Wer soll das bezahlen?

Das Thema Arbeit, Löhne und vor allem Lohnspreitze bestimmt dieser Tage – neben anderem – die Medien. Die Besserverdienenden verdienen immer besser, die „Niedriglöhner“ immer weniger.  Generell haben die Mehrzahl der Bundesbürger „zu wenig“ Geld in der Geldbörse um sich etwas „leisten“ zu können – selbst der Konsum ist eingeschränkt, es werden nur noch Billigstprodukte erworben. Es ist legitim Eier von „KZ-Hühner“ zu kaufen, weil die „guten“ Eier unerschwinglich sind. Dies gilt nicht nur für HARTZ-IV Empfänger sondern immer mehr auch für „normal arbeitende“ Menschen in diesem unserem Land.

Woran liegt dies? Man könnte nun die Deppen-Keule herausholen und billig die Schuld auf Zuwanderer etc. schieben. Da wir hier aber weder am Tresen der Eckkneipe, noch im Tumbentreff sind, lassen wir diesen Blödsinn einfach mal gleich aussen vor. Denn die Zuwanderer nehmen niemanden wirklich den Job weg.

WENN wir mal schaun wollen, wer uns die Jobs wegnimmt, richten wir unseren Blick in Richtung Roboter und Automatisierungstechnik.

Beispiel eins –  Der Hamburger Hafen: Hier wurden vor 40 Jahren noch Kisten und Säcke massenhaft per Hand gewuppt. Hunderte von Arbeitern entluden die Schiffe, beluden Paletten und/oder Eisenbahnwagons. In der Zeit der Container werden diese „Handwerker“ nicht mehr benötigt. Ein paar Zitate aus Planet Wissen

  1. 1950 bewegte ein Arbeitstrupp von sieben bis zehn Mann pro Schicht etwa 18 Tonnen Stückgut.
  2. Die großen Containerschiffe transportieren bis zu 7500 solcher „Blechdosen“ (Container). Aus- und eingeladen wird per Fernsteuerung. Nach nicht einmal zwei Tagen kann das Schiff neu beladen wieder abfahren – früher hätten dafür zahlreiche Arbeiter mehrere Schiffe mehrere Wochen lang löschen und beladen müssen.
  3. Um 1890 zählte man 10.000 bis 15.000 Tagelöhner im Hamburger Hafen
  4. Als 1952 der erste Gabelstapler seinen Betrieb aufnahm, kam das im Hafen einer Revolution gleich. Was vorher mehrere Männer per Hand schleppen mussten, konnte nun von einem Mann auf einer Maschine transportiert werden.
  5. Die wirklich einschneidende Entwicklung aber fand später statt: 1968 machte das erste Containerschiff in Hamburg fest.

Die Arbeit im Hafen hat sich massiv gewandelt. Es wird zum einen immer mehr von immer weniger Menschen bewegt und es werden kaum noch „einfache“ Arbeiter beschäftigt, sondern gut ausgebildete Spezialisten. Es entfallen genau DIE Arbeitsplätze, die eben den Menschen ohne weitergehende Ausbildung ein Einkommen ermöglichen.

Beispiel zwei – Die Automobilindustrie

allein zwischen 1991 und 1995 wurden über 120.000 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie vernichtet.

Quelle: Landeszentrale für Umweltaufklärung Rheinland-Pfalz

Diese Zahlen liegen zum einen auch an der Auslagerung von Produktionsprozessen an diversifizierte Zulieferer aber vor allem an Verlagerung von Produktionsstandorten und auch von der immer weiter fortschreitenden Automatisierung. Was früher von Hand gemacht wurde, erledigen heute Roboter. Roboter schweissen exakter als Menschen, haben weniger Fehlzeiten und verlangen keine Gehaltserhöhung. Ich höre schon das Argument: Die Roboter schaffen aber auch Arbeitsplätze. An der Stelle ist die Frage erlaubt, ob sie langfristig mehr Arbeitsplätze schaffen, als abgebaut werden. Denn WENN Automatisierung mehr (im Hintergrund) menschliche Arbeit erfordert, als sie (im Vordergrund) einspart, wäre sie nicht mehr wirtschaftlicher. Auch werden „minderqualifizierte“ Arbeitsplätze (Schweisser etc.) gegen Ingenieure ausgestauscht. Der Hochschulabsolvent hat einen Job, der gewerbliche Arbeiter hat Hartz-IV.

Hier kommen wir in den Bereich, der auch steuerliche Auswirkungen hat: Maschinen bekommen kein Gehalt und konsumieren nicht. Auch zahlen sie nicht in diverse „Sozialkassen“ ein. Wenn früher 100 Arbeiter Lohn bekamen, welchen sie dem Wirtschaftskreislauf zukommen liessen, so fehlt dieses Kapital nun auf dem Konsummarkt, wenn die Arbeit von einer Maschine erledigt wird. Der Arbeiter hat sich ein Auto gekauft – macht dies eine Maschine auch?

Eine (zugegeben freche) Idee wäre es, auch automatisierte Arbeit am Kapitalumschlag teilnehmen zu lassen, in Form eines zu erstellenden Wertes – ähnlich Masseinheit „Pferdestärke“ mit der James Watt versuchte die Leistung seiner Dampfmaschine „transparent“ zu machen. Vielleicht sollte man eine Masseinheit „Menschenkraft“ (MK) einführen, mit denen bewertet wird, wieviele Menschen eine Maschine ersetzt. Abhängig vom MK-Wert einer neu eingesetzen Maschine könnte dieser nun definieren, wieviel Sozialabgaben der Unternehmer an Arbeitslosenversicherung und andere Bedarfsträger abzuführen hat.

Vielleicht würde die Einführung des MK auch dem Herrn Götz Wolfgang Werner weiter helfen, der ein Verfechter des – von mir als sehr positiv betrachteten – Bürgergeldes ist.

Sicher sind das Wege, die sehr weite Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft haben werden. Aber sehr lange können wir den alten Weg nicht mehr weitergehen. Selbst die „Könige der Globalisierung“ wandern um den Erdball um immer günstigere Industriestandorte zu erschliessen. War vor 20 Jahren Taiwan noch ein Billiglohnland, so ist heute China viel reizvoller – noch! Denn global wird der Faktor menschliche Arbeit immer mehr von der Maschine ersetzt.

Der Motor des Kapitalismus ist das Wachstum, wie aber wird Wachstum realisiert, wenn weiter Firmen aufgekauft werden und es irgendwann „Die Firma“ gibt, die global jegliche Produktion und Dienstleistung aus einer Hand (natürlich weitgehend automatisiert!) anbietet. Wer wird dann noch kaufen und vor allem bezahlen?

7 Gedanken zu „Wer soll das bezahlen?

  1. Du siehst das zu einseitig. Automatisierung *verschiebt* Arbeit, im Prinzip müsste danach aber immer noch genug zu tun sein, es fehlt nur an QUALIFIZIERTEN Arbeitern. Das ist zum einen ein Problem dass die älteren Generationen trifft, in denen eben auch mit relativ niedrigschwelligen Ausbildungen gut was ging, zum anderen eben – und das ist meiner Ansicht nach das größere Problem – die jüngeren, die bei der Bildung verlieren.

    Fazit kann eigentlich nur heißen, die Bildung zu verbessern. Deutlich. Jeder wirklich gut ausgebildete sorgt dafür, dass wir mehr und nicht weniger Arbeitsplätze bekommen. Nur wird das leider oft nicht konsequent umgesetzt (siehe Bildungspolitik).

  2. @Curi
    WOHIN wird die Arbeit verschoben? Sollte jede Maschine genau so viele Arbeitsplätze schaffen, wie durch sie eingedampft werden, wäre die Anschaffung (plus Materialkosten!!) teurer als die eingesparten Arbeitskräfte. BWL für Anfänger :)))))

  3. nein, nicht die Maschinen schaffen die Arbeitsplätze, Menschen schaffen die. In anderen Branchen, neuen Branchen. Vor 50 Jahren hat auch niemand geglaubt, dass so viele Leute sich mit Webkrempel et al finanzieren. Kreativität schafft Arbeit.

  4. Sicher werden auch neue Einnahmequellen erschlossen, aber dieser Vergleich geht deutlich weiter, denn dann musst Du auch die aussterbenden Schuhmacher mit in die Wertung nehmen, weil wir eine Wegwerfgesellschaft werden. Usw. usw…

    Generell ist es natürlich so – und da sind wir uns 100% einig – dass Menschen mit einer nicht vorhandenen „Spezialausbildung“ die Verlierer der Entwicklung sind

  5. Du schreibst: „Der Motor des Kapitalismus ist das Wachstum, wie aber wird Wachstum realisiert, wenn weiter Firmen aufgekauft werden und es irgendwann “Die Firma” gibt, die global jegliche Produktion und Dienstleistung aus einer Hand (natürlich weitgehend automatisiert!) anbietet. Wer wird dann noch kaufen und vor allem bezahlen?“

    Das mit dem Wachstum stimmt, aber das mit „Der Firma“ wird so nie kommen, dazu sind solche Riesenungetüme einfach nicht beweglich genug. Schau dir doch die großen Konzerne der Welt an GE, Siemens, GM,….die zerfallen langsam aber beständig – aufgrund ihrer Langsamkeit – un konzentrieren sich irgendwann wieder auf einen überschaubaren Bereich. Nicht die Größe wird zukünftig entscheidend sein, sondern die Geschwindigkeit, in der ich neue Produkte entwickeln und vermarkten kann. Da ist es dann auch unabhängig wieviele Maschinen zum Einsatz kommen.

  6. @Schmare
    Du hast natürlich recht, was den Geschwindigkeitsvorteil der kleinen Firmen angeht. Aber auch heute schon haben die grossen Firmen – in meinen Augen – zu viel Macht. Schau dir zum Beispiel die Bankenkrise an: Die IKB und die „Maes“, die nicht einfach „abgeschrieben“ werden, sondern – nachdem die Gewinne jahrelang ausgeschüttet wurden – nun durch gelder der Steuerzahler immer noch dafür sorgen, dass ein paar Shareholder mit ihnen Geld verdienen können. Warum?

    Wobei man einen Faktor bei der Betrachtung von Aktiengesellschaften und deren „Wert“ nicht vergessen darf: Ein nierdrigerer Aktienkurs bedeutet NICHT, dass die Firma real weniger wert ist/weniger Einfluss hat, sondern nur, dass sich der Gewinn der Aktionäre durch den Verkauf der Aktie sowie die Dividenden magerer entwickeln wird. Der Wert, welcher nach der Betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) ermittelt wird hat mit dem Aktienkurs so gar nichts zu tun.

    Zurück zu den „Grossen“ und „Kleinen“: GANZ selten nur, haben die „Kleinen“ eine Chance über einen gewissen „kritischen Punkt“ hinüber zu kommen, ohne in ein grösseres Unernehmen integriert zu werden. Das beste Beispiel dafür ist Google: Keiner hatte Google auf dem Zettel, bis sie zu gross waren um „mal eben“ gekauft zu werden. Anstelle dessen kauft Google heutzutage alles was sich bewegt und auch nur ansatzweise Potential hat, profitabel zu sein.

  7. Rationalisierung ist doch eine gute Sache. Die Produkte (weniger Arbeitskraft) werden günstiger wodurch sich die Leute immer mehr verschiedene Produkte kaufen können. Soll heissen, es werden viel mehr Produkte hergestellt die vielen Leuten Arbeit geben.

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