Shitstorm und Anonymität im Internet

Ist der Shitstorm eine Errungenschaft des Internets? Ist die Anonymität im Internet das Ende des vernünftigen Umgangs miteinander? Ich beantworte beide Fragen mit einem deutlichen Nein.

Der Spiegel schreibt heute:

Immer häufiger werden Politiker zum Ziel anonymer Beschimpfungen. Es wird gepöbelt, attackiert, oft unterhalb der Gürtellinie. Jetzt sprechen die Betroffenen über ihre Erfahrungen – und fordern mehr Anstand im Netz.

Und ich wage diese Aussage als Unwahrheit zu bezeichnen. Shitstorm gibt es schon viel länger als das Internet: Politiker wurden schon vor 50 Jahren beschimpft und verunglimpft. Wenn jede beleidigende Äußerung in Studentenkreisen gegenüber einem Franz-Josef Strauss über die gesamte Bundesrepublik hörbar gewesen wäre, würde der Begriff Shitstorm nicht mit dem Internet assoziiert werden. Shitstorm gab es lange vor dem Internet – er war nur nicht so sichtbar! Das Internet ermöglicht es, die Meinung von sehr vielen Stammtischen, Studentengesprächen und nicht zuletzt Klowandsprüchen zu kanalisieren. Das Internet ist eine stete Onlinedemonstration der Volksmeinung. Sicher tut es einigen Personen weh, wenn zum einen Fehlgriffe als auch deren Reaktionen öffentlich sichtbar ausgebreitet werden, es ändert aber nichts an der Ursache und des Umfangs der Wirkung. Schon Frau von der Leyen musste feststellen dass ein „nicht sichtbar“ etwas anderes ist als „nicht vorhanden“.

Und wie sieht es mit der Anonymität aus? Ja, ich gebe zu: Auch ich wurde schon anonym beleidigt. Aber dies nicht nur im Internet. Auch im Strassenverkehr wird sicher der eine oder andere einmal einen Vogel gezeigt bekommen oder ein „Penner“ oder ähnliches zu hören bekommen haben. Und kenne ich den Realnamen jedes Radfahrers, der mich auf dem Fußweg fasst umfährt? Auch hier wird anonym gearbeitet. Und wie sieht es mit dem Angetrunkenen aus, der mich vielleicht in der Kneipe anpöbelt? Lasse ich mir von ihm seinen Ausweis zeigen? Wohl eher nicht. Entweder ich reagiere oder ich stehe über der Pöbelei. Kaum jemand wird die Polizei rufen um die Personalien desjenigen feststellen zu lassen der sich rüpelhaft beim Einsteigen in den Bus vordrängelt.

Ich glaube diejenigen, die sich über Shitstorm und Anonymität aufregen, begreifen nicht dass das Internet genau so funktioniert wie das reale Leben, nur eben mir sehr viel mehr parallelen Beobachtern. Wer also den Shitstorm bekämpfen will, sollte dies bei der Erziehung der Kinder tun und bei seinem eigenen Verhalten tun. Dann ist auch die Anonymität kein Problem mehr.

2 Gedanken zu „Shitstorm und Anonymität im Internet

  1. Vor allem sollte, wer „Anständigkeit“ von den Bürgern fordert, erstmal selbst anständig sein und nicht Klientel-Interessen vor Allgemeininteressen stellen, Geld kassieren, wo’s nur geht, andere ausbluten lassen und sie dann auch noch verhöhnen, verleumden und beleidigen.

    Sach ich mal so.

    Gruß, Frosch

  2. Interessanter Gedanke, dass es schon seit 50 Jahren Shitstorm gibt. Ich finde, zum Teil hast du Recht, aber nicht ganz. Das Internet macht es leichter richtig zu pöbeln, selbst wenn man sich das nie im realen Leben trauen würde. Pöbler gibt’s immer. Aber im Netz trauen sich viel mehr zu pöbeln, weil sie keinen Rüffel zurückkriegen können.

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