Ich gebe zu: Ich spiele WoW. Seit Jahren. Ich kam zu WoW vor allem durch meine Tochter, die mir immer wieder erklärte wie toll das ist. OK, ich habe früher schon andere Computerspiele gedaddelt, auch Onlinespiele habe ich gespielt (Ultima Online, Starwars Galaxy, Anarchy Online und andere). Zu WoW kam ich dann (auch durch meine damalige Arbeitslosigkeit und viel zu viel „Freizeit“) durch einen bekannten, der mir in der Hartz-IV-Zeit das WoW sponsorte, weil er gern mit mir spielen wollte (DANKE Micky – immer noch unvergessen!).
WoW hat zwei Spielstränge:
- Den sogenanten PvE (Player versus Environment)-Strang, auf dem man mittels Quests durch die Welten wandert, reitet und fliegt und Aufgaben(Quests) erledigt und für die Erfüllung der Aufgaben Gold, Ausrüstungsgegenstände und Ehre erhält.
- Den Bereich PvP (Player versus Player). PvP bedeutet mich, meine Ausrüstung, meine Fingerfertigkeit – meine Art meine Spielfigur zu beherschen -mit anderen Spielern zu messen.
Es ist jedem Spieler selbst überlassen, welchen Weg er zu gehen gedenkt. Schon die Auswahl der Servers, auf dem man gedenkt seine Freizeit zu verbrennen und im Gegenzug dafür Spielspass zu erleben, unterscheidet zwischen Servern auf dem man stets von Spielern der gegenerischen Fraktion angegriffen werden kann (PvP-Server) oder einem Server auf dem man – der WoW-Geschichte folgend – gegnerischen Fraktionen angehört, aber in der freien Spielwelt nicht von den Spielern der anderen Fraktion „gekillt“ werden kann (PvE-Server).
Nun habe ich es getan: Ich habe den Begriff „gekillt“ benutzt und damit WoW zu einem Killerspiel gestempelt. Ein schnelles, unüberlegtes Tippen eines Wortes, dass salopp von den Spielern genutzt wird und schon ist der Beweis geführt: WoW ist ein Killerspiel.
So einfach ist es aber nicht. Nachdem ich meine „WoW-Karriere“ auf einem PvP-Server startete und stets genervt war, dass ich auf freier Wildbahn von Spielern der gegnerischen Fraktion durch Atacken am Spielfluss gestört wurde, transferierte ich meine Charaktere auf einen PvE-Server. Seit dem kann ich mich in (fast… Es gibt Ausnahmen, Gebiete die als PvP ausgewiesen sind, die man aber nicht betreten muss um ungestörten vollumfanglichen Spielspass zu erleben) allen Gebieten frei bewegen ohne gestört zu werden. Das ist schön – meine Charaktere wachsen heran, ich kann die Fähigkeiten wie Bergbau, Kräutersammeln und andere ausüben ohne attackiert zu werden. Für einen friedliebenden Menschen wie mich genau richtig.
Aber Moment mal. Wieso treibe ich mich nach all der friedlichen Zeit in den letzten Monaten zu gern in den PvP-Bereichen rum? Ich gebe zu: Ich habe Gefallen daran gefunden mich mit anderen Spielern im PvP zu messen. Aber „kille“ ich dort einen Spieler? Muss sich meine Prinzessin nun Gedanken machen, dass ich eventuell als „älterer Gewalttäter“ aus der Gesellschaft falle und zum Mörder werde? Ich fürchte, meine Bundeswehrzeit war diesbezüglich eine grössere Gefahr für mein Seelenheil, denn dort wurde ich ausgebildet Menschen definitiv kampfunfähig zu machen. Tue ich dies auch bei WoW?
Nein, bei WoW geschieht keinem Menschen etwas. Auch die Spielfigur ist nicht etwas „tot“ im Sinne von: Das war es jetzt. Fang mal wieder von vorne an. Vielmehr wird der Gedanke der Wiedergeburt aufgenommen und der im Kampf gefallene Recke findet sich beim Geistheiler wieder. In besonderen Situationen – dem PvP-Duell innerhalb der eigenen Fraktion – wird man sogar anschliessend vom Sieger (oder auch Verlierer) geheilt und mit Stärkungszaubern des Weges ziehen lassen.
Das „killen“ eines Spielcharakters ist nichts endgültiges, die Motivation ist das alte Spiel: Wer ist besser, er oder ich. Ein Spielprinzip dass sich in eigentlich jedem spielerisch-sportlichen Vergleich wiederfindet. Auch beim Sport geht es letztendlich oftmals darum herauszufinden, wer die bessere Mannschaft oder der bessere „Einzelkämpfer“ ist. Es geht um Geschick und Training. Wenn ich einen gegnerischen Charakter(!!) in die (nicht) ewigen Jagdgründe schicke, so sitzt der mir gegnerische Spieler weiterhin putzmunter an seinem PC und unterhält sich oftmals sogar weiterhin mit mir. Sehr real wird zwischen Wirklichkeit und Spiel getrennt. Niemand würde auf die Idee kommen Schach als Killerspiel auf einen Index zu setzen, obschon das Prinzip das selbe ist: Man muss Figuren schlagen (aus dem Spiel nehmen, töten) um letztendlich zu siegen. Dieses findet aber ausschliesslich auf dem Spielbrett statt, während die Spieler sich nett unterhalten und sich mit dem Wein gegenseitig zuprosten.
In diesem Sinne…. Musste mal raus.
Der Vergleich mit Schach ist echt alt, leider hängen die, die Entscheiden können, einfach ein Stopschild vor ihre Augen wenn sie das lesen.
WoW ist so brutal und gefährlich für das Seelenwohl wie Gänseblümchen den Hals abreisen .. ähh pflücken.
Dieser Blog ist leider zu simplifizierend.
Kein Zweifel dass Schach nicht die negativen Effekte grausamer Killerspiele hat, aber es hat auch schon pathologische psychische Deformationen verursacht.
Ich kenne WoW nicht und kann daher nichts dazu sagen, aber intererssant wäre eine Erörterung der Frage, was eben ein wegen den gesellschaftlichen Auswirkungen gefährliches Killerspiel ausmacht.
@irgendeiner:
Ich persönlich sehe eher eine Gefahr (bei jeglicher Betätigung), dass ein Fluchtweg aus der Wirklichkeit erstellt wird. Die Realität „ignoriert“ wird
Dieses gilt für fussballspielende Jugendliche, die aufgrund des bolzens ihre Hausaufgaben vernachlässigen genaus so wie für Computerspiele, Alkoholkonsum und was weiss ich nicht alles.
Andererseits sind aber die „Beschäftigten“ typischerweise „erstmal von der Strasse“, sie nehmen – ach das kann von Teilen der Gesellschaft gewollt sein – nicht mehr aktiv an der öffentlichen Meinungsbildung teil etc. pp.
@reizzentrum:
Realitätsverlust jeglicher Art ist natürlich immer ein Risiko.
Killerspiele welche niedrigste Instinkte belohnen sind aber imho besonders gefährlich, weil sie solches Tun nicht nur als tolerierbar sondern geradezu als normale Alltagsbeschäftigung banalisieren.
@irgendeiner:
Wie schon im obigen Artikel beschrieben, wurden bei mir persönlich durch die Waffenausbildung (Schütze hinter Holzstoss) wesentlich mehr „Schranken“ abgebaut, als es jedes Egoshooter bisher vermochte. Es mag auch an meiner Persönlichkeit liegen, dass ich mich und meine Reaktionen auf externe Reize beobachte und diese persönlichen Erfahrungen sind gewiss nicht auf alle Menschen übertragbar.
Aber gerade aufgrund meiner persönlichen Erfahrung schätze ich, dass die Debatte um „Killerspiele“ sich verselbstständigt hat, ohne dass die betroffenen Entscheider eigene Erfahrungen haben. Dazu kommt eine Waffenlobby, der es lieber ist über Killerspiele zu hetzen, als den Zugriff auf Waffen einzudämmen.
@reizzentrum:
Als braver Eidgenosse hatte ich auch eine komplette Ausbildung am Schiesseisen und bin mir sicher, dass ich im sog. Ernstfall durchaus den angreifenden Gegner ohne jegliche Skrupel umgelegt hätte.
Weil aber das Setting eben ganz anders war, d.h. immer als Ausnahmesituation von Selbstverteidigung, kann ich keine Verrohung und keinerlei Gefährdung meines Seelenheils darin erkennen.
Ich habe auch eher den Eindruck, dass reizzentrum mit dem eigenen militärischen Erlebnis hinter dem Scheiterhaufen eher kokettiert um die wichtige Debatte über die Gefahren von Killerspielen herunterzuspielen.
Auch wenn weder er noch direkt von ein paar game-sessions gefährdet wärden, diese Debatte hat sich imho nicht verselbständigt und wird viel zu wenig ernsthaft von Entscheidungsträgern geführt.
Und zwar in aller Breite auch die täglich per TV in die Stube gelieferte Gewalt aller Art…
irgendeiner
@irgendeiner:
Wie Du richtig anmerkst macht es einen DEUTLICHEN Unterschied, ob man sich in einer Notwehr/Nothilfe Situation befindet oder von sich aus Gewalt initiiert.
Als ehemaliger Bundesdeutscher – nun Gesamtdeutscher – habe ich aber die Erfahrung machen können, mit einem ehemaligen „Feindbild“ – einem Ex-NVA-Soldaten – wunderbar entspannt ein Bierchen zu trinken. Dieser wäre vor 1989 im worst-case derjenige gewesen, auf den ich hätte schiessen sollen. Da wird Notwehr zu einem Stellvertreter-Delikt. Diese Person würde mir niemals etwas tun. Aber die politische Lage …
Zurück zum eigentlichen Thema. Ich habe gerade letzten einen interessanten Artikel über die Ursachen von Amokläufen gelesen, in diverse Amokläufe analysiert wurden und festgestellt wurde, dass es KEINE Gemeinsamkeiten gab. Selbst das von den Medien hochgespielte „killerspielen“ kann man nicht als Auslöser identifizieren. Eher geht es in den Bereich „mangelnde Aufmerksamkeit von aussen“. Aber auch diese These ist gewagt.
@reizzentrum:
Amokläufe sind glücklicherweise noch relativ selten und vermutlich nur entfernt mit Killerspielen korrelliert.
Für die bereits extrem weit verbreitete Jugendgewalt, von der die Medien bereits nur noch im Falle von Todesfolgen berichten, welche aber bereits zu einer Landplage ausgeartet ist, sehe ich es ganz anders.
Dort korreliert das Verschwinden der Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt sicherlich mit der Gewöhnung in wiederholter Spileraktivität.