Persilschein für Piraten?

Meine schizophrene Einstellung zu den Piraten habe ich schon mehrfach thematisiert und wieder schaffen es die Freibeuter der Politik ihre eigenen Ansprüche mit den Füssen zu treten.

Als ein alter Hase in Sachen elektronischer Kommunikation ist es für mich eine soziologische Gesetzmässigkeit, dass Menschen ab einem gewissen Grad Anonymität anfangen die Sau raus zu lassen. Wer das Usenet kennt, wird mir zustimmen, dass Menschen ohne Namen dazu neigen zu trollen und jedwede konstruktive Arbeit zu behindern oder gar zu blockieren. Nicht umsonst gilt immer noch der Spruch „Dazu stehe ich mit meinem Namen“.

Anonymität und ein Recht auf diese hat Sinn, unbestritten! In Momenten, in denen Menschen sich eventuell in einer Opferrolle befinden können. In diesen Bereichen soll Anonymität vor Folgeschäden und Nachstellungen schützen. Aber im normalen Leben brauche ich keine Anonymität vor den Menschen mit denen ich gemeinsam etwas erarbeite.

Im normalen Zusammenleben allerdings möchte ich mich aber lieber mit verifizierbaren Menschen, als mit „Hurselpeter25“ oder „Pirouettenweib12“ austauschen. Menschen über die ich mich mit anderen austauschen kann, und dabei sicher bin, dass wir uns nachweislich über die selbe Person unterhalten. Gerade in der Politik ist dies absolut wichtig.

Was wäre, wenn sich die Familienministerin Zensursula nennt und – nachdem sie Arbeitsministerin – wurde ihren Nicknamen in Bienenwachse ändert? Ist sie auf einmal ein anderer Mensch geworden? Darf ein Mensch mit politischer Verantwortung seine „dunkle“ Vergangenheit einfach abstreifen?

Oder wird die Piratenpartei mit ihrem (in meinen Augen) Anonymitätsschwachsinn zu einer FDP der Nerds, in der ehemalige Verbrecher schwuppdibupp auch Ehrenvorsitzender werden dürfen. Gerade wir Deutschen sollten zu unseren Altlasten stehen. Wir haben eine Geschichte, die uns lehren sollte dass man auch zu den taten der Vergangenheit stehen sollte. Wie könnte ein Pirat kritisieren, dass z.B. Altnazis den Verfassungsschutz aufbauten, wenn heute Instrumentarien der Reinheit aufgebaut werden.

Nur wer keine weisse Weste hat, braucht ein Recht auf Persilschein.

Liebe Piraten, ihr solltet aufpassen, wen ihr in eure Reihen aufnehmt – es sind jetzt schon zu viele Trolle und Wichtigtuer unter euch und nur diese brauchen die Anonymität in diesem Zusammenhang.

5 Gedanken zu „Persilschein für Piraten?

  1. Übertreibst du nicht ein wenig? Ich stimme zwar grundlegend Frank Riegers Eintrag zu diesem Thema zu, aber den folgenden Absatz finde ich schwierig:

    Als ein alter Hase in Sachen elektronischer Kommunikation ist es für mich eine soziologische Gesetzmässigkeit, dass Menschen ab einem gewissen Grad Anonymität anfangen die Sau raus zu lassen.

    Ist das wirklich so? Ich benutzte nicht ständig Anonymisierungsdienste, insofern bin ich womöglich über meine IP identifizierbar; eine Möglichkeit der Identifizierbarkeit, auf die bisher nur wenige Zugriff haben dürften. Dennoch bemühe ich mich, beispielsweise in Blogkommentaren nicht zu trollen – auch wenn der eine oder andere launig Kommentar darunter sein mag (und mittlerweile schreiben andere Leute Unsinnskommentare unter meinem Namen: der Preis der Anynomität).

    Es ist also eher die Pseudonymität, auf die es ankommt. Das bedeutet, dass meine Identitäten untereinander keine Verbindungen aufweisen, sie also einander nicht zuzuordnen sind, ich aber innerhalb einer Identität durchaus ein Interesse daran habe, ihren Ruf beispielsweise dadurch, dass ich nicht trolle, nicht zu schädigen.

    Allerdings ist Pseudonymität ohne Anonymität unmöglich. Insofern räume ich der Anonymität einen weit höheren Stellenwert ein, als es in deinem Eintrag durchklingt.

    • Sicher gibt es Ausnahmen, die sich auch unter einem Pseudonym zu benehmen wissen. Wenn Du dich mit alten Netnews-Hasen unterhältst wirst Du von diesen aber ähnliche Erfahrungen berichtet bekommen wie von mir. Da bin ich mir ganz sicher.

      Umso anonym, desto troll. Ist leider so und Ausnahmen haben die Regel 🙂

    • „Allerdings ist Pseudonymität ohne Anonymität unmöglich“ – nö, ich bin seit Jahren auch unter einem Pseudonym unterwegs – aber jeder weiß (oder kann problemlos rausfinden) wer hinter diesem – oder soll ich sagen „zu diesem“ Pseudonym steht. Ja, ohne Pseudonyme ist Anonymität nicht möglich, und es gibt Orte & Fälle, in denen Anonymität quasi lebenswichtig sein kann. Aber wir leben in DE und nicht im Iran, und Politik ist etwas öffentliches, wer hierzulande keine öffentliche Meinung so vertritt, dass ich auch sehen kann, wer sie vertritt, den kann ich nicht Ernst nehmen, denn den muss ich für einen Paranoiker halten. Wie gesagt: wir leben hier nicht im Iran, egal, wie sehr hier auch Bürgerrechte beschnitten werden, es ist immer noch kein Vergleich und jegliche Behauptung, es sei hier schon ähnlich verhöhnt die, die in echten Unterdrückungssystemen versuchen ihren Mund aufzumachen.

      Und wenns kein Paranoiker ist, warum will er dann nicht zu dem stehen was er sagt? Angst vor Konsequenzen muss man ja nur haben, wenn man Dinge sagt, die eine Veruteilung, juristisch oder moralisch, nach sich ziehen. Von Trollereien, über Beleidigungen bis zu z.B. rassistischen Aussagen.

      Ja, jeder hat das Recht, dennoch anonym zu bleiben. Aber ich habe dann auch das Recht und nehme es mir auch, solche Leute nicht Ernst zu nehmen oder gar ihnen nicht zu vertrauen und ihre Meinungen zu ignorieren. Nicht erst, weil sie sagen, was sie sagen, sondern weil sie nicht sagen, wer das sagt.

      • Ich schrieb bereits, dass es Bereiche gibt in denen Anonymität absolut wichtig und richtig ist.
        Ich schreibe hier auch unter einem Pseudonym, aber jeder weiss wer ich bin (oder kann es ohne grossen Aufwand herausfinden). Diese Offenheit, was meine Person angeht, führt dazu dass ich mich bewusster äussere. Natürlich gibt es Dinge die ich hier auch bewusst NICHT mitteile, dies ist aber auch OK.
        Den Bereich „Dein Arbeitsgeber kann sehen welche Meinung Du hast“ kann ich nur mit einem „Ja und“ beantworten. Wenn ich bei KiK einen Betriebsrat gründen will, ist Anonymität OK – aber ich will und kann auch zu meiner Meinung stehen. Sowohl beruflich wie privat.

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