Ist es ein Unterschied, ob ein Parteiwechsler mit einem Direktmandat oder über einen Listenplatz in ein Parlament eingezogen ist? Ich kann hier nur meine (subjektiv-moralische) Sichtweise wiedergeben.
Politische Vertretung sollte mit Vertrauen einher gehen. Allein aus diesem Grunde fand ich den Standpunkt der Piraten „Themen statt Köpfe“ suboptimal. Denn einem Individuum kann ich persönlich mehr Vertrauen entgegen bringen, als einer diffusen Gruppe von Menschen.
Daraus ergibt sich, dass ich – wenn ich einen Kandidaten mittels Direktmandat wähle – eben diese Person wähle. Nahezu unabhängig der Parteizugehörigkeit, spreche ich meinem Vertreter das Vertrauen aus, meine Belange vertrauensvoll wahrzunehmen. Sollte diese Person nach einer Wahl feststellen, dass sich seine innere Überzeugung nicht mehr mit seinem Parteibuch deckt, so wird er die Partei wechseln oder Parteilos das Mandat weiter führen. Dieses Verhalten deckt sich – im günstigen Falle – mit genau der Erwartungshaltung, aufgrund welcher die Wähler ihr Vertrauen aussprachen. Die Mitnahme des Mandates ist an dieser Stelle angezeigt.
Bei Listenkandidaten sieht der Fall gänzlich anders aus. Denn hier hat der Wähler NICHT dem Mandatsträger, sondern der Partei das Vertrauen ausgesprochen. Ob der jeweilige Listenplatzinhaber zum Volksvertreter wird, ist nur von zwei Faktoren abhängig: Bekommt er parteiintern einen Listenplatz und bekommt die Partei genügend Wählerstimmen, dass sein Listenplatz ein Mandatplatz bedeutet. Aus diesem Grunde sollten Listenplatzinhaber ihr Mandat an die Partei zurück geben, wenn Sie die Partei verlassen. Allein aus moralisch-ethischen Gründen. Denn – auch wenn sie es gern anders sehen – sie persönlich sind nicht vom Volk gewählt. Sie sind innerhalb der Partei austauschbar.
Subjektive Essenz: Listenplätze sind parteigebunden, Direktmandate sind personengebunden. Auch wenn das Verfassungsgerichtshof des Saarlandes diesen Fall schon einmal anders wertete.
Auch Listenkandidaten sind aber „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Wenn ihr Gewissen ihnen sagt, dass sie die Auffassung der Partei, zu deren Fraktion sie derzeit gehören und über deren Liste sie gewählt wurden, in Einzelfragen oder auch generell nicht mehr teilen – warum sollten sie dann nicht die Konsequenz ziehen und nach ihrem Gewissen handeln, wie das Grundgesetz es von ihnen verlangt? Und das bedeutet dann gerade nicht, weiter den Auffassungen zu folgen, die sie nicht mehr teilen, und auch nicht, den Platz für jemand freizumachen, der das tut.
Wer weiß – vielleicht hat der Wähler ja gerade wegen dieses oder dieser Abgeordneten der Partei das Vertrauen ausgesprochen (und würde das heute gleichfalls nicht mehr tun)?
-thh hat recht, so einfach ist das nicht. Es hängt vom Einzelfall ab. In Fällen, in denen es die Partei ist, die ihre Linie ändert, kann es durchaus gerechtfertigt sein, daß auch Abgeordnete mit Listenmandaten diese behalten, wenn sie die Partei verlassen, deren Linie sie nicht mehr mit tragen können. Denn die Abgeordneten vertreten ja durchaus noch das, wofür sie gewählt wurden. Nur die Partei tut das eben nicht mehr.
Wenn eine Partei sich von ihrem Wahlprogramm komplett verabschiedet, hat sie ein ganz anderes Problem (SOLLTE sie haben!).
Generell sollen die Mandatsträger ja nur ihrem Gewissen verantwortlich abstimmen. Insofern SOLLTE die Partei-/Fraktionsmeinung bei Abstimmungen gänzlich egal sein, die Person stimmt nach eigenem Willen ab. Dies ist also ein ganz anderer „Geschäftsvorfall“, als das Verlassen der Partei bei Mitnahme des Mandates.
Ich weiß, manchmal bin ich kleinlich 🙂