Als ich – vor gefühlten 100 Jahren – bei der Bundeswehr meinen Dienst schob, gab es dort einen Oberleutnant z.S., der die Arbeit einiger Soldaten als „Wunst“ bezeichnete. Denn Kunst käme von Können – was diese Soldaten taten wurde aber ausschließlich durch das Wollen bestimmt – also war es für den besagten Oberleutnant z.S. Wunst.
An diesen Oberleutnant fühle ich mich erinnert, wenn ich einige Dinge betrachte, die sich innerhalb der Piratenpartei abspielen. Nun ist es nicht so, als wenn es bei der Piratenpartei nur Honks, Deppen und Brote gibt. WEIT gefehlt. Aber es scheint, dass die Piraten weit bürgernaher sind als alle anderen Parteien zusammen. Mit dem Ergebnis, dass sich eben auch Befindlichkeitsträger ohne Plan sowie engagierte Ahnungslose in das motivierte Volk mischen und teilweise die real statt findende, gute Arbeit sabotieren oder einfach durch Schusseligkeit bremsen.
Gott sei Dank gibt es bei den Piraten auch sehr umsichtige – ich möchte den Begriff „weise“ mal unterlassen – Menschen, die das Heft in die Hand nehmen und nicht Nach- sondern VORdenken. Sie denken bevor Sie handeln – wägen ab bevor sie in blinden Aktionismus verfallen. Aber es gibt eben auch andere. Ich möchte hier nur „Mr. Wichtig“, den „Betroffenen“ und den „Machtergreifer“ als Beispiel anführen.
Schon auf dem Bundesparteitag der Piraten im Juli 2009 rannte mir ein alter Bekannter über den Weg, der von einigen Menschen zu recht als „Mr. Wichtig“ bezeichnet wird. „Mr. Wichtig“, weil er sich selbst zu wichtig nimmt und sein handeln stets eher von Publicity und Geschäftsideen, denn von sinnvollen Taten gelenkt wird. „Mr. Wichtig“ – so musste ich erschrocken feststellen – schien ausschließlich aus einem Grund auf dem Parteitag anwesend zu sein: Er wollte unbedingt als Kandidat für die anstehende Bundestagswahl aufgestellt werden. Es ging ihm nicht um Inhalte, sondern ausschließlich um das eigene Profil.
Jemand anderes fiel mir bei einem lokalen Stammtisch auf. Ich nenne ihn mal den „Betroffenen“. Dieser „Betroffene“ hatte ein sehr persönliches – und mit viel gutem Willen ansatzweise vielleicht sogar – nachvollziehbares Problem. Um es kurz zu machen: Den gesamten Stammtisch versuchte er stets sein Problem zu thematisieren. Eine generelle Parteiarbeit war nur schwer bis gar nicht machbar, da der „Betroffene“ stets den Gesprächsverlauf wieder auf seine Thematik lenkte.
Auch etwas anderes „lernte“ ich von dem „Betroffenen“: Er drohte damit, dass all die Menschen (er war mit Leidensgenossen innerhalb eines Forums organisiert) mit denen er kommunizierte der Piratenpartei beitreten würden um dann eine Art Machtergreifung durchzuführen. Es war schon fast beängstigend, wenn es nicht so lächerlich gewesen wäre wie der „Betroffene“ damit drohte zum „Machtergreifer“ zu werden.
Sind diese – ich will sie mal global als „Störer“ bezeichnen – charakteristisch für die Piratenpartei? Die Antwort darauf fällt mir leicht: Nein! Nur leider werden eben diese „Störer“ immer besonders wahr genommen, da sie sich aus der Masse abheben.
Man kann (und muss es wohl auch) die Piratenpartei als ein junges Kind ansehen. Viele Eindrücke prasseln auf unseren Racker ein und vieles sieht bunt und interessant aus. Aber ist es nicht eine Gesetzmäßigkeit, dass sich Kinder die einmal verbrennen müssen bevor sie wissen was „heiß“ bedeutet? Ich glaube wir sollten auf das „Kind“ Piratenpartei aufpassen – es braucht uns und unsere Fürsorge. Wir müssen es vor Mitschnackern, Drogendealern und Pausenbrotdieben beschützen. Es muss erst lernen auf eigenen Beinen zu stehen.
Ich habe bewusst keine Namen genannt – weder von den (in meinen Augen) – Leistungsträgern, noch von den Gefährdern. Namen tun nichts zur Sache und nur um diese geht es: Um die Sache. ALLE Piraten sollten reflektieren, nachdenken und dann erst handeln. Es geht um sehr viel – für uns, unsere Zukunft und nicht zuletzt um unsere Kinder. Es gibt wahrlich viel zu tun, aber lasst unsere Taten Kunst werden – Wunst kann jeder.
Wie alles hier im Blog ist dies nur meine Meinung ….
So sehen die Niederungen der Politik aus, fürchte ich. Ich habe mich auch auf diversen Stammtischen herumgetrieben und mich immer mehr gewundert, wo da eigentlich Politik gemacht werden soll. Da waren Leute, die kamen ganz offensichtlich nur zum Biertrinken und Fachchinesisch-Reden. Dann waren die von Dir so treffend beschriebenen „Betroffenen“ da, zu denen ich mich zum Teil selbst zählen muss, weil es mir eben doch ab und zu darum geht, etwas zu bequatschen. Aber so insgesamt wurde eigentlich nur selten irgendwas Wirkliches beredet. Es wurden endlose Statistiken runtergebetet bezüglich Mitgliederzahlen, Finanzen etc, aber politische Diskussionen habe ich eher selten erlebt.
In der Zeit, als wir den Infostand auf dem U&D organisierten, wurde natürlich viel darüber gequatscht, aber das war auch schon so das Ergiebigste, das ich dort erlebt habe.
Ich habe mich dann erstmal ein wenig zurück gezogen, um eigene Projekte voran zu bringen. Im Frühjahr werde ich mich mal wieder etwas mehr einbringen, weil es eventuell wieder Festivalstände zu planen gibt.
Insgesamt kann ich deine Beobachtungen bestätigen. Da die PP allerdings die erste Partei ist, für die ich mich *wirklich* interessiere, weiß ich nicht, wie das bei anderen Parteien aussieht. Könnte es nicht sein, dass es auf den Stammtischen anderer Parteien genauso zugeht? Das scheint mir ganz „normales“, bescheuertes Menschengehabe zu sein.
@daMax:
Natürlich wird auf den Stammtischen auch „Buntes“ besprochen und auch mal einfach nur geklönt. Schließlich sind auch die Piraten Menschen!
Und das mit dem „Betroffen“… Ja, auch ich zähle mich zu den „Betroffenen“, die Frage ist nur, inwieweit man sich selbst in den Mittelpunkt stellt oder bereit ist erstmal zu ermitteln ob das eigene Ansinnen genügend Mitstreiter findet um Konsens zu werden. Bei Themen wie Datenschutz und Freiheit sind wir wohl alle Betroffen…
Ich weiss von einem CDU-Ortsverband in Heidelberg, dass dort nahezu ausschließlich die Schlipsträger darüber reden wie geil sie sind und wie man auch in Zukunft sich gegenseitig den Profit zuschanzen kann. Vetternwirtschaft halt. Aber ich glaube, dass auch die Grünen genau DIESES Stadium durchmachen mussten. Realos/Fundis: you remember? Und daneben wird es eine Menge Unter- und Zwischentöne gegeben haben.
Insofern ist bei den Piraten alles im Grünen Bereich – man muss sich nur klar sein wo man steht und in welcher Situation man sich befindet.
Pingback: đª]V[ªX » Links 2009-12-29
ich bin ja wirklich gespannt wann es bei den piraten richtig knallt.
meines erachtens wird es das sobald es ernsthaft um die themenbereiche wirtschaft und soziales geht, da wird nämlich vielen klar werden das jenseits der bürgerrechtsthematik der vorrat an gemeinsamkeiten übersichtlich ist.
wenn es stimmt was ich so las rekrutieren sich die piraten zu fast gleichen teilen aus linken, grünen und im weiteren sinne fdp-nahen milieus.
@westernworld:
Ja ich denke auch dass es noch „Partystimmung“ geben wird. Es sind sehr viele unterschiedliche Meinungen, die sich bislang nur an einer großen Gemeinsamkeit gefunden haben.
Auch wenn ich viele (engagierte!) Piraten kenne, deren Meinung/Ansichten/Ziele ich teilen kann, bin ich mir nicht sicher wohin der Weg gehen wird. Ich habe die Hoffnung, dass eine genügend große Menge vernünftiger (was immer das auch heissen mag) Leute langfristig den Weg vorgeben.
Aber: Wer nicht kämpft hat schon verloren. Es ist auf ALLE Fälle einen/den Versuch wert.