Elektro-Scooter – Geiles Teil oder unsinnig?

Elektro-Scooter… Als ich die Dinger das erste mal sah – das muss 1998 in Marseille gewesen sein – saß ich in einem Taxi und ein „stehender“ Mensch überholte uns. Ein Blick aus dem Fenster zeigte: Der steht auf einem Roller der von allein fährt. Ich fand das genial.

Werden Elektro-Scooter, nun da sie erlaubt sind, auch in Deutschland das Straßenbild beeinflussen (mehr als bislang)? Mein erster Gedanke zu dieser Meldung wieder: Genial – will haben! Brauch ich. Ich kann und will ohne einen Elektro-Scooter nicht leben.

Dann aber meldete sich der „sapiens“-Teil meines Daseins als Homo-Sapiens zu Wort und ich stellte fest, dass diese E-Scooter tatsächlich das Straßenbild beeinflussen werden, dass die Folgen aber – die erst bei der zweiten Beurteilung klar werden – nicht ganz so toll sein müssen.

Wann würde ICH den E-Scooter benutzen? Klar: Typischerweise auf dem Weg zur S-Bahn und dann wieder von dem S-Bahn zur Arbeitsstelle. Hier würde ich nicht mehr auf den Bus warten müssen, der mich derzeit noch 2-3 Haltestellen mitnimmt. Auch auf anderen Kurzstrecken würde ich den Elektro-Scooter benutzen. Was aber sind das denn für Strecken? Sind es nicht exakt die Strecken, die ich heute zu Fuß gehe?

Also würde ich mich, mittels Elektro-Scooter, (noch) weniger bewegen und für diese Bewegungseinsparung extern zu produzierende Energie nutzen. Der Elektro-Scooter würde kein Fortbewegungsmittel ersetzen, sondern er wäre ein additives Mittel um Energie zu verschwenden und mich noch weiter in die Unsportlichkeit zu treiben.

Erkenntnis: Einen Elektro-Scooter kaufe ich erst, wenn ich einen Treppenlift brauche und ich den Weg zum Einkaufen nicht mal mehr mit dem Rollator schaffe.

Lange Haare bei der Bundeswehr?

Ich will mit einer Geschichte von „früher“ beginnen, ein Erlebnis, das sich während meiner eigenen Zeit bei der Bundeswehr abspielte und auf dem ersten Blick nichts mit langen Haaren und dem Haarerlass zu tun haben mag.

Die Wochenendwache

Ich saß während meiner Zeit beim Bund auch mal eine Zeit beim Spieß auf dem Schoss – also nicht körperlich, aber im GeZi (Geschäftszimmer). Das Geschäftszimmer ist quasi der Bereich, in dem sich der administrative Teil abspielt. Typischerweise besetzt vom Kompaniechef, dem Kompaniefeldwebel (Spieß) sowie dem Geschäftszimmerpersonal. Und zum letzteren gehörte ich: Zum einfachen Personal.

Jeden Monat werden vom GeZi die neuen Wachpläne erstellt: Wer hat wann UvD und MvD/GvD (UvD=Unteroffizier vom Dienst / MvD=Matrose vom Dienst / GvD=Gefreiter vom Dienst). Und stets gibt es Geraune, weil „Ich habe keinen Bock, am Samstag Wache zu schieben“. Nach Veröffentlichung des Wachplans konnte ich folgende Situation am „Tresen“ des Gezis beobachten.

Ähnlich ist nicht gleich

Es erscheinen zwei Mannschaftsdienstgrade und stellen sich brav auf: Mannschaft1 erklärt dem Spieß

„Herr Hauptbootsmann, ich habe da an einem Samstag Wache. Ich komme aus $Ganz_weit_in_der_Walachei_im_Süden und wenn ich Samstag Wache habe, komme ich mit der Bahn weder vorher noch hinterher nach Hause. Kann man da was machen?

Die Antwort des Spieß war: „Kriegen wir hin – ich muss mal schauen wie wir das tauschen, aber mach dir mal keine Sorgen

Mannschaft1 freut sich, bedankt sich beim Spieß und verlässt das GeZi. Auftritt Mannschaft2, der die ganze Zeit anwesend war und entspannter aussieht als beim Eintritt in den Raum. Und folgender Dialog beginnt:

„Herr Hauptbootsmann, auch ich komme aus $ganz_weit_weg und würde auch gern eine Samstagwache loswerden.“ Die Antwort des Kompaniefeldwebels „Nee, sorry, da kann ich nichts machen“ hinterließ ihn fassungslos und er erwiderte „Wieso das, bei Mannschaft1 war das doch kein Problem?“. Die Antwort des Spieß war für mich in vielerlei Hinsicht lehrreich und prägend: „Mannschaft1 ist Wehrpflichtiger, der hat sich das nicht ausgesucht hier zu sein – der wurde schlicht zwangsverpflichtet. Du bist Zeitsoldat, Du hast gewusst worauf Du dich einlässt und hast unterschrieben, Dich den Gepflogenheiten hier zu unterwerfen.“

Die Moral von der Geschichte

Der jungen Mann, der dieser Tage geklagt hat, um seinem Haarwuchs freien Lauf zu lassen, ist in der Position von Mannschaft2: Er wusste, worauf er sich einlässt. Er ist freiwillig bei der Bundeswehr – er hat erklärt „Ich will mich den gültigen Regeln unterwerfen“ (fast wie vorm Traualtar…).

Ob ich den Haarerlass gut finde oder ihn kritisiere ist sekundär. Ich bin einen Vertrag eingegangen, über den ich mich hinreichend vorab informieren konnte. Das allein rechtfertigt in meinen Augen ein „Hau ab“ vom zuständigen Gericht. Ja, es klingt hart, ich weiß, dass viele junge Menschen auch zur Bundeswehr gehen, weil sie sonst wenig berufliche Perspektiven haben.

Nachsatz – eine Art Widmung

Mein Spieß (zu meiner Zeit Hauptbootsmann – später Oberstabsbootsmann) ist eine der wenigen Personen, die mich wirklich nachhaltig beeindruckt und geprägt haben: Er war verdammt fair und versuchte, sich stets „gut“ zu verhalten. Bekam er auch sehr gut hin. Er war es auch, der mich an meinem dritten Tag im GeZi anpöbelte, weil ich wieder die Kaffeetassen spülte: „Ob ich denken würde der Chef und er wären handwerkliche Idioten. Die beiden wären problemlos in der Lage, ihre Tassen selbst zu spülen“. Von dem Moment spülte ich nur noch jeden dritten Tag und die restliche Zeit spülten meine Vorgesetzten.

Aber ich hatte eh Glück in meinem Leben mit so manchem Vorgesetzten. Hat auch nicht jeder.

Arm/Reich-Relationen und Gedanken

Seit Jahren mache ich mir Gedanken über Luxus, und das Thema „Was ist reich/arm“. Ob jemand – für einen Betrachter – reich oder arm ist, ergibt sich vor allem aus dem „ärmer/reicher-Verhältnis“ des Betrachters zu der betrachteten Person. Hat der Betrachter mehr Geld/Freunde/Glück/$Irgendwas“ so ist der Betrachtete ärmer. Hieraus ergibt sich schon einmal, dass es schwierig ist die Begriffe „arm“ und „reich“ überhaupt sinnvoll als eigenständige „Wertigkeit“ zu nutzen. Diese Begriffe bezeichnen vor allem eine Relation zu etwas. Armut und Reichtum sind also relativ.

Pflegekraft oder Fürst?

Nehmen wir einmal eine heute im Pflegedienst beschäftigte Person (es gibt auch viele andere Beispiele). Ich denke, wir werden uns schnell einig dass dieser Personenkreis recht schwach bezahlt wird und ein mehr an Einkommen und Habe verdient haben. Sie arbeiten viele Stunden schwer und unter schwierigen Bedingungen. Für erwerbstätige Personen sind sie (relativ!) arm. Wenn wir nun eine Pflegekraft mit einem Fürsten im Mittelalter vergleichen wird man zuerst feststellen wollen, dass so ein Fürst wohl besser gestellt war – er führte ein sprichwörtlich fürstliches Leben. Allerdings lebte der Fürst in weitgehend unbeheizten Unterkünften, reiste mit ziemlich unbequemen Fortbewegungsmitteln und ein Malle-Urlaub war gänzlich ausgeschlossen. Es sei denn als Abstecher bei einem Kreuzzug, aber das ist eine andere Geschichte. Der Fürst starb meist früh und von seinen 12 Kindern überlebten nur 3 die Kindheit. Dazu Kriege, Stress mit Raubritter etc. pp.. Bei näherer Betrachtung werden nur wenige heute lebende Menschen mit einem Mittelalter-Fürsten tauschen wollen. (Danke Jan für diesen Trigger). Und ja, der Vergleich hinkt, denn rein von der Stellung innerhalb der Gesellschaft war die Pflegekraft damals deutlich tiefer gestellt als der Fürst und lebte unter noch gruseligeren Umständen. Eventuell sogar als quasi Leibeigener. Na prima – Relation.

Und wenn wir alle eine Million bekommen?

Ja, wer träumte nicht davon: Was wäre, wenn ich morgen eine Million bekommen würde? OK, es gibt einige Personen die diese Gedanken mit „Dann ist mein Gehalt auf dem Konto“ beantworten. Aber um diese paar Wenige soll es nicht gehen. Was also wäre, wenn alle Menschen morgen früh eine Million auf dem Konto hätten?

Wenn eine Fee (oder ein Bankirrtum zu deinen Gunsten) für diesen Umstand sorgen, dann wäre nur eines die Folge: Wir hätten eine fiese – aber nur temporäre – Geldentwertung. Der Morgenkaffee würde 2.000 € kosten (egal wir haben es ja..) und auch der Vermieter würde partizipieren wollen und und und …. Am Ende einer gewissen Zeit würde sich das Mehrkapital bei genau dem Personenkreis sammeln, der auch heute als Endlager für Geldwerte bekannt ist. Denn der Besitzüberschuss gewisser Personenkreise würde sich nicht wirklich ändern. Die Relation arm/reich würde sich nicht wirklich ändern.

Was ist eigentlich Luxus?

Ich saß vor vielen Jahren einmal – ich war damals nach meiner Selbstständigkeit Hartz-IV Empfänger und chronisch wirklich pleite – mit ein paar Bekannten vor meinen Lieblingspub in Harburg und wir tranken Killkenny und Guiness bei Livemusik. Auf einmal – aus dem Nichts – die Fragestellung: Was ist eigentlich Luxus. Der einzige Anwesende der diesen Moment als puren Luxus empfand war ich. Denn anstelle des Treffen im Pub hätten wir uns auch irgendwo bei jemandem anderes in der Wohnung oder im Park treffen können. Dort hätten wir Killkenny und Guiness (vom Supermarkt) bei MP3-Musik gehabt – deutlich preiswerter. Also ist Pub schonmal Luxus. Oder wir hätten bei Holsten/Astra/Whatever zusammen gesessen – Killkenny und Guiness ist Luxus. Hey, das gibt doch das Billigbier von Aldi – Markenbier ist Luxus. Das Tafelwasser bei Aldi ist noch billiger als das Bier – Bier ist Luxus. Oder wir bringen uns in Wasserflaschen Leitungswasser mit in den Park – Tafelwasser ist Luxus. Und wisst ihr was – irgendwann kommt der Punkt, an dem man festhalten kann, dass selbst (sauberes!) Wasser aus der Leitung purer Luxus ist, der vielen Menschen auf diesem Planeten nicht zur Verfügung steht.

Vergleiche – helfen die mir?

Weil – wie oben bereits festgestellt – arm/reich immer eine Frage der Relation ist, muss die Frage erlaubt sein: Muss ich dies tun? Muss ich vergleichen, oder warum verdammt will/soll ich dies tun? Sind diese Vergleiche am Ende nur Krücken um mir meine Stellung in der Gesellschaft zu definieren?

Wichtig: Ich rede NICHT von Menschen, die nicht wissen wie sie ihre nächste Mahlzeit, Miete oder Arztrechnung bezahlen sollen. Ich rede von dem Personenkreis der eigentlich ein abgesichertes Leben führt und der seinen eigenen Trieb nach monetärer Anerkennung nicht realisiert. Viele von uns – so auch ich damals als Hartz-IV Empfänger – sehen nur nach „oben“ – zu den anderen. Selbst die Bessergestellten sind oftmals (nicht alle – ich kenne Ausnahmen) in dieser Jagd nach Mehr gefangen.

Die Antwort ist – in meinen Augen – einfach: Vergleiche helfen eher nicht. Entweder führen diese dazu, dass man verführt wird auf andere „herab“ zu blicken, oder man sieht nach oben und „will auch“. Reflektion – der Blick nach innen – scheint mir deutlich angebrachter zu sein. Bin ich zufrieden mit meinem Leben (enge Maßstäbe anlegen, ehrlich sein). Freunde, Kinder, der Partner – es gibt diverse Dinge die das Leben massiv bereichern können ohne auch nur einen Cent zu kosten.

Will ich Systemkritik kontern?

Nein! Um Göttinnens Willen! Natürlich muss es eine gewisse Umverteilung geben. Natürlich leben wir in massiv ungerechten Zeiten in denen Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden. Und ja, in einer Form, dass es Arme gibt, die eben nicht wissen wie sie Lebensmittel oder Kleidung für das Kind bezahlen sollen. Diese Menschen brauchen UNSERE Unterstützung. Was ich eher erreichen möchte ist dass die, denen es „gut“ geht, dieses auch realisieren. Unsere – kapitalistische – Gesellschaft steht auf dem falschen Fundament: Auf Geld. Aber Geld (finanzielle Sicherheit) sollte für alle Menschen irrelevant sein.

Was ist wirklich wichtig?

Wirklich wichtig ist doch erstmal – ganz banal:

  • Dach über dem Kopf
  • Hemd überm Arsch
  • Voller Bauch
  • Gesundheit

Wenn obiges erfüllt ist, sollte man sich umgehend um die nächsten Probleme kümmern, die nicht das Individuum sondern die Art an sich angeht:

  • Retten der Pflanzenwelt
  • Retten der Tierwelt
  • Retten des Planeten

Alles andere ist wirklich Luxus. Nice to have, kann man machen. Muss man aber nicht und vor allem sollte man dies nicht, solange auch nur einer der oben aufgeführten Punkte da negativ beeinflusst wird.