Ich will mit einer Geschichte von „früher“ beginnen, ein Erlebnis, das sich während meiner eigenen Zeit bei der Bundeswehr abspielte und auf dem ersten Blick nichts mit langen Haaren und dem Haarerlass zu tun haben mag.
Die Wochenendwache
Ich saß während meiner Zeit beim Bund auch mal eine Zeit beim Spieß auf dem Schoss – also nicht körperlich, aber im GeZi (Geschäftszimmer). Das Geschäftszimmer ist quasi der Bereich, in dem sich der administrative Teil abspielt. Typischerweise besetzt vom Kompaniechef, dem Kompaniefeldwebel (Spieß) sowie dem Geschäftszimmerpersonal. Und zum letzteren gehörte ich: Zum einfachen Personal.
Jeden Monat werden vom GeZi die neuen Wachpläne erstellt: Wer hat wann UvD und MvD/GvD (UvD=Unteroffizier vom Dienst / MvD=Matrose vom Dienst / GvD=Gefreiter vom Dienst). Und stets gibt es Geraune, weil „Ich habe keinen Bock, am Samstag Wache zu schieben“. Nach Veröffentlichung des Wachplans konnte ich folgende Situation am „Tresen“ des Gezis beobachten.
Ähnlich ist nicht gleich
Es erscheinen zwei Mannschaftsdienstgrade und stellen sich brav auf: Mannschaft1 erklärt dem Spieß
„Herr Hauptbootsmann, ich habe da an einem Samstag Wache. Ich komme aus $Ganz_weit_in_der_Walachei_im_Süden und wenn ich Samstag Wache habe, komme ich mit der Bahn weder vorher noch hinterher nach Hause. Kann man da was machen?
Die Antwort des Spieß war: „Kriegen wir hin – ich muss mal schauen wie wir das tauschen, aber mach dir mal keine Sorgen
Mannschaft1 freut sich, bedankt sich beim Spieß und verlässt das GeZi. Auftritt Mannschaft2, der die ganze Zeit anwesend war und entspannter aussieht als beim Eintritt in den Raum. Und folgender Dialog beginnt:
„Herr Hauptbootsmann, auch ich komme aus $ganz_weit_weg und würde auch gern eine Samstagwache loswerden.“ Die Antwort des Kompaniefeldwebels „Nee, sorry, da kann ich nichts machen“ hinterließ ihn fassungslos und er erwiderte „Wieso das, bei Mannschaft1 war das doch kein Problem?“. Die Antwort des Spieß war für mich in vielerlei Hinsicht lehrreich und prägend: „Mannschaft1 ist Wehrpflichtiger, der hat sich das nicht ausgesucht hier zu sein – der wurde schlicht zwangsverpflichtet. Du bist Zeitsoldat, Du hast gewusst worauf Du dich einlässt und hast unterschrieben, Dich den Gepflogenheiten hier zu unterwerfen.“
Die Moral von der Geschichte
Der jungen Mann, der dieser Tage geklagt hat, um seinem Haarwuchs freien Lauf zu lassen, ist in der Position von Mannschaft2: Er wusste, worauf er sich einlässt. Er ist freiwillig bei der Bundeswehr – er hat erklärt „Ich will mich den gültigen Regeln unterwerfen“ (fast wie vorm Traualtar…).
Ob ich den Haarerlass gut finde oder ihn kritisiere ist sekundär. Ich bin einen Vertrag eingegangen, über den ich mich hinreichend vorab informieren konnte. Das allein rechtfertigt in meinen Augen ein „Hau ab“ vom zuständigen Gericht. Ja, es klingt hart, ich weiß, dass viele junge Menschen auch zur Bundeswehr gehen, weil sie sonst wenig berufliche Perspektiven haben.
Nachsatz – eine Art Widmung
Mein Spieß (zu meiner Zeit Hauptbootsmann – später Oberstabsbootsmann) ist eine der wenigen Personen, die mich wirklich nachhaltig beeindruckt und geprägt haben: Er war verdammt fair und versuchte, sich stets „gut“ zu verhalten. Bekam er auch sehr gut hin. Er war es auch, der mich an meinem dritten Tag im GeZi anpöbelte, weil ich wieder die Kaffeetassen spülte: „Ob ich denken würde der Chef und er wären handwerkliche Idioten. Die beiden wären problemlos in der Lage, ihre Tassen selbst zu spülen“. Von dem Moment spülte ich nur noch jeden dritten Tag und die restliche Zeit spülten meine Vorgesetzten.
Aber ich hatte eh Glück in meinem Leben mit so manchem Vorgesetzten. Hat auch nicht jeder.
Es geht doch nicht darum, daß der klagende Soldat im Vorfeld ganz genau gewußt hat, auf welche regeln er sich eingelassen hat, sondern daß es eine sachgrundlose Ungleichbehandlung ggü langhaarigen Soldatinnen besteht.
Das erinnert ein wenig an gewisse Leute die hier im Süden neben einen Biergarten ziehen, weil „da ist es schön grün, und gleich mit Biergarten um die Ecke, und so“.
Und dann ein paar Jahre später vor Gericht ziehen, weil der Biergarten mit so viel Lärm verbunden ist.
Ärgerlicherweise haben die dann auch noch Recht bekommen – ich hätte sie mit „das wusstet Ihr als Ihr da hin gezogen seid“ abblitzen lassen…
Auch gern zu finden an Flugplätzen, Schnellstraßen oder Müllkippen, in deren Nähe Häuser als „Schnäppchen“ gekauft werden um anschließend gegen die Belästigung zu klagen.
@Mega Für mich ist der Typ schlicht ein Nörgler. Vielleicht bin ich mittlerweile alt uns altersstarrsinnig 🙂