherung) in seine „wie viel verdiene ich eigentlich“-Rechnung integriert, wird er wohl kaum auf die Idee kommen, sein Fahrzeug für die Gewinnerzielung von UBER zur Verfügung zu stellen.

Am Ende habe ich den Verdacht, dass diejenigen die für UBER fahren, sich aus dem Personenkreis rekrutieren, die sich als freiwillig als Soldat melden, weil Sie sonst kaum ein Einkommen realisieren können. Im Unterschied zum Soldaten haben sie allerdings einen PKW. Das Konzept hinter UBER ist – wie so oft – die Ausbeutung von Vielen um bei einigen Wenigen den Wohlstand zu realisieren. Es ist ein Konzept, dass von der Unwissenheit und Hilflosigkeit der Mitmacher lebt.

Und bevor mir jemand sagt: „Hey, ich habe einen Job und ich verdiene mir mit UBER ein wenig was hinzu“. Ja, das mag sein. Aber derjenige soll doch bitte mal seinen Stundenlohn – nach Abzug ALLER Kosten – offenbaren. Es könnte sein, dass mittels Pfandflaschen sammeln ein lukrativerer Stundenlohn realisiert werden kann.

Auch der Taxiblogger Torsten Bentrup hat sich in seinem Taxiblog wiederholt mit dem Thema UBER beschäftigt.