Schüler habens drauf und die Politiker stehen da wie der „dumme August“

Nach jedweder Gewalttat schreien die berufsbetroffenen aus Politik und Gesellschaft nach mehr Überwachung, mehr Kontrolle und mehr Sicherheit. Am besten sollte jedes Individuum (an Menschen wird von denen nicht gedacht – das wäre kontraproduktiv) in einer Ein-Personen-Zelle vegetieren, welche 24/7 totalüberwacht ist. Oder gleich in Brutzellen, wie in der Matrix – hätte auch etwas.

Der Bezirksschülersprecher von Mittelfranken, Marcel Kieslich, wird vom Spiegel wie folgt zitiert:

Es sind die falschen Forderungen findet Marcel Kieslich, Bezirksschülersprecher von Mittelfranken. „Videoüberwachung, Sicherheitsschleusen oder schusssichere Türen, das schützt uns doch nicht vor neuen Amokläufen“, sagt der 19-Jährige.

„Die Frage ist doch, wie kann es passieren, dass sich ein Mensch so sehr ausgeschlossen fühlt, dass er zu solch einer Tat fähig ist?“ Kieslich will von den Verantwortlichen daher keine Vorschläge hören, welche Maßnahmen während eines Amoklaufs die Schüler besser schützen, sondern was im Vorfeld getan werden kann. Nur mehr Schulpsychologen zu fordern, sei zu wenig. „Das ganze Schulsystem muss überdacht werden“, sagt der Schülervertreter.

Was Marcel Kieslich bei seinen Worten nicht bedenkt sind drei Dinge:

  1. Es geht den Überwachern nicht um ALLE Kinder, sie fürchten nur um ihre eigene Sicherheit – zu der die ihrer eigenen Kinder zählt.
  2. Jegliche Standardüberwachung kann man ohne gross nachzudenken auch in anderen Bereichen, wie Behörden, Krankenhäusern etc. einsetzen. Differenzierte Massnahmen für die Schüler sind kostenaufwendiger.
  3. Nur in einem Klima der Angst (technisch untermauert) kann weiterhin die Gesellschaft im Sinne der „Mächtigen“ manipuliert werden. Selbstbewusstsein ist da fehl am Platze.

Ich will ja nicht behaupten, dass Marcel Kieslich falsch liegt. In meinen Augen hat er das Problem auf den Punkt gebracht, nur ist diese Forderung nicht neu. Man fragt sich nur, warum diesbezüglich nichts geändert wird. Unsere Kinder werden durch die Verkürzung der Schulzeit (schnell lernen!) und durch grössere Klassengemeinschaften nicht gefördert. Auch die steten Streichungen im Bildungssetat sprechen eine deutliche Sprache.

Solange wir unseren Kindern nicht zeigen, welchen Wert sie für uns haben, wird sich nichts an der generell schlechten Situation ändern. Nur mit Achtung und Förderung schafft man Kinder und Heranwachsende, die selbstbewusst und frei leben. Nur wer das gefühl hat, einen Wert darzustellen kann auch anderen einen Wert zubilligen.

7 Gedanken zu „Schüler habens drauf und die Politiker stehen da wie der „dumme August“

  1. Der erste Absatz des Zitats ist eben die Wahrheit.

    „Im Jahr 2008 wurden in Deutschland nach vorläufigen Ergebnissen 4 467 Menschen im Straßenverkehr getötet.“ (statistisches Bundesamt)
    Bitte um dämliche Wahlkampf-Forderungen gegen dieses Problem, scheint mir ein wenig schlimmer als „Amokläufe“.

  2. Die zwölfjährige Schulzeit bis zum Abitur ist anderswo durchaus Standard. Das ist grundsätzlich auch für deutsche Schüler machbar. Dazu müsste in Deutschland aber das Lippenbekenntnis von der Wissensgesellschaft zu einer tatsächlich umgesetzten Bildungspolitik werden.

    Also (nicht nur im Bereich des Abis): Lehrpläne entrümpeln, Lehrmethoden verändern und, was ich für ganz wichtig halte, Klassen erheblich verkleinern. Bei Frequenzen von 30 bis 35 Kindern/Jugendlichen kann das nichts werden, wobei mich der Gedanke umtreibt, dass es eigentlich nichts werden soll. Wenn der Bildungsstand, wie immer wieder dahergesagt, steigt, findet sich doch niemand mehr für den vielgepriesenen Niedriglohnsektor.

    Hach, ein Teufelskreis. Da ist es doch einfacher, gelegentlich einen Anschlag hinzunehmen.

  3. Und in 50 Jahren kommt dann raus das diese Amokläufer in Wahrheit von der Regierung „bezahlte“ Selbstmordattentäter waren 😛
    Ich bin eher der Meinung das man die Menschen in Deutschland dumm halten will weil sich ein dummes Volk leichter regieren lässt. Außer natürlich die privilegierten die sich Nachhilfe Lehrer etc leisten können.
    Amokläufe sind perfekt kann man so doch „Killerspiele“ verdammen/verbieten, schärfere Jugendgesetze fordern bis man alle Kinder und Jugendlichen „formen“ kann. Das alles natürlich auf freiwilliger Basis zum Schutz der Kinder und Jugendlichen *hust*

  4. All dies – wegsehen und weghören, verleugnen und verdrehen, kleinreden, lügen und dann mit populistischen Patentrezepten jede Diskussion platt walzen – dient letztlich nur, die Kinder und Jugendlichen zu konditionieren, damit sie einsehen, wie Politik funktioniert: das Volk hat die Klappe zu halten, denn es versteht sowieso nichts davon.

    Gab es nicht auch in Erfurt und Winnenden Schülerinnen und Schüler, die die Notwendigkeit einer breiten Diskussion gesehen und sie von den Politikern gefordert haben? Man hat sie in den Medien totgeschwiegen (ein ergreifender Trauergottesdienst, der macht sich voll supi auf dem Titelblatt, aber dann haben die Opfer gefälligst Ruhe zu geben und das Anzeigengeschäft oder den Wahlkampf nicht mehr mit ihrem Betroffenheitsgedusel zu stören), man hat nicht einmal kapiert, dass sie damit ein Gesprächsangebot gegeben haben, das, was man eigentlich von der Politik hätte erwarten können. Sie haben ihnen die Tür vor der Nase zugeschlagen. Weil sie nur in bürgernahen Momenten zu Worthülsen wie „Das sind unsere Wähler von morgen!“ greifen und nicht verstehen: das ist die Gesellschaft von heute. Das sind die Menschen, für die sie Verantwortung tragen, um sie zu Demokraten zu erziehen, die selbst Verantwortung übernehmen können für sich und andere.

    Sie dressieren diese Generation; sie lehnen jede Beteiligung der Demokraten an der Demokratie ab und wollen Menschen abrichten, denen der Widerspruch nicht auffällt – man schreibt sich Kinder- und Jugendschutz auf die Fahnen, um die Verfassung auszuhebeln, schmeißt dann den Bürger raus und höhnt auch noch darüber, dass ja ohnehin niemand kompetent genug wäre, um mit einem darüber zu debattieren.

    Man muss nicht in die Menge schießen, um sich das Pack vom Hals zu halten. Es reicht, wenn man es knebelt.

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