Bevor ich eine Internetsteuer zahle, will ich vorher eine Schuhmachersteuer

Und mit Schuhmacher meine ich nicht den Motorsportler (oder dessen Bruder), sondern die Person, die mittels einer Prüfung vor einer Handwerkskammer einen Gesellenbrief oder Meisterbrief erworben hat.

Früher- die Älteren unter euch mögen sich erinnern – wurden durchgelaufene Schuhe nicht weggeworfen, vielmehr wurden sie zum Schuhmacher gebracht, welcher sie besohlte, überpolierte und vielleicht noch hier oder dort eine Naht flickte. Früher, das war bevor ein Paar Schuhe preiswerter zu erstehen war als ein Pfund Butter. Schuhmacher gibt es heute kaum noch. Selbst die Schnellschuster (Mr. Minit z.B.) muss man suchen. Früher drängten sich diese überall auf – verbunden mit einem Schlüsseldienst.

Warum sind die Schuhmacher weitgehend ausgestorben? Alle Menschen (zumindest in Deutschland) besitzen und tragen Schuhe. Diese wetzen auch ab und laufen durch. Warum also? Ganz einfach: Schuld ist die Art der Schuhherstellung. Früher gab es Leder- oder Gummisohlen, heute nur noch aufgeschäumte Billigsohlen. Anstelle von „Obermaterial Leder“ erwarte ich Warnhinweise für Allergiker „Obermaterial kann Spuren von Leder enthalten“. Für die Veganer unter uns sehr schön, aber der Tod des Schuhmacherhandwerks, denn diese Schuhe sind irreparabel. Die aufgeschäumte Laufsohle kann man nicht besohlen. Neue Schuhe werden schon für unter €15.- werden. Da ist keine Arbeit mehr für Schuhmacher, die Technik hat sie überlebt.

Sollte man die Schuhmacher also mittels einer Steuer für Billigschuhe retten? Blöde Idee? Nee, gar nicht so weit hergeholt, wenn ich die Netzzeitung lese:

Eine niederländische Kommission hat eine Internetsteuer vorgeschlagen, die notleidenden Zeitungen helfen soll. Internetnutzer sollten jährlich zwei Euro zusätzlich zu ihrem Online-Anschluss bezahlen, empfiehlt eine von der Regierung eingesetzte Kommission in ihrem am Dienstag in Den Haag vorgelegten Bericht.

Die Printmedien machen genau den Wechsel durch, den auch Schuhmacher zu ertragen hatten: Der Markt ändert sich. Wenn nun also Internetnutzer für notleidende Zeitschriften zur Kasse gebeten werden, so erwarte ich ebenfalls eine steuerliche Hilfe für Schuhmacher! Und was ist mit den ehemaligen Besitzern von Pferdedroschken? Sind die jemals abgefunden wurden?

Aber wir wollen uns nochmal anschauen, wer das als Empfehlung ausspricht: „eine von der Regierung eingesetzte Kommission“. Noch Fragen Hauser?

Kris hat einfach recht, wenn er behauptet: Falscher Planet, falsches Jahrtausend

9 Gedanken zu „Bevor ich eine Internetsteuer zahle, will ich vorher eine Schuhmachersteuer

  1. Erinnert mich an die Southpark-Folge, als die Kanadier was von dem „Internet-Geld“ abhaben wollten und in den Streik traten.

    Die Idee mit den Steuern gab es meines Wissens auch schon in unserem Land. Kommt bestimmt wieder auf. Und wieder, und wieder, und …

  2. @C.J.:

    Es (verzeihe den Ausdruck) kotzt mich nur massiv an, dass der Bürger für überholte Geschäftsmodelle und Märkte zur Kasse gebeten werden soll – aber eben nur, wenn die Betreiber dieses Modells genügend Druck auf die Regierenden ausübeb können.

  3. Eine schöne Parallele, das mit dem Schuhmacher, nur finde ich, dass Du die falschen Schlußfolgerungen ziehst.

    Es mag sein, dass die breite Masse sich inzwischen mit Schuhwerk zufriedengibt und nur noch nach dem Preis schaut, den man bereit ist für einen reinen Wegwerfartikel zu bezahlen.

    Andere wiederum – und das sind durchaus auch Geizhälse, lediglich mit einer etwas langfristigeren Denkperspektive gesegnet – leisten sich den Luxus von Schuhen, die man noch besohlen kann, deren Reparatur sich auch noch nach 10 Jahren lohnt. Sie zahlen zwar in der Anschaffung deutlich mehr, dafür haben sie aber auch wertvolles Schuhwerk, dem man schon auf den ersten Blick ansieht, dass die nicht aus dem Discounter stammen.

    So ist es mit Zeitungen auch bzw. wird es noch werden. Die Wegwerfzeitungen, die zu 50% aus Presseagenturmeldungen, 40% Werbung und 10% Lokalnachrichten aus der Feder des unbezahlten Praktikanten bestehen, die werden bald weg vom Fenster sein, weil man genau diese Inhalte inzwischen zeitnäher, werbefreier und mit besserer Grammatik und Rechtschreibung im Netz bekommt.

    Dort aber, wo eine Zeitungsredaktion sich noch den Luxus von ausgebildeten Journalisten leistet, die Hintergrundberichte, umfangreiche Recherchen und anspruchsvolle Tagesinformationen und -unterhaltung bieten, dort wird auch eine Käuferschicht gefunden, die sich jenseits der Bild-Zeitung und der DPA-Gazetten findet.

    Die Frage ist natürlich richtig: Darf man diese Wegwerfartikel nun auch noch subventionieren, gar Abgaben von denjenigen einfordern die es besser können? Die Antwort liegt auf der Hand.

  4. @Herbert Rehwein:

    Wie sagte mein Lehrmeister (kein Schuhmacher …) so schön: Nichts ist teurer als billiges Werkzeug. Aber was kostet es den Schuhen auch nur die günstigen Gummisohlen neu zu verpassen? Bekommt man dafür nicht ein Paar neue Schuhe? Wir dürfen nicht vergessen, dass es immer mehr Menschen gibt, die mit den sinkenden Reallöhnen zu kämpfen haben.

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