Über Fefe wurde ich auf die neueste Perversion der Fernsehformate aufmerksam, über die man im Geekheim lesen kann: Widerliches TV-Format für 5000.:
man castet sich über solche Anzeigen ein paar notleidende Menschen zusammen. Die dürfen sich dann, getrieben von der Aussicht auf den Gewinn von 5000 Euro, einmal komplett exhibitionieren und erklären, warum gerade sie besonders bedürftig sind. Dann nimmt man sich eine Gruppe behüteter Gymnasialschüler und lässt sie entscheiden, welches der drei auf möglichst telegenes Notleiden zurechtgecasteten Opfer die 5000 Euro bekommt.
Widerlich. Eine weitere „Demütige mich“-Show, wie Ralle es schon vor 20 Jahren nannte.
Spieltheorieforschung in der Praxis…
Ja, es ist übel was die „Teilnehmer“ da mit sich machen lassen.
Aber nicht vergessen: Die sind da am Ende freiwillig. Wer meint dass er sich dafür „ausziehen“ will, soll doch.
Und die neue Qualität sehe ich auch nicht, ob nun der Schuldenberater, die seltsame Supernanny oder sogar die Tiernannys, alle dringen tief in die Intimsphäre der „Teilnehmer“ ein. Auf deren Wunsch.
@Curi0us:
Machen es die Teilnehmer WIRKLICH und allumfassend freiwillig, oder wird deren persönliche Notlage nötigend genutzt um sich dann hinstellen zu können und zu behaupten:“ Es muss ja keiner mitmachen“. Würden die Menschen bei dieser Art „Show“ mitmachen, wenn sie es finanziell nicht nötig hätten, oder es – bei anderen „Shows“ nicht so exorbitante Gewinne/Preise geben würde?
Jeder ist käuflich, und bei diesen Formaten werden diejenigen „gekauft“, deren Preis am niedrigsten ist. Umso „ärmer“ die Menschen dran sind, umso weiter lassen sie sich für das Konzept „Brot und Spiele“ herab. Die betroffenen Menschen (Opfer) können nichts dafür. Sie „müssen“ sich im TV vorführen lassen wie Freaks (die sie nicht sind!) in einem Zirkus, nur um sich das leisten zu können, dass für viele andere so erschwinglich ist, wie einmal im Jahr in den Urlaub zu fahren. Wir reden nicht von 5 Millionen Euro, sondern von 5 Tausend!
Um das mal in eine Relation zu bringen: Das ist der (circa!) dreifache Monatslohn eines „kleinen“ Arbeiters, aber das 15fache eines Hartz-IV Regelsatzes. Wer also ist bereit dort mitzumachen?
Ja, ist klar wer dafür zu kaufen ist oder wer nicht. Aber wenn du mal um dich schaust ist es eben trotzdem so, dass es solche geben wird, die ihre persönliche Situation so einschätzen, dass sie dafür teilnehmen und andere, die das nicht machen (oder hättest du das in deiner Keine-Kohle-Phase gemacht?).
Von daher ist es eben doch die Entscheidung jedes einzelnen. Genauso, wie es seine Entscheidung ist, für welchen Betrag er einen Job annimmt etc.. NATÜRLICH sind ärmere Menschen auch preiswerter zu bekommen. Aber die *entscheidung* liegt damit trotzdem bei ihnen. Selbstbestimmung etc..
Und sorry: „keine Urlaubsreise“ ist keine Notlage sondern absolutes Luxusdenken. Das ist nichts notwendiges.
Essen, Wohnen, Kommunikation (sprich „teilnahme am Leben“) ja, Notlage. Wer nur deshalb ins Fernsehen geht hat mein vollstes Mitleid.
Aber alles darüber hinaus ist mehr oder minder „Luxus“. Und wer für den ins Fernsehen will…Ein neuer Wohnzimmerschrank gegen einmal völlige Blamage? Selber schuld. (…TBC)
@Curi0us:
Das Anspruchsdenken wird den Betroffenen von allen Seiten – vor allem von den Werbetreibenden – eingeimpft. Du bist besser, schöner, erfolgreicher, wenn Du das und das hast: „BUY NOW, otherwise you are out“ ist die Message.
Die Aussage „man hat immer eine Wahl“ hat mal ein weiser Mensch so beantwortet:“Selbst im NS-Regime hatten die Menschen IMMER die Wahl“. Man hat die Wahl, jemanden zu denunzieren oder selbst getötet zu werden. Aber wieviel „Stärke“ gehört dazu, eben nicht schwach zu werden? Diese Stärke muss man – situationsbedingt – erstmal aufbringen.
Ich hätte mich in der „€124 für alles“ Zeit dafür definitiv nicht hergegeben, dafür bin ich zu stolz. Aber ich habe – gerade in der „Ein-Euro-Job“-Zeit Menschen kennen gelernt, denen die Situation(die Gesellschaft!) den Stolz – nach und nach – geraubt hatte.
Die sprichst den bei Geekheim angesprochen Urlaub an. Wie sieht das mit einer Therapie (die nicht unbedingt von der Krankenkasse bezahlt wird), oder einem Zahnersatz, der über den Almosensatz der Krankenkasse hinausgeht aus? Hartz-IV Empfänger haben nicht nur finanziellen Bedarf für Luxus, sondern AUCH für Dinge, die der Standardsatz nicht deckt, die aber dennoch für ein „menschenwerteres Leben“ sinnvoll sein können.