Internetzensur in Deutschland schreitet voran

Auch wenn die ersten Kritiker, die von der Leyens Kinderschutz-Internetfilter als Anfang der weitergehenden Zensur bezeichneten, belächelt wurden, so nimmt der Zug der Informationsbehinderung so langsam Fahrt auf:

Versprochen wird im Familienministerium, dass sich die geplante Regelung nur mit kinderpornografischen Seiten befassen wird. Allerdings forderte BKA-Präsident Jörg Ziercke schon im Vorjahr, auch „fremdenfeindliche und antisemitische Inhalte“ einzubeziehen, auch sie stünden auf unterster moralischer Stufe. Außerdem haben die Innenminister von Bund und Ländern angeregt, den Zugang zu illegalen Sportwetten u-nd Lotterien zu sperren.

schreibt die TAZ. Wenn das Reizzentrum also irgendwann nicht mehr erreichbar sein sollte (länger als 10 Minuten …), wisst ihr woran es liegt.

Merkel die Pflicht – Obama die Kür

Während unsere Bundeskanzlerin das Medium Internet dazu nutzt, uns – alternativ zum Fernsehen – auf einem weiteren Weg mit Bild und Ton zu penetrieren beglücken informieren, hat Barack Obama die Möglichkeiten des Internet verstanden und nutzt diese auch.

Der Heiseticker berichtet, dass Obama auch sein Blog zur Meinungsfindung vor Einführung von Gesetzen nutzen möchte:

Der beste Weg sei, die Massen am Gesetzgebungsprozess zu beteiligen, glauben Experten. Die Zukunft sieht laut Slate so aus, dass Obama im Internet seine Steuer- oder Gesundheitspläne sozusagen zur Abstimmung stellt und ein Meinungsbild einholt.

All dies wird auf Obamas Plattform change.gov umgesetzt werden, eine Webseite die zeigt, wie die Politik das Internet nutzen kann. Aber während sich die Bundeskanzlerin aus allen wichtigen Themen so weit wie möglich raus hält, um bloss keine Lackkratzer zu bekommen, würde ihr Innenminister das Internet am liebsten komplett abschalten, solange seine Schergen nicht jedes Bit mitlesen können.

Was würde passieren, wenn z.B. der Innenminister sein BKA-Gesetz, die Onlineüberwachung im Netz zur Diskussion stellen würde? Was würde Frau von der Leyen wohl für Kommentare zu ihrem „Wir sperren Webseiten, wir können das ganz einfach“-Vorstoss erhalten?

Was haben wir Deutschen nur verbrochen, diese Politiker ertragen zu müssen?  OK, rethorische Frage – die Antwort ist einfach: Wir haben gewählt. Falsch gewählt. Und die Amerikaner haben es – bei allem (vorsichten, unter Vorbehalt) Neid, nach 8 Jahren Bu$h auch verdient.

Soziale Probleme lassen sich nicht mit Gesetzen und Technik lösen

Sehr geehrte Frau Familienministerin von der Leyen,

mit Erschrecken las ich im SPON, dass Sie anstreben „Seiten“ im Internet sperren lassen wollen, welche kinderpornografisches Material veröffentlichen.

Generell laufe ich da – besonders als Vater von zwei Töchtern – mit ihnen konform. Zumindest was die generelle Einstellung zu diesem Thema angeht: Sowas muss und darf nicht sein. Dieses Material muss nicht hergestellt und verbreitet werden. ABER: Warum bitte wollen sie Symptome (wie Don Quijote) und nicht die Ursachen bekämpfen?

WENN Sie sich ein wenig mit der Struktur des Internet beschäftigen hätten, wären Sie zu der Erkenntnis gekommen, dass gesperrte Webseiten den Sumpf niemals trocken legen werden. Vielmehr wird es – und das zeigte uns bereits die Vergangenheit – dazu kommen, dass entweder unbeteiligte (Web)Seiten in Mitleidenschaft gezogen werden, weil ihre Vasallen eine IP-Adresse sperren auf der auch andere Inhalte von anderen Anbietern liegen, oder aber der gesamte Inhalt der gesperrten Seite taucht an anderer Stelle wieder auf. Was hätte man gewonnen, auser der Pressemeldung:“Wieder EINE Seite mit 5000 Zugriffen täglich ausgehoben“, welche verschweigt, dass dafür an anderer Stelle Webseiten mit 10.000 Zugriffen aufgemacht werden?

Das Einzige, was Sie erreichen werden ist, dass sie medienpolitisch Punkte sammeln und Steuergelder sowie Resourcen bei Ermittlungsbehörden und Internetdienstleistern verbrennen. Wenn das ihr wahres Ziel ist: Machen Sie es so.

Wie differenziert und einfühlsam Sie an das Thema herangehen – und dabei beweisen, dass Sie sich dem ursächlichem Problem zurückschrecken, zeigt dieses Zitat:

„Die Bandbreite reicht vom Pädokriminellen bis zum User, der wahllos sucht und ignoriert, dass er sich gerade die Einstiegsdroge besorgt.“

Ich gebe zu: Ich habe – versehentlich – (vor langer Zeit) einmal eine Seite mit dem angesprochenen Inhalt aufgerufen. Muss ich jetzt – obwohl ich angewidert die Seite im Browser sofort wieder schloss – nun in Therapie, da ich ja eine Einstiegsdroge „genossen“ habe?