Die Verantwortung der Piraten das politische Selbstverständnis zu verändern.

Heute befasst sich die Süddeutsche wieder einmal mit der Piratenpartei. Ein recht wohlwollender Artikel, der mich zum einen warnt und andererseits wieder einmal nachdenklich macht.

Das außergewöhnlichste Ergebnis liefert aber der Forsa-Wahltrend (für Stern und RTL). Zwölf Prozent der Bürger würden demnach Piraten wählen – fünf Prozent mehr als bei der letzten Erhebung und damit so viele wie noch nie seit der Gründung der Partei im September 2006.

12% Prognose liessen mich vorhin schon bei Google+ folgendes schreiben:

Diese Umfragen sollten keinen Höhenrausch auslösen sondern die Demut vor der Verantwortung schärfen.

Umso mehr politische Verantwortung man in die Hände bekommt, desto mehr Verantwortung wächst daraus und desto sensibler und gewissenhafter muss man mit dieser „Macht“option umgehen.

Und ich halte es zwar einerseits wie einige Piraten, die bereits über Twitter erklärten, dass Umfragen eben nur Umfragen sind und dass man sein Auftreten nicht aufgrund von Prognosen verändern sollte, es bleibt aber eine gewisse Demut die zum verantwortungsvollen Umgang mit dem Vertrauen mahnt.

Aber ein anderer Absatz machte mich ebenfalls sehr nachdenklich:

 „Mit ihrem Einzug erschweren sie stabile Mehrheiten“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion [Anm.: CDU-Politiker Peter Altmaier] den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. Für SPD und Grüne seien sie daher ein Problem.

In meinem Selbstverständnis sind aber nicht die Piraten das Problem, sondern die nicht vorhandene  Möglichkeit der themengebunden – auf Vernunft basierenden – parteiübergreifenden Zusammenarbeit der Parteien. Denn das ursächliche Problem der Parteien liegt – in meinen Augen – in der Abhängigkeit der Fraktionen von Lobbyisten und Bedenklichkeitsträger. Das Problem fängt mit dem Koalitionsvertrag an und hört mit den Fraktionszwang auf. Warum sind die politischen Verantwortungsträger nicht in der Lage vier Jahre lang ohne Koalition und Fraktion schlicht eine Menge von ~600 Personen dazu zu bringen nach besten Wissen und (ihrem) Gewissen Entscheidungen zu treffen?

Warum gilt man das Mitglied der Partei A als Abweichler, wenn es einem Vorschlag einer anderen Partei zustimmt? Gesetzt den Fall alle im Bundestag vorhandenen Parteien hätten exakt 20% der Stimmen erhalten? Warum sollten sich die Abgeordneten nicht auf die am besten für das Amt des Bundeskanzlers/Bundeskanzlerin einigen können? Warum gilt es als Makel, wenn man keinen geeigneten Kanzlerkandidaten in den eigenen Reihen hat und neidlos und anerkennend einer anderen Partei zugesteht, dass sie die bessere Besetzung bereit hält. Die Antwort ist banal: Weil es um Macht, Einfluss und Gehälter geht.

Wenn sich unsere Politiker von diesem Machtinstinkt abwenden und die Vernunft wieder das Handeln bestimmt, sollte eine Zusammenarbeit aller Parteien – völlig losgelöst von persönlichen Befindlichkeiten – zum Wohle des deutschen Volkes möglich sein. Wenn  z.B. die SPD erklärt „Niemals mit den Linken“ sagt sie unterschwellig: „Wir werden alles verhindern, was die Linke vorschlägt. Diese Verbohrtheit ist es, welche das eigentliche Problem darstellt. Nicht die Piratenpartei, an dieser (und den Grünen und der Linken) wird das Problem nur überdeutlich. Die vom Ex-Kanzler vorgebetete „geistig-moralische Wende“, hier muss sie wirken.

(Politiker)Blut ist dicker als Wasser

Was gab es für einen Aufschrei als der ehemalige Berliner Finanzsenator Sarrazin gegenüber der Lettre International ein Interview gab in dem er sich – wieder einmal – (man möchte es fast denunzierend nennen) über das Prekariat äusserte.

Nun – nach dem Kompetenzentzug durch die Bundesbank – bekommt Sarrazin Beistand (nicht nur) von seiner Partei:

Vertreter von CDU und SPD kritisieren die Bundesbank, die ihrem umstrittenen Vorstand Sarrazin Kompetenzen entzieht.

schreibt die Süddeutsche. Und ja, ich kann das nachvollziehen. Man muss immer nach der Motivation für eine Aussage oder ein Handeln fragen. Denn dann ergeben sich Bilder, die einen Sinn ergeben. Warum sollte sich die SPD, die Sarrazin für das Interview kritisierte(!) nun hinter den SPDler stellen? Der Sinn könnte darin liegen, dass auch ehemaligen Politiker eine „Restimmunität“ zugesprochen werden soll. Das normale Politikerleben sieht vor, dass man – wenn man mal so richtig Scheisse gebaut hat – von den Medien so richtig abgewatscht wird, aber ernsthafte Folgen? Also Entschuldigung mal, ernsthafte Folgen haben im Selbstverständnis eines Politikers nichts zu suchen. Ein Politiker wird nicht fristlos entlassen, nur weil er mal eine Freakadelle gegessen hat. Nur um auf die Titelseite der Bild zu kommen muss ein Politiker schon deutlich unangenehmer auffallen. Was ist da schon eine Aussage, die zu einem Reputationsverlust der Bundesbank führen kann? Peanuts!

Also werden sich die Politiker weiterhin hinter ihre ehemaligen Kollegen stellen, denn schon bald – so hoffen Sie – haben auch sie einen gutbezahlten Vorstandsjob und dann könnten diese Abstrafungen auch für sie „erreichbar“ sein. DAS geht ja gar nicht!

Herr Schäuble sollte Angst vor der Bundeswehr im Innern haben

Also als ICH damals – als Zeitsoldat – meinen Eid geleistet habe:

„Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.“ (Hervorhebung von mir)

da war mir noch nicht klar, dass ich diesen Eid irgendwann dazu nutzen KÖNNTE meine Waffe gegen den Bundesinnenminister zu richten. Dort steht nichts von Gesetzen, von Regierung oder ähnlichem, sondern es geht um die Bundesrepublik, um Recht und Freiheit des Volkes. Dazu kommt, dass es damals – so Anfang der 80er – den Bürger in Uniform gab. Den mündigen Soldaten, der „erzogen“ wurde, Befehle auch nach ihrer rechtlichen Grundlage zu bewerten. Uns wurde sehr deutlich klar gemacht, welche Aufgaben wir nicht übernehmen durften, welche Befehle nicht befolgen. Damals konnte ich mit dieser Rechtsgrundlage und dem darauf basierenden Selbstverständnis gut leben.

Heute allerdings frage ich mich, ob ich nicht – wäre ich noch im aktiven Dienst – ein grundsätzliches Problem mit dieser Schizophrenie hätte: Das eine sehr grosse Bedrohung der Rechte und der Freiheit der deutschen Bevölkerung aus dem Innenministerium kommt.

Wie würde ich heute reagieren. Diesen Gedanken möchte ich nicht ganz zu Ende ausführen – besser ist das.