Unbedingt dranbleiben, es ist nur ein Etappensieg

Die Pressemitteilung des Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zensur

Es ging schneller als bei jeder anderen Petition an den Bundestag zuvor: Innerhalb von vier Tagen haben mehr als 50.000 Bürger eine Online-Petition gegen Internet-Sperren unterschrieben. Die magische Grenze, die es der Initiatorin Franziska Heine ermöglicht, das Anliegen nun persönlich vor dem Petitionsausschuss des Bundestags vorzubringen, wurde in weniger als 90 Stunden erreicht – nicht zuletzt dank zahllosen Hinweisen in sozialen Online-Netzwerken und über den digitalen Flurfunk Twitter.

„Ich freue mich und bin begeistert, dass so viele Bürger zeigen, dass sie mit der Symbolpolitik der Bundesregierung nicht einverstanden sind. Es gibt viele sinnvolle Maßnahmen, um gegen Kinderpornographie im Internet vorzugehen. Der Aufbau einer geheimen Zensurinfrastruktur gehört nicht dazu“, sagte Heine.

Ziel ist nun, möglichst viele weitere Unterstützer zu gewinnen, um so den Bundestag überzeugen zu können, dass es bessere und effektivere Wege für Kinderschutz gibt.

„Wir wissen natürlich, dass es weder reicht, einmal im Petitionsausschuss reden zu dürfen, noch, nur im Netz Politik zu machen. Wir werden natürlich raus auf die Straße und ins echte Leben gehen und den Online-Schwung dafür nutzen“, sagte Ralf Bendrath vom populären Blog Netzpolitik.org

Mangelndes Verständnis des Internets bei der Bundesregierung ist ein Hauptargument der Sperr-Kritiker. Alvar Freude, Vorstand des Fördervereins Informationstechnik und Gesellschaft, der wie Bendrath und Heine aktiv im Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur ist, erklärt dies so:

„Man stelle sich vor, ein Zeitungskiosk würde verdächtigt, Kinderpornographie zu verkaufen. Die Bundesregierung würde ein Gesetz beschließen, großräumig Straßensperren an allen Zufahrtsstraßen zu diesem Kiosk aufzustellen. Versierte Nutzer, nämlich Fußgänger, könnten den Kiosk zwar weiterhin erreichen, aber die Bundesregierung behauptet, die Straßensperren würden den Zugang erschweren. Und die Behinderung des normalen Straßenverkehrs sei nicht so schlimm, schließlich würden dadurch Kinder gerettet. Hier ist jedem klar: Die Maßnahme ist unverhältnismäßig und besser wäre es, den Kiosk zu schließen und den Ladenbesitzer zur Rechenschaft zu ziehen. Ähnlich verhält es sich mit den geplanten Internet-Sperren. Da die Verbreitung über Server in den USA und Westeuropa einschließlich Deutschland geschieht, wäre es ein Leichtes, diese abzuschalten, anstatt eine unwirksame Sperre zu erzwingen. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, die Bedenken der Experten endlich ernst zu nehmen und effektiv gegen Kindesmissbrauch vorzugehen anstatt internetfeindliche Symbolpolitik zu betreiben.“

In den letzten Tagen war der Widerstand gegen die vielfach kritisierten Netz-Sperren deutlich gestiegen. Seit gestern gibt es in Bayern das Forum „Provider gegen Kindermissbrauch im Internet“, in dem sich Internetanbieter zusammengeschlosen haben, die sich für effektivere und bürgerrechtsfreundlichere Wege zur Verhinderung von Kindesmissbrauch im Netz einsetzen. Auch der Verein „Trotz Allem“, der weibliche Missbrauchsopfer berät, hatte am Mittwoch in einem offenen Brief an Frau von der Leyen Internetsperren deutlich abgelehnt.

Pressekontakt / Nachfragen:
Alvar Freude
presse@ak-zensur.de
(01 79) 13 46 47 1

Über den Arbeitskreis gegen Internet-Sperren (AK Zensur):

Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur (AK Zensur) spricht sich gegen die von der Bundesregierung geplanten Internetsperren aus und fordert eine effektive Bekämpfung von Kindesmissbrauch anstatt einer Symbolpolitik, die nur das Wegschauen fördert, den Opfern nicht hilft und dafür die Grundrechte der Allgemeinheit einschränkt. Er koordiniert die Arbeit der Sperrgegner, freut sich aber gleichzeitig über die vielen Aktivitäten, die dezentral on- und offline stattfinden.
Dem AK Zensur gehören unter anderem an: der Chaos Computer Club, der FoeBuD e.V, der Förderverein Informationsrechnik und Gesellschaft e.V. (FITUG), das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF), die MissbrauchsOpfer gegen InternetSperren, netzpolitik.org und die Online-Plattform ODEM.org.

Was unterscheidet deutsche von skandinavischen Internetsperren?

Bei MrTopf las ich gerade den Mitschnitt des Bundestagsberatung zum Thema “Bekämpfung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen”. Was mit auffällt ist, dass dort wiederholt von der überragenden Zustimmung zu den umgesetzten Gesetzen in den skandinavischen Ländern die Rede ist. Ich habe keine Quellen bezüglich der erwähnten Zustimmung, aber ich sehe dass diese Zustimmung hier in Deutschland doch sehr fraglich scheint. Daraus ergibt sich für den Hinterfrager in mir die Problemstellung: Warum scheinen die Skandinavier eher der Sperre zuzustimmen als die Deutschen?

Die Antwort – die mir als erstes einfällt – wirft ein sehr, sehr trauriges Bild auf unser System, denn die antwort lautet: Weil die Skandinavier ihrer Regierung und ihren Behörden anscheinend deutlich mehr Vertrauen schenken, als wir Deutschen es bei unserer Regierung tun. Wie bitter sollte dies für beide beteiligten Parteien – Bürger und Regierung – sein? Ich schreibe bewusst „sollte“, denn ich habe nicht erst seit heute das gefühl, dass „die da oben“ mittlerweile jegliche Bodenhaftung und das Gefühl für das Leben und die Bedürfnisse des normalen Bürgers lange verloren haben.

Unsere Politiker werden nur noch von Lobbyisten und dem Stimmenfang für die nächsten Wahlen angetrieben. Entweder sind die Politiker, die wirklich mit guten Gewissen und aus Überzeugung versuchen das Beste für die Bevölkerung zu tun ausgestorben, oder sie werden in den politischen Prozessen so klein gehalten, dass sie mit Sicherheit nichts „anrichten“ können. Da ist es doch wichtiger, dass die eigene Familie Agrarsubventionen bekommt (mal nach Agrarsubventionen und „von der Leyen“ googlen – aber vorsicht, es besteht die Gefahr sich zu übergeben), als vernünftige Familienpolitik zu betreiben. Aber Zensurulla ist beileibe kein Einzelfall. Das Problem scheint zu sein, dass sich der Filz aus Politik, Lobbyarbeit und persönlicher Vorteils offensichtlich nicht
mehr entflechten lässt 🙁

Zum Vertrauen siehe auch hier