Nachdem ich als letztes meinen Unmut über die Eskalationsbereitschaft der G20-Gegendemonstranten bloggte hat sich nun die Polizeiführung der Hansestadt Hamburg einen Blogartikel verdient. Denn wir scheinen tatsächlich auf dem Weg zu einem Polizeistaat zu sein.
Vorgeschichte:
Auf Entenwerder, einer kleinen Elbinsel die ansonsten als kleines Naherholungsgebiet genutzt wird und bei Hochwasser auch mal von der Elbe überspielt wird, wurde ein genehmigtes Protestcamp der G20-Gegner aufgebaut. Genehmigt wurde dieses Camp (nach einigem gerichtlichen Hin und Her) von dem Verwaltungsgericht in Hamburg. Das Urteil vom 01.07.2017 findet ihr hier. Dies ist die letzte richterliche Bewertung bezüglich des Camps.
Was ist am 02.07.2017 passiert?
Am 02.07.2017 entschloss sich die Polizeiführung das Camp zu stürmen, weil dort „Schlafzelte“ aufgebaut worden seien. Insgesamt seien es wohl 10/11 als Schlafzelt nutzbare Zelte gewesen, die dort von Versammungsteilnehmern aufgebaut worden sind. Zu dieser Zeit hatte das Urteil des Verwaltungsgerichts noch Bestand! Natürlich kann ein Urteil durch die Entscheidung einer höheren Instanz aufgehoben werden. Solange dies aber nicht der Fall ist gibt es eine klare Rechtssituation.
Was schließen wir daraus?
Wenn die Polizeiführung, welche letztendlich für die Einsätze der Polizei zuständig zeichnet, eine richterliche Entscheidung nicht anerkennt, stelle ich mir die Frage wer in Deutschland für das Recht zuständig ist und wer als Hilfskraft der Staatsanwaltschaft für die Durchsetzung des Rechts zuständig ist. Kurz: Wer ist Oben und wer ist Unten? Wenn sich selbst die Polizei über richterliche Anordnungen hinwegsetzen darf, wer sichert dann die Durchsetzung des Rechts? Ich möchte mal eben den Art. 20 des Gundgesetz zitieren:
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Was genau steht da? „die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden“. Daraus ergibt sich, dass sich die Polizei (als vollziehende Gewalt) an das Recht (Richterliche Gewalt) zu halten hat. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Punkt (4), der es – bei knallharter Auslegung des Grundgesetzes – JEDEM Deutschen ermöglicht gegen diese Art von Polizeimaßnahmen vorzugehen. Da eine richterliche Anordnung nicht eingehalten wird, frage ich mich was denn noch für Möglichkeiten bestehen? Ich muss da unmittelbar an den §32 STGB denken:
(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Ein anderer Aspekt:
Die Argumentation der Polizeiführung (Zitat des Polizeisprechers) für diesen Einsatz war – laut Morgenpost:
Zills Begründung für die Räumung: „Wir gehen davon aus, dass ein zentrales Übernachtungscamp mit 3000 Zelten für 10.000 Menschen auch von militanten Autonomen genutzt werden würde. Wir werden keinen Rückzugsort für Straftäter erlauben.“
Mit eben diesem Argument müsste man sämtliche Hotels und Pensionen, öffentliche Campingplätze sowie Einkaufszentren, Kino etc. schließen. All diese Orte könnten „militante Autonome“ als Rückzugsort nutzen. Und was ist mit privaten Rückzugsmöglichkeiten? Müsste man nicht – wäre man Konsequent – nicht auch sämtliche Hamburger auffordern ihre Wohnungen zu verlassen? Es könnten sich ja „militante Autonome“ auch in die Wohnung von Tante Frieda, Onkel Herbert oder dem Kumpel Klaus zurückziehen.
Liebe Polizisten aus Deutschland und der Welt,
die ihr dieser Tage in Hamburg eingesetzt seid: Ich gehe ganz fest davon aus, dass die wenigsten von euch Prügelknechte eines Polizeistaat sind oder sein wollen. Bitte lasst euch von euren Vorgesetzten nicht zu solchen machen! Ich kennt doch bestimmt das Bundesbeamtengesetz (BBG) – oder? Schaut doch mal eben in den §63 (Verantwortung für die Rechtmäßigkeit) – dort findet ihr folgendes:
(1) Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich bei der oder dem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn ihre Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit fortbestehen, an die nächsthöhere Vorgesetzte oder den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtinnen und Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen.(3) Verlangt eine Vorgesetzte oder ein Vorgesetzter die sofortige Ausführung der Anordnung, weil Gefahr im Verzug ist und die Entscheidung der oder des höheren Vorgesetzten nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.
Na, merkt ihr etwas? IHR seid (jede/r Einzelne!) für die eure Tätigkeiten verantwortlich. Ihr tragt persönlich die Verantwortung für euer Handeln, solange ihr euch nicht nächsthöher beschwert habt und – Rechtssicherheit!, rettet euren Arsch – die Bestätigung eurer Beschwerde schriftlich vorliegen habt. Wäre das ein Spaß, hunderte von Beschwerden die dort bestätigt werden müssen. Sind noch ein paar Berliner in Hamburg eingesetzt? Habt ihr noch einen Groll wegen der Rücksendung eurer drei Hundertschaften? JETZT könnt ihr den Hamburgern mal zeigen, dass ihr Eier(stöcke..) habt. Ihr seid Diener des Staates, nicht der Polizeiführung! Sicherlich kann es sein, dass ihr im Dienst Probleme bekommt, wenn eure Vorgesetzten „am Rad drehen“. Aber was ist es euch wert, euch morgens im Spiegel selbst ins Gesicht sehen zu können?
Zusammenfassung:
Alle bekloppt! „Demonstranten“ die man eher als marodierende Randalierer bezeichnen müsste, da sie eine Stande für die „normalen Meinungssager“ sind sowie eine Polizeiführung, die sich über das Recht hinweg setzt und auf dem Weg zum Polizeistaat ist. „Alle in einen Sack und mit dem Knüppel oben drauf – trifft immer den Richtigen“ pflegte meine Frau Mama früher zu sagen. An diesen Satz muss ich jetzt gerade denken.
Eine persönliche Nachricht an den Kuschelpunker. Bin ich noch der, den Du zu kennen glaubst? *gggggggg*
Nachtrag zur Vollständigkeit: In der Nacht zum Montag hat es einen weiteren Beschluss gegeben, WANN genau dieser gefasst wurde, ist mir nicht bekannt. Dem Fax ist nur zu entnehmen, dass es am 03.07.2017 um 01:01 gesandt wurde. Dieser Beschluss lag mir zur Zeit der Erstellung obigen Artikels noch nicht als Quelle vor. In diesem wird das Aufstellen von Schlafstellen tatsächlich untersagt.