Handeln und nicht nur den Anschein erwecken. Effektive Wege gegen Kinderpornografie im Internet und Zensurmöglichkeit

Sehr geehrte Frau Ursula von der Leyen, sehr geehrter Herr Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg,

in den letzten Tagen bin (nicht nur) ich hart mir Ihnen zu Gericht gegangen, habe scharfe Worte formuliert und Attacken gefahren. Nun reagieren Sie, sicher nicht auf mich sondern auf die wahlberechtigten und engagierten Bürger, die sich gegen das von Ihnen angestrebte Gesetz zur Sperrung von kinderpornografischem Material im Internet äussern. Vielleicht ist es unsere Schuld – die Schuld der Blogger und anderen netzwerkerfahrener Bürger, dass Sie unsere teilweise scharfe Kritik so harsch beantworten. Wenn Sie – Herr von und zu Guttenberg sagen:

Es macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Sperrung von kinderpornographischen Inhalten sträuben.

dann haben Sie FAST Recht. Es würde mich betroffen machen, wenn der Schluß erlaubt wäre, dass Sperrgegner gleichzeitig Befürworter von uneingeschränkter Verbreitung von Kinderpornografie sind. DAS ist aber gewiss ein Trugschluss. Wer das Gespräch mit den Sperrgegner sucht, findet heraus dass alle (mir bekannten) Sperrgegner – genau wie Sie – Kinderpornografie widerlich finden und sowohl Kinderpornografie als auch Kindesmissbrauch verurteilen und ausmerzen möchten.

Frau von der Leyen, Ihrer Aussage:

Eine zivilisierte Gesellschaft, einschließlich der Internetgemeinschaft, die Kinderpornografie ernsthaft ächtet, darf auch im Internet nicht tolerieren, dass jeder diese Bilder und Videos vergewaltigter Kinder ungehindert anklicken kann“

schliesse ich mich uneingeschränkt an! Aber ich würde weiter gehen und in dem obigen Satz das Wort „ungehindert“ streichen. Denn DANN bekommt der Satz eine neue, tiefergehende Bedeutung: „dass jeder diese Bilder und Videos vergewaltigter Kinder ungehindert anklicken kann“. Die Bilder und andere Medien dürfen gar nicht mehr im Internet auftauchen. Sie dürfen nicht mehr abrufbar sein, am besten weil die vorhergehende Straftat des Kindesmissbrauchs gar nicht mehr stattfindet.

Was aber tun, wenn man NICHT mittels der Nameserver den Zugriff auf die Bilder nur erschwert und Internetbenutzer, die auf eine – in der Sperrliste befindliche – Webseite klicken, kriminalisiert. Man muss auch mit den Verdachtsmomenten ÄUSSERST sorgsam umgehen, denn wie schnell kann ein Verdacht, eine Hausdurchsuchung und ein Verfahren (welches dann eingestellt wird), ein Leben zerstören. Was würde es für ihre politische Karriere bedeuten, wenn auch nur der Verdacht bestehen würde, dass Sie – aufgrund unscharfer Ermittlungsarbeit – Interesse an kinderpornografischem Material hätten? Was würde es für Sie und vor allem ihre Familie und ihren Freundeskreis bedeuten?

Was also kann man besser machen, wie kann man WIRKSAM gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie vorgehen?

Wir sollten zuerst zwischen der Verbreitung von Kinderpornografie und Kindesmissbrauch trennen. Die Dokumentation des Kindesmissbrauchs ist die Kinderpornografie. Es muss verdeutlicht werden, dass die Wirkung Kinderpornografie ohne Kindesmissbrauch nicht existent sein kann. Allerdings kann sehr wohl Kindesmissbrauch ohne dessen Dokumentation bestehen. Die Bekämpfung des Kindesmissbrauchs – ob er in deutschen Wohnungen, im unbeachteten privatem Umfeld – oder auch international als „Geschäftmodell“ von widerwärtigen Menschen ohne Moral praktiziert wird, ist äusserst schwierig. Es sind nicht nur die massiven benötigten Resourcen bei der Ermittlungsarbeit, es ist auch die Scham und das Schweigen der Opfer, die es Tätern viel zu oft ermöglicht unbescholten ihre widerlichen Taten zu begehen.

Da auch ich keinerlei fundierte Ideen und Lösungsansätze bezüglich der Eindämmung des Kindesmissbrauchs habe, ausser es den Opfer zu ermöglichen – sie zu ermutigen – ihre Täter anzuzeigen, oder sich Hilfe zu suchen, will ich auf diesen Punkt gar nicht tiefer eingehen. Da sind Selbsthilfegruppen und die in dieser Thematik erfahrenen Ermittler und Staatsanwälte wesentlich bessere Ansprechpartner.

Wozu ich aber etwas sagen kann, ist das Thema Internet und Verbreitung von Informationen über das Internet. Ich habe viele Jahre Erfahrung in Technik und Strukturen des Internets sammeln können. Aufbauend auf dieser Erfahrung möchte ich skizzieren, wie wesentlich effektiver gegen kinderpornografisches Material vorgegangen werden kann. Sperren und oder gar wegsehen war noch nie eine Lösung.

Wir wollen zuerst betrachten, wie solch Material überhaupt zur Verbreitung oder dem Zugriff in das Internet gelangt:

  1. Das Material muss originär bei mindestens einer Person digitalisiert zur Verfügung stehen
  2. Diese Person(en) benötigen einen Zugang zum Internet, um das digitalisierte Material einzuspielen
  3. Egal ob diese Daten nun auf einem sogenannten Point-to-Point-Netzwerk (P2P) oder einer Webseite liegen. Der „Einspieler“ benötigt einen „initialen“ Server, auf dem er das Material ablegt
  4. Andere – das Material weiterverbreitend anbietende – Server, oder auch Anwender benötigen Zugriff auf die Daten des initialen Server

Für eine wirklich sinnvolle Bekämpfung, mit der Möglichkeit an die Hintermänner heranzukommen, ist es notwendig den Weg der Daten von den verbreitenden zu den ausliefernden Server zurück zu verfolgen.

Anstatt den ausliefernden Servern mit dem „Stoppschild des Vergessens“ abzudecken, sollten die im Verfahren beteiligten Dienststellen Kontakt zu den Serverbetreibern aufnehmen. Die Server stehen zumeist in grossen Rechenzentren. Die Betreiber der Rechenzentren vermieten Serverdienste oder stellen Server oder Server-Stellplätze und Anbindung zur Verfügung, OHNE zu wissen oder zu kontrollieren, was auf den jeweiligen Servern für Daten zur Verfügung gestellt (gehostet) werden. Eine Kontrolle der Rechenzentren intern, welche Daten auf den Servern gehostet werden, würde einen massiver Verstoss gegen alle Datenschutzgesetze bedeuten. WENN aber – aufgrund von Hinweisen – ein Rechenzentrum Kenntnis von illegalen Aktivitäten in seinem Netzwerk erfährt, wird es – so ist meine Erfahrung, ich arbeite in der Branche – umgehend den betreffenden staatsanwaltliche Anordnung folgen oder nach eigenständiger Prüfung, den Server vom Netzwerk trennen um eine weitere Verbreitung des Materials definitiv zu unterbinden. Ausserdem wird das Rechenzentrum die ermittelnden Behörden – abhängig von den rechtlichen Rahmenbedingen – im Bereich Beweissicherung und Recherche ganz sicher technisch kooperativ unterstützen. Auf diesem Wege könnte – wenn die Daten aus dem Internet bereits nicht mehr erreichbar sind – der Weg der Daten zurück verfolgt werden. Im günstigsten falle bis hin zu dem Internetzugang, von dem aus die Daten erstmalig auf einen Server gespielt wurden. Auch internationale Zusammenarbeit sollte kein Problem darstellen. Es darf unterstellt werden, dass JEDES Rechenzentrum – zumindest in der EU und den USA (sowie vielen anderen Ländern) – in diesem Bereich deutlich kooperativ sind. Es reichen ein paar Telefonate. Ich habe früher – als Spammails noch von „normalen“ Mailservern und nicht von sogenannten Bot-Netzwerken ausgesendet wurden – diverse Male Serverbetreiber (auch international) dazu bringen können, ihre Benutzer zu „disziplinieren“.

Ausnahmen und Problemfälle gibt es allerdings auch – zumindest was die Rückverfolgung angeht.

  • Sollte der Einsteller das Material über ein anonymisierendes Internetcafe oder Funknetzwerk eingespielt haben, verliert sich die Spur.
  • Sollte als Medium NICHT ein Webserver, sondern ein P2P-Netzwerk genutzt werden, ist eine Zurückverfolgung nahezu ausgeschlossen.

Dennoch kann man mit wenig Mitteln und Aufwand das Material direkt vom Internet entfernen und auch Hinweise zu dem – oder mittels Vorratsdatenspeicherung direkt – den Einsteller ermitteln. Über den Einsteller hätte man dann weitergehende Ermittlungsmöglichkeiten zur Ermittlung der eigentlichen Täter in Bezug auf das Delikt Kindesmissbrauch.

Also: Ich bitte sie inständig, nein ich fordere Sie auf: Unterlassen Sie diese Anscheinpolitik, sondern initieren und gehen sie Wege, die Erfolge versprechen und nicht nur die Folgen der Taten verdecken. und zudem noch die Möglichkeit beeinhalten, dass sie später zu einer Gefahr der Meinungs-und Informationsfreiheit ihrer Wähler, der Bürger der Bundesrepublik Deutschland, werden kann.

9 Gedanken zu „Handeln und nicht nur den Anschein erwecken. Effektive Wege gegen Kinderpornografie im Internet und Zensurmöglichkeit

  1. Es gibt auch andere Ansätze zur Verfolgung der Täter:

    1. Verfolgung von Zahlungsströmen – allerdings wirkt das nur dort, wo tatsächlich Geld verlangt wird. Dies ist aber offensichtlich immer weniger der Fall. P2P macht diesen Leuten das Geschäft kaputt. Sie können keine Abmahnungen verschicken, wenn ihr Material zuerst in geschlossenen Foren und dann schließlich auf P2P-Börsen weiterverbreitet wird.
    2. Identifizierung der Opfer: Besonders wenn mehrere Poilzeibehörden ihre Erkenntnisse teilen, können Missbrauchsfälle bis zum Ursprung zurückverfolgt werden.
    3. Ausbau sinnvoller Zusammenarbeit mit Providern. So sind Provider in immer mehr Staaten nicht nur verpflichtet, Kinderporno zu löschen – sie müssen es auch der Polizei melden. Auch wichtig: Hotlines, die als zentrale Ansprechpartner für beide Seiten zur Verfügung stehen.
    4. Alle Maßnahmen gegen Cybercrime, CC-Betrug, Botnetze.

  2. @Torsten:

    Zu deinen Punkten 1) und 2) kann ich mich – wie auch im Beitrag beschrieben – nicht wirklich fachlich fundiert äussern. Das sind Bereiche, in denen ich mich definitiv nicht als „Fachmann“ bezeichnen kann.

    3) Was Provider – besser Hoster bzw. Rechenzenten – angeht, so sei dir sicher, das ALLE RZs (die ich kenne ….) problemlos Daten vom Netz nehmen und auch Anzeige erstatten, wenn sie von anderen Stellen als den Polizeibehörden über strafrechtlich relevantes Material auf ihren Servern erfahren. Ein sofortiges LÖSCHEN der daten wäre aber – was die Strafverfolgung angeht – kontraproduktiv. Es gibt auch noch den bereich Beweissicherung. 🙂 Aber die Server werden umgehend vom Netz getrennt, so dass dieses Material für Nachfrager nicht mehr erreichbar ist.

  3. Eine Meldepflicht beinhaltet natürlich auch, dass die Polizei kompetente Ansprechpartner zur Verfügung stellt – also gut geschulte Polizisten. Hier muss international noch viel nachgearbeitet werden.

  4. @Torsten:

    Soweit MIR bekannt, haben die Polizeidienststellen sehr wohl sowohl ausgebildetes, als auch engagiertes Personal. Ob dieses in ausrechender Anzahl zur verfügung steht …. Wobei die Serverhoster aber – nachgewiesener Massen – bereit sind, auch dort mit Know-How unterstützend zu helfen. Siehe http://www.space.net/unternehmen/unser-pressebereich/detailansicht-news/index.html?tx_ttnews%5Btt_news%5D=533&tx_ttnews%5BbackPid%5D=1&cHash=0087f5e172

    Daraus kann man ableiten, dass ALLE involvierten Parteien willens und in der Lage sind, EFFEKTIV zu helfen. Nur wird dieses leider – noch? – von der Politik ignoriert, da es anscheinend einfacher ist pubulistische Agitation zu betreiben, als WIRKSAM zu agieren.

  5. Noch eine Politiker-Aussage gefällig in diesem Zusammenhang? Dieter Wiefelspütz (SPD) äußert sich auf abgeordnetenwatch wie folgt, als er nach seiner technischen Kompetenz hinsichtlich access blocking gefragt wird:

    „Sehr geehrter Herr Hipp,

    was soll denn ein „Computer“ sein, was soll „Internet“ sein?

    Ich habe diese Begriffe noch nie gehört oder gelesen. Ich stamme nämlich aus dem vergangenen Jahrtausend.

    DNS, TLD, GAGA, GOGO, TRALAFITTI oder was?“

    Unglaubliche, diese Paarung von Dummheit, Ignoranz und Arroganz – aber auch eine nette kleine Entscheidungshilfe für die anstehenden Wahlen.

  6. @Jost Gerischer:

    Ist bekannt – wobei ich davon ausgehe, dass dies ironisch gemeint ist aufgrund von „was soll denn ein “Computer” sein, was soll “Internet” sein?“. Er WEISS was Copunter und Internet sind.

    Sicher ist/war die Aussage DEUTLICH unglücklich, aber sie ist – für mich – nicht ernst zu nehmen …

  7. @reizzentrum:

    Klar ist das ironisch gemeint, aber angesichts der aktuellen Debatte offenbart die Aussage doch, wie ernst Politiker wie er die Belange eines Teils der Bevölkerung nehmen – nämlich gar nicht.

    Ich finde, Wiefelspütz passt gut in die Reihe der Zitate hier und zeigt seine Arroganz. Dass die Frage natürlich auch polemischen Charakter hatte – keine Frage, allerdings wäre es ja nicht das erste Mal, dass er übers Ziel hinaus schießt. Eventuell lesen wir ja von ihm die Tage eine Relativierung seiner Aussage, wie schon mal geschehen, als er den CCC als „pseudo-Computerexperten“ bezeichnet hatte.

    Am Ende kann „uns“ nichts Besseres passieren, als dass sich Politiker durch solche Zitate entlarven; zeigt es doch, wie unsachlich viele von ihnen argumentieren.

    Ich denke, „wir“ Netzaktivisten und Bürgerrechtler müssen mit den gleichen Mitteln zurück schlagen: shock and awe, Diffamierung und rhetorische Überlegenheit.
    Wenn wir dann versuchen, die Debatte stärker zu versachlichen, aber unsere Positionen mit solchen Statements „würzen“ und die Gegenseite als „GAGA“ hinstellen können, dann erreichen wir u.U. auch mehr mediale Aufmerksamkeit und können eine breitere Gesellschaftsschicht mobilisieren.
    Die etablierten Parteien werden nur dann kapieren, dass sie was ändern müssen, wenn ihnen die Wähler weg laufen. Rein mit sachlichen Argumenten halte ich die Erreichung dieses Ziels für ausgeschlossen, weil die Gegenseite eben auch mit unsauberen Methoden arbeitet.

    Wir müssen diese Politpunks aus der Reserve locken! Wenn wir ihnen nur mit Sachargumenten begegnen, unterliegen wir in der medialen Wahrnehmung, weil diese Politiker Kanäle nutzen können, die uns so erst mal nicht zur Verfügung stehen. Ein „Skandal“ wird die Medien aber immer interessieren;)

  8. @Jost Gerischer:

    War es nicht Uhl, der den CCC aktuell verunglimpfte?

    Ich – so für mich – bin der Meinung, gerade wenn die Politiker solch hahnebüchenen Blödsinn erzählen, sollten uns dadurch – auch und gerade vor der Öffentlich – dadurch auszeichnen, dass wir sachlich fundiert argumentieren. Wir sollten die unsachlichen Argumente enttarnen und aufklären. Auch Journalisten erkennen Blödsinn, manchmal muss man ihnen nur ein wenig helfen. Siehe auch gerade den diesbezüglichen Artikel im Tagesspiegel.

  9. Pingback: Gutes wollen, Böses tun - Betrachtungen zu Internetsperren | Reizzentrum

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