Otto versaut nicht nur Hamburg

„Otto versaut Hamburg“ war (oder ist) der Titel einer Otto Walkes  LP von 1981. Und an diesen wunderschönen Titel musste ich denken als ich folgende Zeilen las:

Die großflächige Kameraüberwachung in Einkaufszentren der ECE-Gruppe ist nach Ansicht mehrerer Landesdatenschutz-Behörden rechtswidrig. Es würden Bereiche gefilmt, in denen das weder erlaubt noch notwendig sei, sagte der Datenschutzbeauftragte des Landes Hamburg, Johannes Caspar, NDR Info. „Die Überwachung verstößt in dieser Form gegen das Bundesdatenschutzgesetz“, so Caspar weiter. Die Hamburger Firma ECE, die in Deutschland 93 Shoppingcenter betreibt und zum Besitz der Otto-Familie gehört, wies den Vorwurf zurück.

Quelle NDR. Worum geht es denn konkret? Erstens geht es um Kameras die folgende Bereiche abdecken:

  • in den Eingängen zu Toiletten der Mitarbeiter
  • zu den Umkleideräumen der Mitarbeiter
  • die Eingänge ins Einkaufszentrum
  • von den Rolltreppen oder von den Gängen
  • Von den Cafes in denen die Gäste sitzen

Und zweitens geht es – allein in Hamburg – um folgende Objekte, die der massiven Kameraüberwachung unterliegen:

  • Phoenix-Center Hamburg-Harburg
  • Billstedt-Center
  • Elbe-Einkaufszentrum
  • Alstertal-Einkaufszentrum
  • Hamburger Meile (Ex- Hamburger Strasse)
  • Hanse-Viertel
  • Europa Passage

Und das sind nur die Einkaufzentren, die in Hamburg unter der Verantwortung des „Otto-Clans“ überwacht werden.Wunderschön ist folgende Aussage:

„Die Kunden haben den Anspruch, dass sie in unseren Einkaufszentren sicher unterwegs sein können. Sie verlangen heute sogar, dass es solche Einrichtungen gibt und wir weisen an jedem Eingang auf die Videoüberwachung hin“, sagte Sprecher Christian Stamerjohanns.

Ob die Kunden dies wissen? Das sie so gerne überwacht werden – auf Schritt und Tritt? Wissen auch die Angestellten, dass sie ihrem Arbeitgeber auffordern jeden Gang zum Klo zu überwachen?

Ach was bin ich froh, dass ich als Kunde noch aussuchen kann, wo ich einkaufen gehe. Das Phoenix-Center ist bei mir um die Ecke, aber ich fand es schon immer scheisse. Zumal der Bau dieses Konsumpalastes viele kleine Geschäfte in der Umgebung in den Ruin getrieben hat und eine ehemalige schöne Fußgängerzone nun nur noch von Telefonshops und Ein-Euro-Läden gesäumt wird.

Der Beruf des Soldaten, Befehle und die Gorch Fock

Diese „Sache“ auf dem deutschen Segelschulschiff Gorch Fock hat bestimmt jeder mitbekommen. Dort zur Ausbildung befindliche Offiziersanwärter(!) sollen – laut Tagesschau:

viele Soldaten hätten „unmittelbar nach dem schmerzhaften Verlust der Kameradin“ nicht mehr in die Takelage klettern, andere hätten überhaupt nicht mit der „Gorch Fock'“ weiterfahren wollen.

Ja, liebe Offiziersanwärter: Willkommen im Berufsstand des Soldaten. Da haben diese Flachfeilen von Zivilversagern Richard Gere in „Ein Offizier und Gentleman“ in seiner schicken Uniform gesehen und wollten nun auch so ein toller Typ sein?

Ein Offizier hat Vorbild zu sein – er hat (wie jeder Vorgesetzte!) selbst mehr als das zu leisten, was er von seinen Untergebenen verlangt. Dazu gehört: Unter allen Umständen Befehle auszuführen (es sei denn dieser Befehl verletzt Gesetze, Menschenwürde oder ähnliche Ausnahmen). Und da kommen diese Sonnenbank-Schwuchteln an und jammern weil ein Kamerad gestorben ist? Wird demnächst die Grundausbildung abgebrochen, weil ein Kamerad blutige Blasen vom Marschieren hat?

Ob man diese Vorgänge als Meuterei bezeichnen muss, wo eine blosse Befehlsverweigerung reichen würde, kann ich nicht entscheiden – ich war ja nicht dabei. Allerdings halte ich die Kritik der Weicheier für bemerkenswert:

In dem Brief des Wehrbeauftragten ist demnach auch von massivem Druck der Ausbilder die Rede. Den Kadetten sei gedroht worden, nicht mehr Offizier werden zu können, wenn sie nicht in die Takelage kletterten. Es seien Sätze gefallen wie „wenn Sie nicht hochgehen, fliegen Sie morgen nach Hause“

Wieso fliegen? Soll der Steuerzahler auch noch den Flug bezahlen? Ist eine Schwimmweste nicht preiswerter?

oder „geben Sie Gas, stellen Sie sich nicht so an“, zitiert die „Mitteldeutsche Zeitung“ aus dem Schreiben.

Wie oft wird dieser Satz wohl in Deutschland ausgesprochen. Wollen wir da jedesmal das Amtsgericht bemühen? Natürlich haben diese Offiziersanwärter die Arschbacken zusammen zu kneifen und den Dienst zu versehen. Geheult wird nach Dienst. Oder wird jeder Einsatz nun sofort abgebrochen, wenn es den ersten verletzten gegeben hat?

Die in dem Bericht erwähnte sexuelle Belästigung ist harter Tobak, das ist nicht zu entschuldigen. Aber dennoch frage ich mich, was für weichgespülte Bioeier da als Offiziere die Befehlsgewalt für ehrlich ihren Dienst verrichtende „untere“ Dienstgrade erwerben wollen.

Solche Erste-Geige-Versager kann man doch – sollte es ernst werden – nur bei erstbester Gelegenheit mittels „friendly fire“ entsorgen, damit der Rest der Truppe eine ehrliche Überlebenschance hat.  SOLCHE Offiziere hatten bei uns in der Einheit den Matrosen die Betten gemacht. Dafür hätte unser Spieß schon gesorgt 🙂 Und wir haben uns nicht beschwert, wir Idioten.

Berechtigte Kritik am Job-Killer Ein-Euro-Job

Der Bundesrechnungshof kritisiert „eklatante Mängel im Hartz-IV-System“, dieses geht aus einem internen Bericht hervor auf den sich die Tagesschau bezieht:

Danach würden bei mehr als der Hälfte der geprüften Fälle die Voraussetzungen für eine staatliche Förderung fehlen.

Und genau diese Grundlage für staatliche Förderung möchte ich an einem Beispiel betrachten. Wer mein Blog aufmerksam liest, weiss dass auch ich vor ein paar Jahren die Erfahrung „Ein-Euro-Job“ machen durfte. Als Es-Selbstständiger rennt man ja direkt zur Arge – ohne Umweg über das Arbeitsamt. Im Gegensatz zu vielen Ein-Euro-Jobbern war ich froh ein wenig Kleingeld hinzu verdienen zu können. Und Erfahrungen machte ich in der Zeit auch.

Dem Betrieb in dem ich für die EDV zuständig war, ist eine Stadtteilküche mit angeschlossenem Partyservice

Außerdem werden umliegende Schulen mit leckeren Schulfrühstücken und Schulmittagessen versorgt.

An exakt diese Passage der Webdarstellung des betreffenden Betriebes wurde ich erinnert, als ich letzten Freitag in der FTD einen Bericht über das sogenannte Schulcatering las:

Täglich ein warmes Hauptgericht mit Gemüse, dazu Obst und Rohkost für zwischendurch, frische Kräuter, nur fettarme Milch, kein Salz, kein Formfleisch, und ein Getränk, mindestens 200 Milliliter, aber nur Wasser, oder Fruchtschorle, mit einem Drittel Fruchtsaft. Das Ganze für maximal 2 Euro. So soll die gastronomische Versorgung an Berliner Schulen aussehen. Auf dem Papier.

„Wir können doch nicht zaubern“, sagt Stephan Dürholt, Bereichsleiter Service Solutions beim Catering-Dienstleister Sodexo. Gute Qualität, nahrhaft und wohlschmeckend für einen Discountpreis – „das ist nicht machbar“, so Dürholt, der deswegen kürzlich sogar bei einer Ausschreibung ein Angebot zurückgezogen hat.

Ja, ich kann Herrn Dürholt verstehen. Denn wer in der Küche, der Logistik, der Ausgabe und der Buchhaltung (Finanz und Personal) mit sozial-versicherungspflichtigen Arbeitnehmern arbeiten muss, hat natürlich verloren.

Wer mit Betrieben wie dem Laurens-Janssem-Haus konkurieren muss, der kann gleich einpacken. Denn:

Die gesunden und leckeren Speisen werden zum Selbstkostenpreis verkauft. So leisten wir einen Beitrag zur gesunden Ernährung und Esskultur der Kinder, der auch für sozial schwache Familien bezahlbar ist.

Und in Sachen Selbstkosten ist ein Betrieb, der sich auf Ein-Euro-Kräfte stützt, natürlich unschlagbar.

Schaun wir uns mal an, wie sich so ein Betrieb der ausschliesslich auf „Ein-Euro-Abzocke“ gestützt ist, kalkuliert:

  • Eine fest angestellte Betriebsleiterin vor Ort (die Frau war SUPERnett! Auf die lasse ich nichts kommen!)
  • Einen fest angestellten Koch
  • Lohnbuchhaltung durch den Mutterbetrieb (zu dem unten mehr)

Jeder Ein-Euro-Jobber bringt dem Betrieb bares Geld ein, denn die Arge zahlt nicht nur an den Ein-Euro-Jobber, sondern auch eine Pauschale für „Verwaltungsaufwand“ an den beschäftigen Betrieb. Diese Pauschale beträgt etwas über 200 Euro/Pro Monat und Person.

Allein durch das zur Verfügung stellen von 20 Ein-Euro-Stellen, kassiert der Betrieb also 4000€. Dieses Geld wird nun in die Verwaltung gesteckt und sobald ich die Ein-Euro-Kräfte auch nur ansatzweise produktiv einsetze, kann ich Ertrag erwirtschaften und jedes normal agierende Unternehmen ausbooten.

Wer aber baut ein Unternehmen auf, dass – wie das Laurens-Janssen Haus – ausschliesslich als Aufgabe hat, Arbeitslosen einen Ein-Euro-Job zu bieten? Dieses ist eine Organisationen namens „passage gemeinützige Gesellschaft für Arbeit und Integration mbH“ – kurz Passage gGmbH. Und laut ihrem Impressum ist diese gGmbh:

Die passage gGmbH ist Mitglied im Diakonischen Werk Hamburg

Die Diakonie Hamburg betreibt unter der Firmierung Passage gGmbH einige Betriebe wie z.B. die „Quartierspflege“:

Seit 1998 bieten wir für Wohnungsgesellschaften und kommunale Einrichtungen im Süden Hamburgs die Dienstleistung der Hausbetreuung an.

womit der Hausmeister arbeitslos wird, oder auch das Projekt Samt und Seife, in dem:

In der Näherei werden überwiegend Raum- und Heimtextilien für gemeinnützige Einrichtungen gefertigt. Ein Schwerpunkt der Arbeit sind Textilien für kirchlichen Bedarf, wie z.B. Halskrausen, Stolen und Altardecken aus Seide.

Die Wäscherei arbeitet für gemeinnützige Einrichtungen, insbesondere aus dem kirchlichen und sozialen Umfeld des Betriebes, aber auch für bedürftige KundInnen.

Ist das nicht großartig? Da werden Kirchenausstattungen ganz legal von Ein-Euro-Jobbern erstellt und gereinigt. Der Küster braucht sich um nichts zu kümmern und die Reinigung um die Ecke geht leer aus.

All diese Dienstleistungen werden von der Arge finanziert/subventioniert. Auch hier greift uns – diesmal die evangelische – Kirche tief in die Tasche. Sozial und Kirch scheinen sich zu beissen. Was das Diakonische Werk dort treibt ist modernes Raubrittertum zu Lasten der Allgemeinheit.

Während meiner persönlichen Ein-Euro-Zeit wurde an mich die Aufgabe herangetragen, ich solle doch mal bitte eine Projektierung für das zu erstellende Ethernet-Netzwerk einer Schule erstellen. Nachdem sich meine Empörung gelegt hatte, erklärte ich der (oben bereits löblich erwähnten) Betriebsleiterin, dass ich mit EXAKT der Arbeit vor meiner Arbeitslosigkeit versuchte mein Geld zu verdienen. Ich war ganz sicher nicht bereit diese Arbeit nun für „lau“ zu tätigen und einem weiteren Berufskollegen seinen Ertrag zu stehlen. Die Dame hatte Verständnis und wir lehnten die Umsetzung (die Aufgabe kam „von Oben“ ab.