Als ich das erste Mal in Marseille (per Flieger) landete, bekam ich leichte Beklemmungen, denn es patroullierte mit Schnellfeuerwaffen ausgestattes Sicherheitspersonal, etwas dass ich in dieser massiven Präsenz von anderen Flughäfen nicht kannte – und ein paar ausländische Flughäfen habe ich kennen gelernt.
Wie nun heute der TAZ zu entnehmen ist, soll in Zukunft die Bundeswehr auch im Innern angefordert und eingesetzt werden. Bundeswehr im Innern hatte bis jetzt etwas „heldenhaftes“, denn bislang half die Bundeswehr ähnlich wie THW und andere Dienste bei Hochwasser- und ähnlichen Katastrophen. Dagegen ist auch nichts einzusetzten, sondern es ist wünschenswert.
Nun aber wird es – so wie ich die Lage einschätze – eher wahrscheinlich, dass wir auch in Deutschland „oliv“ und Schnellfeuerwaffen auf Bahn- und Flughäfen antreffen werden:
Anders als von der SPD ursprünglich gefordert muss der Unglücksfall oder Anschlag nicht „unmittelbar“ drohen; es genügt, dass die Polizei Indizien für einen zukünftigen Anschlag hat. Auch die zweite von der SPD einst geforderte Einschränkung entfiel. Eigentlich sollte die Bundeswehr nur zur Abwehr von Gefahren „aus dem Luftraum und von See her“ eingesetzt werden. Jetzt ist auch der viel typischere Fall erfasst, dass Terroristen vom Boden aus agieren, also zum Beispiel einen Bahnhof in die Luft sprengen wollen.
Wenn ich mir die äusserst dünne Indizienkette in Zusammenhang mit den angeblichen kölner Terroristen anschaue, wird es nicht lange dauern, bis man am Hauptbahnhof Hamburg nicht nur die lapidare Lautsprecheransage „Der Zug hat leider Verspätung“ hört, sondern auch ein aus einer Männerkehle schallendes „Abteilung HALT“.
Ich habe noch Kontakte zu aktiven Bundeswehsoldaten. Erst wurde der Soldat „umgelernt“ für den Einsatz im „zu befriedenden“ Ausland, nun kommt noch eine Polizeiausbildung dazu. „Unmittelbarer Zwang“ gehörte bislang schon zum Ausbildungsinhalt, aber „Mann stoppen“ ist etwas anderes, als die garbe in Brusthöhe zu beginnen, damit der zweite Schuss dann den Kopf trifft.
Herr Innenminister, Sie wissen definitiv NICHT was sie tun!
Marseille ist kein Einzelfall, sondern ein Beispiel für das, was in Frankreich seit 2002 (als ein gewisser Jungpolitiker namens Sarkozy den Posten des Innenministers übernahm) in Frankreich passiert(e). Der „plan“, der die gesetzliche Grundlage für mit Maschinengewehren bewaffnete Soldaten in Bahnhöfen, Flughäfen, aber auch vor dem Eiffelturm und sonstigen Monumenten (und zu besonderen Anlässen) liefert, nennt sich „vigipirate“ und wurde im Nachfeld von 9/11 eingeführt. Ist jedenfalls ein „tolles“ Beispiel dafür, wie lange sich temporäre Regelungen halten, wenn die politische Kultur keine effektive Oppositionsarbeit erlaubt.
Die letzte Ungeheuerlichkeit aus dem französischen Innenministerium ist beispielsweise das Edvige-Projekt. Hier sollen in einer gemeinsamen Datei die Daten gespeichert werden von allen Leuten, die öffentlich wichtige Ämter bekleiden, was also nicht nur Regierungspolitiker, sondern auch Oppositionspolitiker betrifft, genauso wie Wirtschaftsbosse, Gewerkschafter, usw. Hinzu (dieselbe Datei, ja!) gesellen sich Kriminelle bis hin zu Jugendlichen ab 13 Jahren (also Kinder), die als auffällig in Erscheinung getreten sind. Ursprünglich sollte darin auch Religionszugehörigkeit und sexuelle Orientierung gespeichert werden. Nun werden auf Druck der Öffentlichkeit hin „nur“ Lebenslauf, Adressen undsoweiter gespeichert.
Um mit etwas Positivem zu schließen, was nämlich Marseille anbetrifft: Ich kam 2002 dort an um zu bleiben, und war auch erstmal geschockt, als ich die Soldaten als „Begrüßungskommando“ sah. Aber die Menschen und die Erfahrungen haben die Stadt und die Mentalität trotz der zweifelhaften „Begrüßung“ zu einer unvergesslichen Erfahrung gemacht 🙂