Arm/Reich-Relationen und Gedanken

Seit Jahren mache ich mir Gedanken über Luxus, und das Thema „Was ist reich/arm“. Ob jemand – für einen Betrachter – reich oder arm ist, ergibt sich vor allem aus dem „ärmer/reicher-Verhältnis“ des Betrachters zu der betrachteten Person. Hat der Betrachter mehr Geld/Freunde/Glück/$Irgendwas“ so ist der Betrachtete ärmer. Hieraus ergibt sich schon einmal, dass es schwierig ist die Begriffe „arm“ und „reich“ überhaupt sinnvoll als eigenständige „Wertigkeit“ zu nutzen. Diese Begriffe bezeichnen vor allem eine Relation zu etwas. Armut und Reichtum sind also relativ.

Pflegekraft oder Fürst?

Nehmen wir einmal eine heute im Pflegedienst beschäftigte Person (es gibt auch viele andere Beispiele). Ich denke, wir werden uns schnell einig dass dieser Personenkreis recht schwach bezahlt wird und ein mehr an Einkommen und Habe verdient haben. Sie arbeiten viele Stunden schwer und unter schwierigen Bedingungen. Für erwerbstätige Personen sind sie (relativ!) arm. Wenn wir nun eine Pflegekraft mit einem Fürsten im Mittelalter vergleichen wird man zuerst feststellen wollen, dass so ein Fürst wohl besser gestellt war – er führte ein sprichwörtlich fürstliches Leben. Allerdings lebte der Fürst in weitgehend unbeheizten Unterkünften, reiste mit ziemlich unbequemen Fortbewegungsmitteln und ein Malle-Urlaub war gänzlich ausgeschlossen. Es sei denn als Abstecher bei einem Kreuzzug, aber das ist eine andere Geschichte. Der Fürst starb meist früh und von seinen 12 Kindern überlebten nur 3 die Kindheit. Dazu Kriege, Stress mit Raubritter etc. pp.. Bei näherer Betrachtung werden nur wenige heute lebende Menschen mit einem Mittelalter-Fürsten tauschen wollen. (Danke Jan für diesen Trigger). Und ja, der Vergleich hinkt, denn rein von der Stellung innerhalb der Gesellschaft war die Pflegekraft damals deutlich tiefer gestellt als der Fürst und lebte unter noch gruseligeren Umständen. Eventuell sogar als quasi Leibeigener. Na prima – Relation.

Und wenn wir alle eine Million bekommen?

Ja, wer träumte nicht davon: Was wäre, wenn ich morgen eine Million bekommen würde? OK, es gibt einige Personen die diese Gedanken mit „Dann ist mein Gehalt auf dem Konto“ beantworten. Aber um diese paar Wenige soll es nicht gehen. Was also wäre, wenn alle Menschen morgen früh eine Million auf dem Konto hätten?

Wenn eine Fee (oder ein Bankirrtum zu deinen Gunsten) für diesen Umstand sorgen, dann wäre nur eines die Folge: Wir hätten eine fiese – aber nur temporäre – Geldentwertung. Der Morgenkaffee würde 2.000 € kosten (egal wir haben es ja..) und auch der Vermieter würde partizipieren wollen und und und …. Am Ende einer gewissen Zeit würde sich das Mehrkapital bei genau dem Personenkreis sammeln, der auch heute als Endlager für Geldwerte bekannt ist. Denn der Besitzüberschuss gewisser Personenkreise würde sich nicht wirklich ändern. Die Relation arm/reich würde sich nicht wirklich ändern.

Was ist eigentlich Luxus?

Ich saß vor vielen Jahren einmal – ich war damals nach meiner Selbstständigkeit Hartz-IV Empfänger und chronisch wirklich pleite – mit ein paar Bekannten vor meinen Lieblingspub in Harburg und wir tranken Killkenny und Guiness bei Livemusik. Auf einmal – aus dem Nichts – die Fragestellung: Was ist eigentlich Luxus. Der einzige Anwesende der diesen Moment als puren Luxus empfand war ich. Denn anstelle des Treffen im Pub hätten wir uns auch irgendwo bei jemandem anderes in der Wohnung oder im Park treffen können. Dort hätten wir Killkenny und Guiness (vom Supermarkt) bei MP3-Musik gehabt – deutlich preiswerter. Also ist Pub schonmal Luxus. Oder wir hätten bei Holsten/Astra/Whatever zusammen gesessen – Killkenny und Guiness ist Luxus. Hey, das gibt doch das Billigbier von Aldi – Markenbier ist Luxus. Das Tafelwasser bei Aldi ist noch billiger als das Bier – Bier ist Luxus. Oder wir bringen uns in Wasserflaschen Leitungswasser mit in den Park – Tafelwasser ist Luxus. Und wisst ihr was – irgendwann kommt der Punkt, an dem man festhalten kann, dass selbst (sauberes!) Wasser aus der Leitung purer Luxus ist, der vielen Menschen auf diesem Planeten nicht zur Verfügung steht.

Vergleiche – helfen die mir?

Weil – wie oben bereits festgestellt – arm/reich immer eine Frage der Relation ist, muss die Frage erlaubt sein: Muss ich dies tun? Muss ich vergleichen, oder warum verdammt will/soll ich dies tun? Sind diese Vergleiche am Ende nur Krücken um mir meine Stellung in der Gesellschaft zu definieren?

Wichtig: Ich rede NICHT von Menschen, die nicht wissen wie sie ihre nächste Mahlzeit, Miete oder Arztrechnung bezahlen sollen. Ich rede von dem Personenkreis der eigentlich ein abgesichertes Leben führt und der seinen eigenen Trieb nach monetärer Anerkennung nicht realisiert. Viele von uns – so auch ich damals als Hartz-IV Empfänger – sehen nur nach „oben“ – zu den anderen. Selbst die Bessergestellten sind oftmals (nicht alle – ich kenne Ausnahmen) in dieser Jagd nach Mehr gefangen.

Die Antwort ist – in meinen Augen – einfach: Vergleiche helfen eher nicht. Entweder führen diese dazu, dass man verführt wird auf andere „herab“ zu blicken, oder man sieht nach oben und „will auch“. Reflektion – der Blick nach innen – scheint mir deutlich angebrachter zu sein. Bin ich zufrieden mit meinem Leben (enge Maßstäbe anlegen, ehrlich sein). Freunde, Kinder, der Partner – es gibt diverse Dinge die das Leben massiv bereichern können ohne auch nur einen Cent zu kosten.

Will ich Systemkritik kontern?

Nein! Um Göttinnens Willen! Natürlich muss es eine gewisse Umverteilung geben. Natürlich leben wir in massiv ungerechten Zeiten in denen Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden. Und ja, in einer Form, dass es Arme gibt, die eben nicht wissen wie sie Lebensmittel oder Kleidung für das Kind bezahlen sollen. Diese Menschen brauchen UNSERE Unterstützung. Was ich eher erreichen möchte ist dass die, denen es „gut“ geht, dieses auch realisieren. Unsere – kapitalistische – Gesellschaft steht auf dem falschen Fundament: Auf Geld. Aber Geld (finanzielle Sicherheit) sollte für alle Menschen irrelevant sein.

Was ist wirklich wichtig?

Wirklich wichtig ist doch erstmal – ganz banal:

  • Dach über dem Kopf
  • Hemd überm Arsch
  • Voller Bauch
  • Gesundheit

Wenn obiges erfüllt ist, sollte man sich umgehend um die nächsten Probleme kümmern, die nicht das Individuum sondern die Art an sich angeht:

  • Retten der Pflanzenwelt
  • Retten der Tierwelt
  • Retten des Planeten

Alles andere ist wirklich Luxus. Nice to have, kann man machen. Muss man aber nicht und vor allem sollte man dies nicht, solange auch nur einer der oben aufgeführten Punkte da negativ beeinflusst wird.

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