Veröffentlichung von Prognosen vor der Wahl
Zu dem Thema Prognosen vor Wahlen las ich der Tage in der Zeit folgendes, von dem von mir sehr geachteten Gerd Bosbach:
Wahlprognosen sind nicht nur oft falsch, sie entpolitisieren die Gesellschaft und manipulieren die Wähler. So hart es klingt: Man sollte besser auf sie verzichten.
Bosbach setzt sich in dem Artikel mit dem Einfluss von Wahlprognosen auf das Wahlverhalten der Bürger auseinander und befürchtet, dass Prognosen schlecht für die Demokratie sind:
Viele Wähler dürften angesichts der scheinbar klaren Prognosen auf das Wählen verzichtet haben oder sogar gegen ihre Überzeugung für den Brexit gestimmt haben, um der Regierung einen Denkzettel für Versagen auf anderen Feldern verpassen zu wollen. Es verzerrt Wahlergebnisse, wenn viele Menschen zu wissen glauben, wie die Wahl ausgehen wird.
Warum also nicht diese ganzen Umfragen und Prognosen einfach sein lassen? Man könnte einmal darüber nachdenken. Letztendlich gibt es nur einen sehr kleinen Personenkreis, der sich wirklich mit den Prognosen auseinandersetzt: Die Berater der Parteien/zur Wahl stehenden Personen – die „Spin-Doctors„. Wer sich über das Verhalten dieser Spezies einmal informieren möchte, dem lege ich den Film „Wag the Dog“ nahe.
Der Wahl-O-Mat
Der Wahl-O-Mat ist ja eine tolle Sache um recht umfangreich seine eigenen politischen Ansichten mit denen der bei den Wahlen antretenden Parteien abzugleichen. Allerdings birgt der Wahl-O–Mat einige Gefahren, welche das Wahlverhalten beeinflussen können:
1) Man kann seine eigenen Bedürfnisse nur mit größerem Aufwand mit allen Parteien abgleichen.
Nachdem ich in einem „sozialen Medium“ (seit wann macht man dies eigentlich?) erklärte, dass der Wahl-O-Mat mir „DIE PARTEI“ als Wahlempfehlung ausspuckte, wurde kommentiert dass jemand anderes mehr Übereinstimmung mit der MLPD hätte. MLPD? Die hatte ich gar nicht in der Auswahl. Also alles nochmal und auch bei mir war die MPLD tatsächlich vor der Partei DIE PARTEI. Bei jemand anderem war es die Partei der Humanisten. OK, die hatte ich auch nicht gecheckt. Also habe ich nochmal den Durchlauf gemacht und ja, auch wenn die Humanisten nicht auf Platz 1 waren, so doch im oberen Bereich. Daraus folgt, dass allein durch die Tatsache, dass nicht die Standpunkte aller Parteien pauschal abgeglichen werden, die persönlich favorisierten Parteien durch den Wahl-O-Mat einen Bonus bei der Auswertung bekommen.
2) Es sind nur vorgegebene Standpunkte vergleichbar
Durch die redaktionelle Auswahl der zur Verfügung stehenden Fragen ist es möglich, dass wichtige Themen komplett bei diesem Meinungsbild ausgeblendet werden. Dazu zählen derzeit Themen wie Digitalisierung, Umgang mit Lobbyisteneinfluss und vieles andere. Daraus ergibt sich, dass durch die Definition der verfügbaren Fragen die Ergebnisse der Auswertung manipuliert werden können. Dies will ich dem Wahl-O-Mat gar nicht ankreiden, es liegt in der Natur der Sache – aber es kann eine Beeinflussung der Wahlen beinhalten.
3) Das Agieren der Parteien in der Vergangenheit/Vertrauen
Politik braucht Vertrauen. Vertrauen in die Parteien ebenso wie in die Personen welche die Parteien in den unterschiedlichen Organen vertreten. Wie sagte der Herr Müntefering so entlarvend:
Daß wir oft an Wahlkampfaussagen gemessen werden, ist nicht gerecht
Nein, das ist nicht ungerecht. Es ist eine der Messlatten in der politischen Meinungsfindung. Warum sollte der Wähler bei Wahlen seine Stimme einem mehrfachen Wahlbetrüger geben? Warum sollte man einer Partei bei Wahlen seine Stimme geben, bei welcher die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass sich die die Gewählten hauptsächlich um eigene Belange oder die Belange einer kleinen Gruppe von Wählern bemühen? Dieser – nicht unwichtige Aspekt – wird von dem WAHL-O-MAT nicht bewertet.
Wie könnten Wahlen in Zukunft aussehen?
Abgesehen davon, dass man in Perspektive vor Wahlen auf Prognosen verzichten sollte, hatte ich „die Tage“ die Idee Wahlen gänzlich von den zur Wahl stehenden Parteien zu entkoppeln. Wenn die obigen, beim Wahl-O-Mat zu lösenden Probleme vom Tisch sind – so dachte ich – könnte man vielleicht ein System entwickeln, dass Menschen und Parteien anonym anhand von „Kennwerten“ ausgewählt werden. Quasi eine reine Zuordnung von Bedürfnissen des Wählers zu den Standpunkten der Parteien – inkl. Bewertung der Verlässlichkeit der Parteien in der Vergangenheit. Das Problem ist, dass der Wahlvorgang an sich sehr langwierig wird und sich sehr wahrscheinlich negativ auf die Wahlbeteiligung auswirkt. Davon abgesehen wäre dieses Verfahren nur mit EDV-Unterstützung zu bewältigen. Und EDV und Sicherheit ist ein viel zu kritisches Thema, um Wahlen auf diesen basieren zu lassen. Ich sage nur Wahlcomputer. Und zum Thema EDV und Wahlen kommt gerade – der Artikel war frisch geschrieben – eben ganz frisch Folgendes rein:
Der Chaos Computer Club veröffentlicht in einer Analyse gravierende Schwachstellen einer bei der Bundestagswahl verwendeten Auswertungssoftware. Im Bericht wird eine Vielfalt erheblicher Mängel und Schwachstellen aufgezeigt.
Tja, und damit stand ich dann wieder am Anfang. Wohin also sollte der Weg gehen? Wie können wir die politische Willensbildung und Willenserklärung optimieren? Geht das überhaupt?