Der Live-Stream bezüglich der Anhörung zum Thema Internetsperren

Leute, wer den nicht verfolgen konnte, muss das unbedingt nachholen. Ich bin mir sicher, dass der Stream im Laufe der nächsten Stunden bei youtube auftauchen wird. Ich habe teilweise wirklich schallend gelacht. Ausschnitte (alles sinngemäss!)

  • Wir streiten nun schon seit sehr langer Zeit um eine Präventivkompetenz des BKA in Sachen Terrorismusbekämpfung und im diesem Bereich sollen wir das so einfach durchwinke. Herr Maurer (BKA) was sagen Sie denn dazu, oder wundert Sie schon gar nichts mehr?
  • Die Server stehen mehrheitlich in Ländern, in denen Kinderporno nicht verboten ist (Aha…. – siehe Statistiken WO die Server stehen… )
  • Kinderpornos werden auf allen möglichen Wegen getauscht (BKA-Maurerauf die Frage, ob bekannt ist, auf welchen Wegen Kipo ausgetauscht wird)
  • Innerhalb von Stunden werden jeweils die Server gewechselt – deshalb sind auf den Sperrlisten so viele Seiten OHNE Kinderporno vorhanden. (Warum sind die Seiten aber weiterhin in der Liste?)

Leute, pfeift euch das rein. Das ist besser als die Muppetshow. In meinen Augen haben die da massiv sowohl ihre Regierungskompetenz als auch die Gesetzesvorlage in die Tonne gedrückt. Aber der (vom – in meinen Augen – vom Innenminister und Lobbyverbänden vorgeschickte  Kampfdrache) von der Leyen wird weiterhin füssestampfend und zeternd an seinem kleinen Denkmalsgesetzesentwurf festhalten.

Spiegel-Interview mit von der Leyen. Ehrliche Worte, man muss sie nur verstehen.

Im Spiegel findet sich ein Interview mit Frau von der Leyen, das ich – als alter Querleser – äusserst spannend finde, denn unsere Familienministerin zeigt dort offen einige Ansichten und Vorgehensweisen, die ich schon lange sah deutlich auf.

Erst ist Schulterzucken da, dann gibt es kübelweise Kritik, aber dann stellen wir gemeinsam fest: Da ist ein Problem, wir müssen handeln. Es mag unterschiedliche Wege geben, aber im Ziel sind wir einig. Und jetzt ist das Gesetzesverfahren da. So wird das auch bei diesem Thema sein. Ich nehme dabei zwar die Bedenken aus der Petition ernst, weiche aber keinen Millimeter von meinem Ziel ab.

Erst gibt vdL zu, dass es Kritik und unterschiedliche Wege geben mag, aber am Ende weicht Sie keinen Millimeter von ihrem Ziel ab: Und ihr Ziel sind die Sperren. Denn nur mit der Umsetzung der Sperren kann sie sich ihr persönliches „Internet-Denkmal“ (aka chinesische Mauer) erreichten.

Ich halte für richtig, klare Gesetze in einem Land zu haben. Wir sprechen nur über den Straftatbestand der Kinderpornografie, der geregelt ist im Paragraf 184b StGB. Und dieser Straftatbestand muss nicht täglich durch einen Richter noch einmal wiederholt werden.

Es müssen also Straftatbestände – in dem Bild von Frau vdL – nicht mehr täglich von einem Richter wiederholt werden? Was werden die überarbeiteten Richter in all den Strafverfahren dazu sagen? Urlaub einreichen? Denn JEDE Straftat wird erst durch ein Gesetz zu einer Straftat. Ob aber im Einzelfall eine Straftat vorliegt, entscheidet bis jetzt immer noch ein Richter. Und genau an der Stelle fehlt es einer Ministerin (das darf man NIE vergessen!) an Verständnis für unser Rechtssystem mit seiner Gewaltenteilung!

Spiegel: Wobei die meisten Kontakte nicht per WWW, sondern per Mail gewesen sein dürften…

Von der Leyen: …die auf verbotene Seiten verweist.

Liebe Frau vdL: WENN per Mail ein Link geschickt wird und in diesem eine IP-Adresse und kein Hostname angegeben ist, können Sie sich ihre gesamte Internetsperre durch DNS-Manipulation direkt in die Haare schmieren! Wenn man cvon etwas keine Ahnung hat ….

Wir möchten, dass in Zukunft zugleich immer Interpol verständigt wird, die in 160 Staaten dieser Welt vertreten sind. Das BKA wird das diese Woche in der Interpol-Tagung einbringen.

Interpol…… Ein einfaches Whois (Bitte googlen Frau vdL) ermöglicht es den ermittelnden Beamten DIREKT denjenigen zu kontakten, auf dessen Server die Inhalte liegen. Aber um auf diese Idee des  „kurzen Dienstweges“ zu kommen, müsste man sich mit dem Thema wenigstens ansatzweise beschäftigt haben und nicht (so kommt es mir wirklich vor) als Strohfrau des Bundesinnenministers und diverser Lobbyisten durch die Gegend laufen.

Mir ist wichtig, dass ein BKA-Beamter bei jeder einzelnen Seite überprüft, ob der Inhalt nach deutschem Recht strafbar ist.

Frau vdL bitte 100x an die Tafel schreiben: Nach deutschem Recht ist ein POLIZEIbeamter (und nichts anderes sind BKA-Beamte) weder befugt noch befähigt, eine Strafbarkeit festzustellen. Er kann einen VERDACHT haben und aufgrund dessen agieren. Die Feststellung einer Straftat benötigt immer noch des Richters.

SPIEGEL ONLINE: Eine Kontrollinstanz bedeutet aber doch nicht, dass, wenn eine Seite gesperrt wird, der Betreiber informiert wird.

Von der Leyen: Nein, denn im Prinzip merkt man es ja sofort. Denn wenn man die Seite anklickt, kommt das Stoppschild.

Aha, diejenige, die wirklich SOFORT die Seite abstellen könnten (namentlich Hoster, Contentprovider und Rechenzentren) müssen nun also täglich alle Rechner/Domains abgrasen, die bei ihnen gehostet sind? Und wer bezahlt das?Frau vdL: Ich arbeite in einem Rechenzentrum und ich versichere ihnen, dass dieses nicht umsetzbar ist. Sollte aber ein BKA-Beamter bei uns anrufen und uns mitteilen, dass auf einem der Kundenserver illegale Inhalte verfügbar gemacht werden, ist der betreffende Content innerhalb von Minuten nicht mehr erreichbar.

SPIEGEL ONLINE: Ende März kam von der EU der Entwurf eines Richtlinienvorschlags, der auch in diese Richtung zeigt. Da steht der Richtervorbehalt drin.

Von der Leyen: Entschuldigen Sie mal, haben Sie eine Vorstellung über die Zahl und die Geschwindigkeit, mit der Kinderpornoseiten verbreitet werden? Und Sie meinen, es führt zum Ziel, wenn in jedem einzelnen Fall ein Richter entscheidet: Ja, es ist 184b. Wir haben einen scharf umrissenen Straftatbestand im Gesetz, dazu sind Gesetze da.

Auch Diebstahl und Gewaltverbrecher werden dann in naher Zukunft – nach Vorstellung von Frau vdL – direkt von den ermittelnden  Beamten mittels standrechtlichem Feststellungsverfahren abgeschlossen und nach Verfahrensverfügung 08/15 mittels Einweisung in Vollzugsanstalten geahndet. Ist ja alles in Gesetzen definiert, nicht wahr?

Der allerletzte Teil ist so wunderschön, den möchte ich mir am liebsten hinter Glas an die Wand hängen:

SPIEGEL ONLINE: Werden Sie die Gesetzesänderung noch in dieser Legislaturperiode durchbekommen?

Von der Leyen: Ich bin zuversichtlich. Man stelle sich die Alternative vor.

SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel: Sinnvolle, zielgerichtete Ermittlungsarbeit?

Von der Leyen: Bitte, jetzt nicht wieder alles von vorne.

In diesem Sinne. Wieso muss ich bei Frau vdL  und dem Thema gewaltenteilung gerade wieder an das Grundgesetz denken:

Artikel 20
[Staatsstrukturprinzipien; Widerstandsrecht]
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist

Mittlerweile Standard: Der Link zur Petition gegen Internetsperren

Argumentieren wie das BKA

Am  Mittwoch, den 27. Mai 2009 tagt der „Ausschuss für Wirtschaft und Technologie“ zwecks einer Anhörung bezüglich des „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen“. Bei den dort vorgestellten Stellungnahmen findet sich auch eine Stellungnahme des BKA, die ich für ÄUSSERST lesenswert halte und aus der ich zitieren möchte:

Durch Access-Blocking wird nicht nur der Zugang pädosexuell interessierter Täter zu kinderpornografischem Material, sondern auch die ungewollte Konfrontation mit Kinderpornografie (z.B. von Kinder/Jugendlichen) oder der Einstieg in die Befassung mit diesem Material (z.B. für Nutzer von „grenzwertigem pornografischem Material“) erschwert. Daneben kann damit die Erzielung von Gewinnen mit der Verbreitung reduziert werden.

Also kann (nach Ansicht des BKA) der Gewinn reduziert werden, wenn Zufallszugriffe unterbleiben? DIESE Logik muss mir mal jemand erklären? Ist das Aufrufen einer zufälligen Webseite bereits mit einer Abbuchung von meinem Konto verbunden? Wer so argumentiert – und ich muss hier unterstellen, dass diese Argumentation wider besseren Wissen geschieht – arbeitet nicht neutral betrachtend, sondern zielerreichend. Hier möchte jemand das Instrument Internetsperre etablieren.

Schallendes Gelächter löst allerdings der folgende Passus der BKA-„Expertise“ aus:

Access-Blocking wird im Ausland u. a. in folgenden Ländern durchgeführt:
ð Großbritannien  seit 2004
ð Norwegen    seit 2004
ð Schweden  seit 2005
ð Dänemark   seit 2005
ð Schweiz   seit 2006
ð Finnland    seit 2007
In keinem der Länder werden andere Inhalte als Kinderpornografie gesperrt.

(Hervorhebung von mir)

Lebt der Ersteller dieses Textes unter einem Stein? Sind allgemeine Informationsquellen beim BKA unter Strafe verboten? Im Focus steht folgendes z.B. zu Schwedens erfolgreichen Sperren zu lesen:

„Unsere Sperrmaßnahmen tragen leider nicht dazu bei, die Produktion von Webpornografie zu vermindern“, bilanzierte der Chef der Polizeiermittlungsgruppe gegen Kinderpornografie und Kindesmisshandlung in Stockholm, Björn Sellström, im Nachrichtenmagazin FOCUS.

Das auch unschuldige Webseiten gern mal in den Filtern landen, sollte sich mittlerweile allgemein rumgesprochen haben.

Aber mal ganz ehrlich: Wenn wir das BKA wären, wären wir nicht auch dafür unsere Macht und Einflussnahmemöglichkeiten zu erweitern? Vor allem, wenn uns Schäuble im Nacken sitzt?