Die Piratenpartei und das rechte Problem

Lange genug habe ich mir die Diskussionen angesehen und angehört, ich habe auch mehrere Nächte darüber geschlafen und nun muss meine Meinung einfach raus. Ich weiss, es ist ungemein gefährlich etwas zu diesem Thema zu formulieren. Schon das gesprochene Wort kann dazu führen, dass man in der Luft zerrissen wird, schriftliche Aussagen sind ungleich gefährlicher. Ich versuche es dennoch – ich brauche ein Ventil.

Wie groß ist das Problem das die Piratenpartei mit Personen mit rechten Hintergrund hat?  Aus meinem Blickwinkel ist das Problem der Piratenpartei nicht grösser, als das gesellschaftliche Problem mit „rechts“ in Deutschland generell. Eher würde ich es (oha, ich relativiere – SEHR gefährlich!) als kleiner einschätzen, als es im Bundesdurchschnitt ist. Daraus den Schluss abzuleiten, dass die Piratenpartei frei von Personen mit rechtem Gedankengut ist, wäre sicherlich falsch. Im Gegensatz zu diversen deutschen Stammtischen und anderen formellen und informellen Zusammenschlüssen steht die Piratenpartei aber unter penibler – nicht zuletzt interner(!) – Beobachtung.  Jeder Aussage eines „Piraten“ wird geprüft und bewertet. Wenn auch nur der Verdacht von rechter Gesinnung hinter einer Aussage steht, wird dies thematisiert. Um einmal den Herrn Wowereit mit einem seiner grössten Sätze zu zitieren: „Und das ist auch gut so“. Gibt es dieses kritische Regulativ auch an Stammtischen? Nein, dort wird – teilweise – unwidersprochen gegen Ausländer gehetzt, weil keine Kritiker sofort thematisieren und kritisieren.

Ich freue mich, dass wir Piraten – in vielerlei Hinsicht – kritisch sind und Misstände nicht unter den Teppich kehren oder hinter verschlossenen Türen diskutieren. Was uns teilweise fehlt ist das Fingerspitzengefühl. Nicht jede Aussage die man als „kommt aus der rechten Ecke“ bezeichnen kann, enttarnt einen Nazi. Wenn ich den NSDAP-Vergleich von Martin Delius betrachte, so würde ich Martin nicht als Rechts klassifizieren, höchstens als – in diesem Fall! – als ungeschickt bis dumm. Was sollte man mit Menschen tun, die etwas dummes sagen: Man spricht sie darauf an, gibt ihnen die Möglichkeit ihre Dummheit zu erkennen und sich zu bessern.

Marina Weisband hat in ihrem Blog einen Aussage getroffen, die ich hier wiedergeben und unterschreiben möchte:

Nazis einfach aus allen Parteien auszuschließen oder politisch zu isolieren ist nicht die ganze Lösung des Problems. Dadurch geht es nicht weg. Wir müssen uns als Gesellschaft (nicht als Partei!) um diese Menschen kümmern, sie bilden, sie bekanntmachen, ihnen erklären. Wir müssen ihnen immer einen Rückweg offen lassen. Sie treffen die Entscheidung.
Viele haben rechte Ansichten aus ihrem Elternhaus oder von ihren Schulfreunden mitbekommen. Wir dürfen diese Menschen nicht ohne Kampf dem Hass überlassen. Aber gegen die Ansichten, die sie vertreten, müssen wir erbarmungslos sein. Denn wir sind besser als die Nazis, wenn wir bestimmte Ideen ausgrenzen.

Das wahre Problem ist das rechte Gedankengut. Menschen können geläutert werden, sollten geläutert werden. Aber nicht nur rechtes, sondern auch fremdenfeindliches, Menschen verunglimpfendes – oder anders geartet nicht dem piratigen Konsens entsprechendes – Gedankengut gilt es zu erkennen und zu thematisieren. Auch auf unserem kleinen Bezirksstammtisch ist es bereits vorgekommen, dass ein Teilnehmer eine Aussage traf, die ich so nicht im Raum stehen lassen wollte (es ging nicht um rechts, sondern um Migranten). Ich sprach es an und stellte fest: Da hat sich jemand vergallopiert, ist in die Falle der öffentlichen Meinungsmache hineingetappt. Manche Begrifflichkeiten gelten im Sprachgebrauch als normal ohne dies aber zu sein. Man muss dann aufklären und versuchen ob die Person diese Aussage – siehe oben – aus Überzeugung oder Dummheit so formulierte. War es Dummheit: Lehrt den Menschen, macht ihn selbstkritischer und gibt ihm die Möglichkeit sich zu verbessern.

Ich erinnere mich nur ungern an die Dummheiten, die wir Schulkinder damals auf den Schulhöfen wiedergaben. (Nicht nur) Ich war unkritisch, fand Dinge lustig ohne zu reflektieren, was hinter den dummen Sprüchen stand. Heute – ca. 40 Jahre später – schäme ich mich dafür, aber ich habe gelernt, bin (selbst)kritischer.

Lasst uns zwischen Mensch und Meinung differenzieren und weiter alle Probleme offen ansprechen und an ihnen arbeiten. Aber lasst es uns bitte-bitte-bitte ohne Shitstorm versuchen, wenn dieser nicht nötig ist. Lasst uns nicht wegschauen und nicht unter den Teppich kehren, aber lasst es uns möglichst sachlich tun. Wirklich wichtig ist, dass wir diese Problembären erkennen und ihnen keine Plattform und noch viel weniger ein Amt geben.

So und nun warte ich – nach der Veröffentlichung dieses Blogposts – ab, ob und wann auch ich daneben griff und meinen eigenen Shitstorm auslöse.

12 Gedanken zu „Die Piratenpartei und das rechte Problem

  1. Ich bin mir nicht sicher, es bei den Piraten nicht doch mehr Rechte gibt, als bei den anderen Parteien – einfach darum, weil die Rechten in einer neuen Partei einfach mehr Möglichkeiten sehen, etwas zu bewegen und gehört zu werden, als in einer älteren Partei. Dieses Problem hatten mW die Grünen damals auch.
    Aber, und da bin ich absolut bei dir, sind die Piraten, absolut keine rechte Partei. Aber eine Partei, die sich finden muss, die sich zurecht finden muss, die die richtigen Worte finden muss (Delius).
    Was mir fehlt und dazu führt, dass ich leicht sauer bin, ist ein klares Statement der BuVo und LaVo gegen Rechts. Und zwar (hier bin ich eher angek-tzt) ohne diese ganze relativierende Abgrenzung von Linksradikalten und sonstigen Extremisten.

  2. Also ich habe auch scgon rechtes Gedankengut „bei den Piraten“ erlebt, aber ich habe auch immer (!) erlebt, dass mit diesen Gedanken keiner wirklich Fuß fassen kann. Die Reaktion der „Umstehenden“ war immer Augenverdrehen, betretene Blicke, Schweigen etc. Ich hatte nie das Gefühl, dass Nazis wirklich eine Chance bei den Piraten haben.

    Genau das schreibst du ja auch. Deshalb finde ich höchstens den Titel dieses Postings etwas irreführend, denn eigentlich willst du uns doch sagen, dass die Piraten eben KEIN rechtes Problem haben, oder?

  3. Das Problem bei der Piratenpartei ist meiner Meinung nach auch nicht unbedingt ein größeres Naziproblem – das haben andere Parteien in ähnlicher Form auch – sondern die naive Reaktion darauf. Über Rassismus kann man nicht debattieren, denn Rassismus geht davon aus, einige der Grundprinzipien unserer Gesellschaft fundamental in Frage zu stellen. Wir können vieles in Frage stellen, aber nicht über die zentralen Menschenrechte.

    Das weitere Problem ist die Art und Weise, wie manche Piraten über ihre vorlaute Klappe stolpern. Die Parteienwelt ist nicht lieb, zärtlich und verständnisvoll, hier ist es rau und hart, sicherlich in vielen Fällen auch verlogen und hinterlistig. Aber wenn Meinungen aufeinanderprallen und am Ende ein Ergebnis herauskommen muss, geht es schlicht nicht anders. Es wäre an der Zeit, wenn die Piraten anfangen, das zu begreifen und ihre Kommunikation dementsprechend überdenken. Jedesmal wie der Ochse vorm Berg zu stehen und zu alternieren, dass ja das „alte System“ so schlecht sei und man im „neuen System“ frei sagen dürfen soll, das lutscht sich auf Dauer sowas von ab und macht die Wählbarkeit der Piraten nicht wirklich besser.

    • Ich glaube die grundprinzipien unserer gesellschaft koennen es aushalten, in frage gestellt zu werden. Schliesslich haben sie diesen status nicht zufaellig, sondern weil sie eben gut und richtig sind und es dafuer sehr gute gruende gibt. Wenn jemand zu bloed oder ungebildet ist, diese gruende zu kennen oder zu verstehen, dann sollte man sie ihm erklaeren, auch wenn’s traurig ist.
      Und man sollte herausfinden, warum ihm das nicht bereits klar war und dann auch daran arbeiten, damit diese elementare bildung und wertevermittlung in zukunft besser funktioniert.

      Alles gute,
      rob

  4. Pingback: Die wunderbare Welt von Isotopp

  5. Ich glaube, es greift etwas zu kurz, wenn wir die Piraten isoliert betrachten. Die Grünen wurden schon erwähnt, und auch die CDU hatte in ihrer Gründerzeit mehr als genug „geläuterte“ Ex-Nazis in ihren Reihen.

    Und auch jetzt gibt es fragwürdige Aktionen in dieser Richtung. Zitat aus http://www.tagesschau.de/kommentar/frankreich490.html

    „Dass aber ihr Innenminister Friedrich gemeinsam mit Sarkozys rechtem Law-And-Order-Mann Guéant zwei Tage vor der Wahl einen von rechter Souveränitätsrhetorik nur so triefenden Brief zum Schengen-Abkommen an die dänische Ratspräsidentschaft schreiben lässt, das ist gefährliche Anpassung. Anpassung an Marine Le Pens menschenverachtende Rhetorik.“

    Und jetzt ersetze mal Friedrich durch Piratenpartei, evtl. Sebastian Nerz. Das hätte wieder einen Aufschrei gegeben, aber von der CSU ist man sowas schon gewohnt, das interessiert niemanden mehr. Dabei müsste die CDU/CSU genauso hart was vor den Bug kriegen, wie es die Piratenpartei oder jeder andere kriegen würde.

    Und nicht immer nur nach rechts zeigen, die Aktion mit dem Glückwunsch-Brief der Linken für Fiedel Castro war auch unnötig.

    Wir sollten uns gegen extremistisches / „falsches“ Gedankengut wehren, egal von welcher Partei oder aus welcher Ecke es kommt.

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