Drei Dinge vorweg:
- Ich will nicht behaupten, dass alle Vorgänge auf der Gorch Fock stets nach Lehrbuch und 100% den Vorschriften entsprechend abliefen. Ich kenne keinen Betrieb in dem man stets „vom Fußboden essen“ kann. Überall findet man etwas Dreck, wenn man nur genau hinschaut.
- Ich habe (vor vielen Jahren) bei der Marine gedient und ich mochte den Dienst und die Einstellung der Menschen dort. Es war ein zwar teilweise sehr harter Dienst (Leistung musste gebracht werden) aber die Menschen waren realistisch und es gab verhältnismässig wenige Volldeppen (die man wiederum in jeder „Organisation“ findet.
- Es kann sich in den letzten 25 Jahren viel geändert haben 🙂
Nach dieser ausführlichen Einleitung nun zum eigentlichen Thema: Mir deucht, die Tagespresse hat ein neues Schwein gefunden, das sie durchs Dorf treiben mag: Die Gorch Fock. Ich möchte anhand eines Spiegelartikels (Die neuen Enthüllungen….) einmal aufzeigen, was mir so auffällt:
Die ersten Erinnerungen an die Alkohol-Exzesse der Besatzung stammen vom Beginn des sogenannten 3. Törn von Offiziersanwärtern, die am späten Abend des 5. November 2010 auf der Gorch Fock im brasilianischen Hafen von Salvador de Bahia eingetroffen waren. In der folgenden Nacht, so berichtete ein zurück gekehrter Soldat in der Marineschule in Mürwik dem Team von Königshaus, hätte die Stammbesatzung heftig gefeiert. Zu später Stunde sei dann ein Ausbilder in den Schlafraum gestolpert und habe gelallt, „dass er Offiziersanwärter hasse und sie töten würde“.
Ein Ausbilder, sososo. Von den 83 Mann Stammbesatzung sind 35 Mannschaftsmitglieder Unteroffiziere und 23 Mannschaften. Ich frage: Kam der Ausspruch von einem Offizier/Portepeeunteroffizier (meist älter und erfahrene Menschen, die man wahrlich wahrscheinlich mit Recht Ausbilder nennen darf), oder waren es Maate (Uffze der Marine) oder Mannschaften? Die Maate und Mannschaften sind sicherlich teilweise auch als Ausbilder zu bezeichnen – aber die sind im Höchstfall 23-25 Jahre alt. Ein junger, besoffener Mensch kann so etwas schon mal sagen. Der junge Soldat ist sicherlich zu disziplinieren, aber ein Angstszenarion, wie es der Spiegel hier darstellt, wird das sicherlich nicht sein.
Grundsätzlich habe sich das Verhalten der Stammbesatzung „nur lose an der Inneren Führung“ orientiert, berichteten die Soldaten. So hätten sich die Mannschaftssoldaten „beinahe wie Könige“ aufgeführt, ein echter Kontakt zwischen den Auszubildenden und der Besatzung sei nie zustande gekommen.
„Lose an der Inneren Führung orientiert“ gilt es deutlich zu prüfen (no go!), ABER: Dass es zu keinem „echten Kontakt“ zwischen Auszubildenden und der Mannschaft kam, ist wahrscheinlich sogar absolut gewollt. Das ist ein gewolltes „Ihr das Oben, wir hier Unten“, um den Teamgeist der Auszubildenden zu schärfen. Denn es gibt (bewusst installiert) einen gemeinsamen „Gegner“: Die Ausbilder, die die Auszubildenden (gewollt!) an den Rand der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit heranbringen. Diese „Anspornen“ gelingt nicht, wenn der Ausbilder ein liebenswürdiger Tofu-Tee-Trinker ist. Er ist derjenige, der den jungen Soldaten jeden Tag ein bisschen mehr fordert. Muskelaufbau schmerzt – ist so. Ob man sich „als König aufführt“ – naja, das nun wieder ist ebenfalls ein no-go. Obschon die Beschwerden auch wieder als subjektive Eindrücke gesehen werden müssen und man beiden Seiten Gehör schenken muss.
So berichtete einer der Offiziersanwärter dem Team von Königshaus, dass sich die Offiziere in einem angelaufenen Hafen „hemmungslos besoffen“ hätten.
ALLE 11 (elf) Offiziere (dieser Eindruck wird erweckt), oder „einige Offiziere“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wirklich ALLE Offiziere gleichzeitig betrunken waren.
Als Hafenwache habe er mehrere falsche Alarme wegen Feuer auf dem Schiff nachgehen müssen, die nach seiner Ansicht nach von den betrunkenen Offizieren ausgelöst worden waren.
Jau, das tun die. Wenn die Admiralität der Marineflieger feierte – oder im O-Heim eine grosse Party mit Gästen aus Bonn (war damals noch Hauptstadt) statt fand, war die Wahrscheinlichkeit einer Alarmierung schon 1980 immer besonders hoch. Die am Alarm aktiv beteiligten Offiziere waren allerdings nüchtern – hatten aber einen ausgesprochenen Spass uns Soldaten mal mitten in der Nacht – fluchend und gähnend auf die Dienstellen hetzen zu sehen. Ja, die dürfen das – so what? Wenn wir gut „performt“ haben, gab es auch anerkennendes „Gemurmel“. Wir haben auch unsere Späße gehabt und gemacht.
Schließlich habe er „auf dem Deck Erbrochenes der Offiziere wegputzen müssen“, so das Dossier.
Jepp, sowas passiert – auch mal einem Offizier. Zuerst wird man das als „kleinster Depp an Bord“ sauber machen müssen – wenn man das vernünftig zu der betreffenden Person kommuniziert, wird es aber auch wohlwollend anerkannt (zumindest ist das meine Erfahrung gewesen). Manchmal darf man sich halt nicht zu fein sein.
Im Visier steht Kommandant Schatz. Dieser habe nach dem Tod „trockene“ Reden gehalten: Der Todesfall sei ein Unglück, jedoch normal wie ein Flugzeugabsturz.
Als was hätte Schatz den Tod denn sonst bewerten sollen? Flennend den lieben Gott um Zuversicht bitten sollen? Ein Offizier ist kein Pastor. Er ist nur äusserst begrenzt für das Seelen der ihm unterstellten Soldaten verantwortlich. Dafür gibt es den Militärgeistlichen. Unsere Offiziersanwärter dürfen auch nicht vergessen, dass SIE es sein werden, die in Zukunft dafür verantwortlich sein werden, dass militärische Einheiten auch unter grössten Druck schlicht und ergreifend funktionieren. Sie müssen deutlich belastbarer sein, als ihre Untergebenen.
Die Offiziersanwärter empfanden es zudem als unpassend, dass die Besatzung kurz nach dem Tod „zur Tagesordnung überging“ und heftig und lautstark Karneval feierte.
Zur Tagesordnung übergehen: Ja was denn sonst? Einen Ausflugsdampfer hätte man vielleicht mit Kränzen behängt, aber eine militärische Einheit hat zu aller erst eine Aufgabe zu erledigen. Es ist erschreckend, dass Offiziersanwärtern dies anscheinend nicht bewusst ist. Karneval feiern ist allerdings wahrscheinlich eher unnötig und zumindest zweifelhaft. Muss nicht sein.
So richtig spannend finde ich folgenden Passus:
Der Bericht enthält neben Vorwürfen auch Hinweise, dass die Marine sowohl Kadetten als auch Besatzung vor dem Einsatz an Bord nicht ausreichend getestet hat. So gibt Königshaus wieder, dass ihm ein Marineteam mitgeteilt habe, man teste gerade „ein neues Prüfungsverfahren zur Verwendungstauglichkeit“. „Bemerkenswert“ sei das erste Testergebnis, demnach fielen „50 Angehörige der aktuellen Besatzung der Gorch Fock“ bei dem neuen Test durch. Die Soldaten wiederum beklagten, dass es keinen richtigen Eignungstest für das Schiff gebe.
Zuerst einmal ist die Gorch Fock NICHT für das Auswahlverfahren verantwortlich. Dieses dürfte beim Marineamt geschehen (entzieht sich meiner Kenntnis). Das aber 50% der Marineoffiziersanwärter nicht für den Seedienst tauglich sind, halte ich für eine absolute Brüllwitznummer. Wer hat denen denn den Berufswunsch „Offizier“ ermöglicht? Wer schon als junger Mensch nicht die Tauglichkeit für den Seedienst hat, was soll aus dem werden, wenn er mal 40 ist? Sind denn da nur noch Krüppel unterwegs?
Ein Kadett erhob bei den Gesprächen mit dem Königshaus-Team auch den Vorwurf der sexuellen Nötigung gegen die Stammbesatzung. Der Erinnerung des Soldaten nach hätten ihn mehrere Männer der Besatzung im Hafen von Las Palmas in der Dusche angesprochen. Es sei „auf dem Schiff ähnlich wie im Knast, jeder Neue müsse seinen Arsch hinhalten“. Daraufhin hätten sie eine Shampoo-Flasche auf den Boden geworfen und ihn aufgefordert, sich danach zu bücken – ein Ritual, das man sonst nur aus Filmen über die Zustände in Gefängnissen kennt.
Hört sich richtig fiese an – ABER: Was, wenn diese Soldaten dem jungen Offiziersanwärter „nur“ einen Schreck einjagen wollten. Kann man sich so etwas bei einem Fußballverein in der Duschkabine vorstellen? „Hey Neuer: Bück dich“. Was allerdings folgt, ob man unter schallendem Gelächter ob des dummen Gesichtes des „Neuen“ einfach weiter macht, oder ob es tatsächlich zu einem (NICHT zu tolerierenden!) sexuellen Übergriff gekommen wäre, steht auf einem anderen Blatt.
Aber der Fall geht weiter, denn:
Demnach hätten die Besatzungsmitglieder ihm gedroht, sie seien Mitglieder des „Aryan Brotherhood“. Diese rassistisch ausgerichtete Gruppe hat in den USA ein Netzwerk in Gefängnissen und ist für Morde, Erpressung und illegalen Drogenhandel in den Knästen verantwortlich. Nach einer Meldung durch den Soldaten ließ Kommandant Schatz die gesamte Mannschaft an Deck antreten. Ob es zu einer strafrechtlichen Verfolgung der Tat kam, ist nicht ganz klar. Der Soldat hörte nur als Gerücht, die Männer hätten wegen des Vorfalls Ärger bekommen.
Ja, so läuft das, der Untergebene bekommt nicht immer mit, wenn ihm vorgesetzte Personen betraft werden. Dieses mag für das eventuelle Opfer unbefriedigend sein, hat allerdings in einer Organisation wie einer Armee auch einen Sinn: Die Bestrafte verliert nicht seine Autorität vor den Untergebenen.
Aus eigener Erfahrung werte ich den Vorfall mit :“Lass das Shampoo fallen“ als einen Scherz, der derbe, aber lässlich ist. Solange es zu keinen weiteren Handlungen kommt! Die Nummer mit der „Aryan Brotherhood“ allerdings verdient es, dass da welche RICHTIG auf den Arsch kriegen.
Was man aber nicht ausblenden darf ist, dass wir es hier (auf beiden Seiten) typischerweise mit sehr jungen Erwachsenen zu tun haben. Diese machen (das ist keine Entschuldigung!) Fehler. Taten es und werden es (immer wieder auf Neues) tun. Nicht die gleichen Personen (so der erzieherische Effekt einsetzt), aber andere werden an ihre Stelle rücken und die selben oder andere Fehler machen.
Um junge Menschen 100%ig davon abzuhalten diese Art von Fehler zu machen müsste man ein Druckszenario aufbauen, dass dann wiederum dazu führt, dass dieselben Medien von unhaltbaren Zuständen in der Bundeswehr schreiben würden.
Es gibt immer zwei Seiten und man muss sehr vorsichtig sein wie man bewertet.
„Ich habe (vor vielen Jahren) bei der Marine gedient und ich möchte den Dienst und die Einstellung der Menschen dort.“
Irgendwie stimmt der Satz nicht. Entweder mOchtest Du den Dienst und die Einstellung, oder irgendwas am Satzende fehlt 😉
@daMax:
Ich mOchte …. Danke.
Ja tatsächlich. Ausgerechnet ICH, der stets für Gerechtigkeit und gegen Unterdrückung wettert, kam bei der Marine prima klar.
Vielleicht beschreibe ich nochmal irgendwann ein paar Schlüsselszenen und warum manchmal der Dienst echt scheisse, aber sinnvoll sein kann. Man muss nur versuchen den Sinn auch zu erkennen.
Oh, DIE Diskussion fang ich heute nicht an, sonst isses vorbei mit arbeiten… man kann auch den Sinn von Waffen erkennen, wenn man nur will. Aber wie gesagt: die Diskussion kann ich mir heute zeitlich leider nicht erlauben.
@daMax:
Die eigentlichen Frage sind: WAS ist eine Waffe und was ist mit Dingen, die mehrfache Verwendung haben.
Spass beiseite: Was nutzt einem ein Soldat, der bei geringster mentaler oder körperlicher Beanspruchung zusammen bricht? Nix. Soldat ist ein verdammt harter Beruf, dieser Tatsache muss man sich stellen – und dann eben im Zweifelsfall doch in die Buchhaltung gehen, wenn es als Leistungssportler nix wird. 🙂
„Was nutzt einem ein Soldat, der bei geringster mentaler oder körperlicher Beanspruchung zusammen bricht?“
Ich sehe schon: ich bin auch ein Weichei, aber der Tod einer Kameradin, angedeutete vergewaltigung, Nötigung zu „freiwilligen“ Aktionen; das ist für mich nicht „geringste“ Belastung.
Außerdem habe ich noch nicht gefunden, dass die Leute „zusammengebrochen“ sind. Sie haben sich beschwert. Das ist ein Unterschied.
@etg:
Sie haben sich beschwert, dass der Dienst weiter ging. Zumindest las ich das so.
Für einen Soldaten ist der Tod eines Kameraden ein „Berufsrisiko“ – so böse und hart sich das anhören mag. Aber dies muss man sich vorher klar machen, wenn man in dieser Zeit sich freiwillig zum Wehrdienst meldet.
Ich habe auch Dinge erlebt, die man mit Schinderei, Nötigung etc. pp. beschreiben KÖNNTE. Keiner von uns tat dies damals (und nein, ich war KEIN Ausbilder).
Man hört von ehemaligen und aktiven Soldaten der Gorch Fock AUCH, dass dort alles in Ordnung sein soll. Ja was den nun?
Zusammenbrechen bedeutet für mich – in diesem Zusammenhang – dass der Soldat nicht mehr in der Lage ist ruhig und sachlich seine Aufgabe zu erledigen. Und dies ist bei den Offiziersanwärtern wohl der Fall gewesen, wenn Sie nach dem Tod einer Kameradin nicht zum normalen Tagesdienst bereit waren oder sich sogar vom Schiff weg versetzen lassen wollten.
Ein Soldat hat nicht Lust oder nicht-Lust. Er ist – oder auch nicht – dienstfähig.
„Sie haben sich beschwert, dass der Dienst weiter ging. Zumindest las ich das so.“
Also ist das „Zusammenbrechen“ von Dir. Ich stimme mit Deiner Definition von Zusammenbrechen auch nicht überein.
„Für einen Soldaten ist der Tod eines Kameraden ein ‚Berufsrisiko'“
In der Ausbildung? Unter normalen Ausbildungsbedingungen? Hoffentlich nicht.
„Ich habe auch Dinge erlebt, die man mit Schinderei, Nötigung etc. pp. beschreiben KÖNNTE. Keiner von uns tat dies damals (und nein, ich war KEIN Ausbilder).“
Schade eigentlich, denn wenn es Schinderei und Nötigung war, hätte man das auch so bezeichnen und dagegen vorgehen sollen.
„Ja was den nun?“
Was weiß ich, ich habe keine verlässlichen Informationen. Im Gegensatz zu Dir halte ich für möglich, dass die Auszubildenden überreagieren, dass alles ok war, dass der Kapitän ungeschickt ist oder dass dort kriminelle Sachen laufen. Ich weiß es nicht, aber ich hoffe, es wird aufgeklärt.
Du verurteilst sofort die Auszubildenden. Das ist das, wasich nicht verstehe.
Noch dazu mit einem komischen Männer-Testosteron-Soldatenbild das eigentlich schon seit Rambo Geschichte ist.
Interessant ist, dass bei Dir ein Soldat kein Mensch mehr ist, sondern ein binäres Wesen: dienstfähig oder nicht. Keine Emotionen, keine Abstufungen. Ist ein bißchen wie mit Arbeitern, die sind auch nur noch Humankapital.
So so, bei der Marine wird Alkohol getrunken. Ach ja, und Ausbildung geht an Grenzen. Das, wozu man da ausgebildet wird, übrigens auch, aber Deinem schönen Artikel ist da nichts hinzuzufügen. Danke für die klaren Worte.
Was anderes fehlt aber doch: Heute entnehme ich der Zeitung, daß das Bundeskanzleramt die Guttenbergschen Reformen ins Visier nimmt. Was für ein Zufall! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Haben die gewartet, bis der Bundesverteidigungsminister angeschossen ist, um über ihn herzufallen? Oder haben sie gar die ganze Gorch Fock-Debatte noch extra angeheizt? KT tut mir fast schon wieder leid. Naja, ich sage: FAST. Wer einen Mann suspendiert, um ihn „aus der Schußlinie“ zu nehmen, formuliert das anders – selber schuld, daß ich ihm die nachgeschobene Erklärung nicht abnehme.
@Sebastian v. Bomhard:
Ui, ein Dank für klare Worte – wo ich doch damit rechnete, dass ich – ob meiner Menschenverachtung – in der Luft zerrissen werde(OK, nicht zwingend von dir 🙂 ).
Dieser Selbstverteidigungsminister (und sein Umfeld) lebt in einer eigenen Welt mit eigenen Naturgesetzen. Wer ihn kritisiert muss stets auch damit rechnen von BLÖD als Neidhammel oder ähnlichem diskreditiert zu werden (Verlierer des Tages?). Als Politiker überlegt man da zweimal, ob man sich mit dem Bild-Gutti anlegt. Menschen wie Wehner, Strauss und Konsorten sind leider nicht mehr im Amt.
„wo ich doch damit rechnete, dass ich – ob meiner Menschenverachtung – in der Luft zerrissen werde(OK, nicht zwingend von dir ).“
Ja ja, lass mich doch erst mal wach werden 🙂
„Es kann sich in den letzten 25 Jahren viel geändert haben“
Ja, es hat sich auch bei der Bundeswehr herumgesprochen, dass Soldaten auch Menschen sind.
Wobei, vieles von dem, was Du sagst, ist durchaus richtig, Du bist ja vom Duktus her auch schon wieder auf zivilem Niveau 🙂
Daher nur Detailkritik:
„Als was hätte Schatz den Tod denn sonst bewerten sollen? Flennend den lieben Gott um Zuversicht bitten sollen?“
Etwas mehr Sensibilität wäre angebracht gewesen. Da stehen Freunde einer Toten, da faselt man nichts vom Flugzeugabsturz, sondern zeigt auf, dass sie toll war, dass das ein Unglück war und dass man alles tut, damit sich das nicht wiederholt. Kurz: man verhält sich menschlich.
„Zur Tagesordnung übergehen: Ja was denn sonst? […] Karneval feiern ist allerdings wahrscheinlich eher unnötig und zumindest zweifelhaft. Muss nicht sein.“
Weder Du noch ich wissen, was „zur Tagesordnung übergehen“ genau bedeutet. Daher kann ich nicht beurteilen, ob das zu hart oder angemessen war. Karneval hätte ausfallen müssen.
„Hört sich richtig fiese an – ABER: Was, wenn diese Soldaten dem jungen Offiziersanwärter “nur” einen Schreck einjagen wollten.“
Ja, was ist dann? Dann ist es gut? Nee. Man Folter: die Androhung ist genauso schlimm wie die Durchführung. Daher: keine Entschuldigung. Das ist kein Scherz. Das ist schändlich, strafbar und eigentlich mit Dienstende zu bestrafen. Fürsorgepflicht.
„Ja, so läuft das, der Untergebene bekommt nicht immer mit, wenn ihm vorgesetzte Personen betraft werden. Dieses mag für das eventuelle Opfer unbefriedigend sein, hat allerdings in einer Organisation wie einer Armee auch einen Sinn: Die Bestrafte verliert nicht seine Autorität vor den Untergebenen.“
Das heißt für den untergebenen: mich schikaniert jemand und kommt damit durch. Nein, so muss das nicht sein. Nicht jeder muss die Strafe mitbekommen, aber der Betroffene.
Insgesamt macht der Bericht auf mich den Eindruck, dass da ein sehr unsensibler Kommandant mit seinen Ausbildern versucht, einen harten Kurs zu fahren, der überhaupt nicht auf die Auszubildenden eingeht. Das mag vor 25 Jahren gut gewesen sein, heutzutage ist man weiter. Zu Recht.
Aber wie Du so schön sagst: „Es gibt immer zwei Seiten und man muss sehr vorsichtig sein wie man bewertet.“ Vorher hast Du das alles zu Gunsten des Kommandanten bewertet. Nicht wirklich vorsichtig 🙂
@etg:
Bist Du sicher, dass diesbezüglich nichts gesagt wurde? Nur weil es NICHT in der Zeitung stand?
Wenn ich meiner Tochter erkläre, dass sie gleich eine Schelle fängt, ist das schon Misshandlung von Schutzbefohlenen?
Bekommst Du es mit, wenn dein Vorgesetzter (in der Firma) eine Beförderungssperre bekommt, weil er dir blödsinnige Arbeitsanweisungen erteilte?
Derzeit klopfen ALLE auf der Gorch Fock und dem Kapitän rum. Ich versuche nur eine andere Perspektive zu eröffnen – als Möglichkeit. Ich behaupte NICHT, dass es so war wie ich es als möglich empfinde.
„Bist Du sicher, dass diesbezüglich nichts gesagt wurde? Nur weil es NICHT in der Zeitung stand?“
Nein, Du schriebst: „Als was hätte Schatz den Tod denn sonst bewerten sollen? Flennend den lieben Gott um Zuversicht bitten sollen?“
Weißt also auch nicht, was gesagt wurde. Bis ich mehr weiß, kann ich mich nur an die Informationen halten, die mir vorliegen.
„Wenn ich meiner Tochter erkläre, dass sie gleich eine Schelle fängt, ist das schon Misshandlung von Schutzbefohlenen?“
Wahrscheinlich nicht, kommt wohl auf die Situation an. Wenn Du aber jemandem damit drohst, ihn gleich zu vergewaltigen, ist das ein anderes Kaliber. In einer Dusche (eng?) mit mehreren Personen.
Verstehe ich nicht, warum Du das unbedingt entschuldigen willst, das ist ähnlich wie mit der „Aryan Brotherhood“ nicht zu entschuldigen.
Was eine angemessene Strafe ist, kommt auf die Situation und Personen an, das Ganze ist aber nicht „läßlich“.
„Bekommst Du es mit, wenn dein Vorgesetzter (in der Firma) eine Beförderungssperre bekommt, weil er dir blödsinnige Arbeitsanweisungen erteilte?“
Das hoffe ich doch. Wenn nicht, ist das Führungsschwäche der übergeordneten Person.
„Derzeit klopfen ALLE auf der Gorch Fock und dem Kapitän rum. Ich versuche nur eine andere Perspektive zu eröffnen – als Möglichkeit. Ich behaupte NICHT, dass es so war wie ich es als möglich empfinde.“
Nein, nicht alle. Ich zum Beispiel hätte gerne eine gründliche Untersuchung der Vorfälle und der Reaktion, bevor ich Schuld zuweisen will. Die werde ich nie (im Sinne von nie) bekommen, weil der Untersuchungsbericht sicher geheim ist (wahrscheinlich zu Recht).
Was mich stört, ist, dass Du nur das andere Extrem schilderst: die Weicheier, die nicht zum Offizier geeignet sind, egal, was dort passiert ist. Wir wissen es einfach nicht.
Abgesehen davon halte ich den Umgang von Guttenberg mit der Situation für grundfalsch.
Abgesehen davon, dass ich manche Situationen anders einschätze als Du, aber das ist noch ein anderes Thema, über das man evtl. nochmal getrennt reden sollte.
@etg:
Ich mache es wie die Medien – allerdings teile ich mit, dass ich eventuell leicht befangen bin, und nebenbei auch bewusst den Kontrapunkt darstelle. Die Medien behaupte Sie hätten Recht 🙂
„Wenn ich meiner Tochter erkläre, dass sie gleich eine Schelle fängt, ist das schon Misshandlung von Schutzbefohlenen?“
Apropos: da fällt mir noch ein, stelle Dir vor, Deine Tochter kommt eines Tages nach Hause, eher verschreckt, und erzählt, dass sie nackt unter der Dusche stand, da kamen mehrere nackte Schulkameraden rein und erzählten Ihr, sie würde jetzt vergewaltigt. Da ist sie weggerannt, direkt nach Hause.
Erzählst Du ihr jetzt, dass das alles bestimmt ein Scherz war und nicht so schlimm und sie soll ruhig weiter zur Schule gehen, die haben bloss einen Witz gemacht? Und lässt das dann auf sich beruhen?
Ich hoffe doch, nicht.
@etg:
Als Vater einer Tochter habe ich einen ausgesprochen ausgeprägten Beschützerinstinkt. Wenn dort JUNX reinkommen sieht die Lage anders aus. Ausserdem hoffe ich, sie würde sich – bevor sie direkt nach Hause rennt – etwas anziehen 🙂
Allerdings kenne ich Gruppen (rein männlich) in denen auch der Scherz gemacht wurde: Pass bloss auf, wenn XY in der Dusche ist – wenn Du da nicht aufpasst und die Seife fallen lässt…..
Und wie heisst es über LA? What to do if you loose your wallet in LA? Kick it home man.
Wie war die „Ansage“ in der Dusche gemeint – DAS ist doch hier die Frage. Und in solchen Gruppen (aber auch im Fußballverein, freiwilliger Feuerwehr, Schützenverein etc) ist es oftmals eben so, dass auch mal ein rauerer Ton herrscht.
Wenn ein Lehrling geschickt wird, die Ausgleichsgewichte für die Wasserwaage zu holen – ist das Schikane?
„Pass bloss auf, wenn XY in der Dusche ist – wenn Du da nicht aufpasst und die Seife fallen lässt…..“
ist was anderes als zu jemandem in die Dusche zu gehen und zu sagen, dass er es jetzt bekommt. So habe ich die Berichte gelesen. Dein Beispiel ist ein Scherz, das andere ist wahrscheinlich versuchte Vergewaltigung.
„Wie war die “Ansage” in der Dusche gemeint – DAS ist doch hier die Frage.“
Eben. Und obwohl das nicht geklärt ist, weißt Du schon, dass das „Opfer“ schuld ist. Und dass das Ganze ein Scherz war.
„Wenn ein Lehrling geschickt wird, die Ausgleichsgewichte für die Wasserwaage zu holen – ist das Schikane?“
Du weißt hoffentlich selbst, dass alle Deine Beispiele derzeit hinken und dass Du Sachen ins Lächerliche ziehst, die nicht Lächerlich sind, oder?
Wenn nein: das machst Du gerade.
Der Spiegelfechter war auch bei der Marine:
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/4891/gorch-fock-in-schwerer-see
@daMax:
Seltsam, viele die länger beim „Bund“ waren teilen meine „menschenverachtende“ Meinung. Woran mag das liegen? Sind wir alle dem Korpsgeist verfallen oder sehen wir die Sachlage einfach nur differenzierter aber näher an der eigentlichen Problematik?
Viele, die länger beim Bund waren, teilen Deine Meinung auch nicht. Ich kenne einige, die sich aber nicht im Netz äußern würden.
Ihr habt ein anderes Menschen/Soldatenbild. Mehr so ein „Hab Dich nicht so“-Bild. Ob das für die Armee richtig ist – ich denke das nicht. Das führt m.E. zu oft zu abgestumpften Menschen und im Kampfeinsatz zu unnötiger Gewalt.
Aber es gibt sowohl „Full Metal Jacket“ als auch „Heartbreak Ridge“.
Jetzt, wo ich den Text vom Spiegelfechter gelesen habe: er hat Recht.
Und nein, er schreibt nicht dasselbe wie das reizzentrum.