Anonym, Pseudonym, reale und statische Namen #TAZ

Am Samstag den 13.08. wurde ein Kommentar von mir in der TAZ – im Rahmen „Streit der Woche“ – veröffentlicht. Ich schreibe diesen Blogartikel prophylaktisch, da ich davon ausgehe, dass meine 1200 Zeichen für deutlich Missverständnisse sorgen werden. Man kann ein so komplexes Thema wie „Klarnamenforderung in sozialen Netzwerken“ nicht in ein paar Worten ausarbeiten. Da bleibt zwangsläufig das meiste auf der Strecke. Aber wie heißt das Zauberwort, dass man in solchen Fällen konsultiert: Sachzwang.

Eines vorab: Ich fordere keine Klarnamenpflicht im Internet. Ich fordere höchstens die Benutzer auf mit statischen, verlässlichen Namen zu agieren. Aber das zu erklären ist eine längere Geschichte.

Hier aber habe ich – im Gegensatz zu dem TAZ-Artikel – Platz für viel mehr Buchstaben und somit auch für eine tiefer gehende Erklärung.  Auch schrieb ich bereits zu dem Thema

  • Hier lächelte ich über Klarnamenforderung durch Politiker (Nov.2010)
  • Hier spreche ich mich gegen Anonymität aus (Jan. 2010)
  • Hier über Spitznamen, die nicht anonym sind (Jan. 2009)

aber ich muss und will nochmal nachlegen – allein, weil ich in der TAZ missverstanden werde (ich weiß das jetzt schon).

Zuerst einmal möchte ich die Begrifflichkeiten ein wenig betrachten. Was heißt eigentlich Realname(Klarname), Pseudonym(Künstler- oder Spitzname) und anonym(nicht identifizierbar)? Wir werden feststellen, dass diese Begriffe sehr miteinander verwoben sind.

Realname ist typischerweise der Name, wie er in unserem Ausweis steht. Meiner ist „Holger Köpke“. Aber nicht alles, was sich wie ein Realname anhört, muss auch ein Realname sein. Während man geneigt sein könnte, den Namen des Maler Hieronymus Bosch als Realname zu akzeptieren, muss man feststellen, dass es nur ein Pseudonym ist, denn er heißt wirklich Jeroen Anthoniszoon van Aken – Hieronymus ist „nur“ ein Künstlername. Wohingegen man bei Johnny Depp denken könnte, hier hat man ein Pseudonym vor sich, muss man feststellen: Der heißt wirklich so. Sollte ich mich irgendwo als „Werner Lange“ anmelden, wird man mir (ohne Ausweiskontrolle) nur schwer nachweisen können, dass dies nicht mein Name ist. Der Name hört sich halt wie ein Realname an – wäre an der Stelle aber ein Pseudonym.

Also schauen wir uns das Pseudonym mal an: griechisch ψευδώνυμος, -ον, psevdónymos – wörtlich „fälschlich so genannt“ von τὸ ψεύδος, psévdos – „Lüge“ und ὄνομα, ónoma – „Name“(Wikipedia)
Pseudonyme werden meist als Künstler- oder Spitznamen bezeichnet. Sie werden von den Inhabern (bei Spitznamen manchmal auch vom Umfeld) nach belieben an- und auch wieder abgelegt. Für die Nutzung von Pseudonymen gibt es diverse Gründe:

  • Der Inhaber möchte mit dem Werk nicht in Verbindung gebracht werden. Beispiel: Frank Farian und „Boney M“ – oder auch Schriftsteller, die „Lapidares“ unter Künsternamen veröffentlichen.
  • Der Realname des Künstlers ist schwer aussprechbar oder nicht für Zweck geeignet: Zum Beispiel wenn „Anis Mohamed Youssef Ferchichi“ unter dem Künstlernamen Bushido auftritt oder Reginald Kenneth Dwight als Elton John.
  • Die sogenannten Kampfnamen waren bei Kommunisten sehr modern. Beispiele: Lenin, Stalin oder Che Guevara

Auch hier steckt die Tücke im Detail, denn Pseudonyme können sehr wohl in Richtung „Realname“ wandern, wenn diese als Künstlername in den Ausweispapieren hinterlegt sind. Denn dann sind diese Namen „statisch“ mit der Person verknüpft. Pseudonyme sind nicht zwangläufig anonym!

Anonym kommt aus dem Griechischen und bedeutet ursprünglich „namenlos“. Anonym bedeutet, dass keine Rückschlüsse auf die betreffende Person gemacht werden können. Pseudonyme können nur solange anonym sein, bis jemand die Verknüpfung zwischen Realnamen und Künstlername „enttarnt“.

Bin ich für Klarnamen? Ungenaue Fragestellung, denn ich bin für statische Namen innerhalb einer Plattform. Ob der Name meines Gesprächspartners Erwin Kaluppke, Holger Köpke, Max Mustermann, Frimp, THW, Poetronic, Padeluun, Snake oder Ca$h ist, ist mit eigentlich egal. Es geht um eine gewisse Statik und Wiedererkennung innerhalb einer Plattform. Tatsächlich werden einige meiner Bekannten eher unter ihrem statischen(!) Pseudonym angesprochen (kaum ein Mensch kennt den Geburtsnamen von Padeluun).

Es spricht nichts Konkretes dagegen, sich z.B. bei Twitter als Hansel_A anzumelden und bei Facebook als A-Gretel. Es erschwert den Gesprächspartner unnötig die gesuchte (vielleicht auch geschätzte) Person auf einem anderen Medium wieder zu finden. Dies ist aber vielleicht von Hansel_A aka A-Gretel gewollt.

Allerdings habe ich feststellen müssen, dass einige Menschen die gefühlte Anonymität bei Nutzung eines Pseudonyms dazu nutzen, sich wie die Axt im Walde zu benehmen. Dies betrifft ausschliesslich Personen, die von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Pseudonyme schneller zu wechseln als die Unterhemden. So nach dem Motto: Die verbale Sau rauslassen, andere Menschen bepöbeln, denunzieren und dann schnell das Pseudonym wechseln. Die Mehrzahl der Pseudonymnutzer verhält sich zwar „gesittet“, mir persönlich gehen diese Pseudo-Hopper allerdings bemerkenswert auf die Waffel.

To make a long story short: Es ist sowohl der plattformübergreifenden Kommunikation als auch der Selbstdisziplinierung dienlich, sich mit statischen Namen im Internet zu bewegen.

Daneben gibt es Themen, bei denen es angezeigt ist, seine Identität zu verschleiern – dann aber bitte richtig.

All dies ist nur meine Meinung – ganz massiv subjektiv. Am Ende könnt ihr alle selbst machen, was ihr wollt – ob ich persönlich dies  gut finde oder nicht, steht auf einem anderen Blatt.

8 Gedanken zu „Anonym, Pseudonym, reale und statische Namen #TAZ

  1. Stimme dir in weiten Teilen zu.

    Das Problem mit einer Klarnamen innerhalb einer Plattform ist, dass du vielfach keine Chance mehr hast gelesen zu werden, wenn du nicht die vorherrschende Meinung vertrittst. Dann heißt es dann schnell, ah ja, der Typ, der das und das vertritt, klick und weg – ohne gelesen zu haben, was er über ein anderes Thema zu sagen hat.

    Immerhin bleibt auf den meisten Plattformen wenigtens das Posting bestehen.

    Mir ist es aber bei Telepolis so ergangen, dass du nicht einmal mehr posten kannst, wenn du dich gegen Lügen und Geschwätz zur Wehr setzt und das etwas aggressiver machst.
    Bestimmte Themen wie Kritik zur Klimalüge werden einfach nicht geduldet.

    Selbst hier bei dir ist es so, dass du gnadenlos Zensur übst – ich fürchte jetzt schon, dass die Zeilen gleich weg sein werden, d. h. 5 Minuten für die Katz‘. Gewisse Meinungen zu Themen dürfen auch hier nicht formuliert werden wie z. B. Chemtrails.

    Wenn der Betreiber noch die E-Mail-Adresse sehen kann, kannst du noch nicht einmal den Namen wechseln.

    Abschließend: ich votiere gegen Klarnamen. Überall. Mit Klarnamen wird die Meinungsvielfalt und damit die Informationsvielfalt dramatisch zusammenbrechen.

    Ich weiß nicht, wer bei MMnews liest. Aber das ist meiner Erfahrung nach die beste Plattform, um wirklich Informationen zu bekommen, wo man sonst lange nach sucht. Ok, einige Postings werden gelöscht – aber dann musst du es schon sehr doll treiben.

    Mit Klarnamen wäre die Seite schon geschlossen.

    • @von und Schmitz (Pseudonym!):

      Das Problem mit einer Klarnamen innerhalb einer Plattform ist, dass du vielfach keine Chance mehr hast gelesen zu werden, wenn du nicht die vorherrschende Meinung vertrittst. Dann heißt es dann schnell, ah ja, der Typ, der das und das vertritt, klick und weg – ohne gelesen zu haben, was er über ein anderes Thema zu sagen hat.

      Mit Klarnamen meinst Du bestimmt „statischer Name“.. Das alte Problem – von mir angesprochene Problem mit der Benamsung der Benamsung 🙂

      Aber was ist in dem von dir angesprochenen Fall das wirkliche Problem? Kann es nicht auch andersrum sein, dass Du dir ein Vertrauen aufgebaut hast und aufgrund dessen auch deine konträre Meinung vielleicht wenigstens versucht wird zu verstehen?

      Zensur ist mir z.B. überhaupt nicht möglich. Zensur kann nur der Staat ausüben. Aber Du hast Recht – es gibt gewisse Themen/Meinungen, denen ich hier kein Podium biete. Dies ist mein gutes (Haus)Recht. Dinge, die in meinen Augen zu verschroben sind (und mit Chemtrails hast Du da ein schönes Stichwort gegeben), als dass ich hier so etwas stehen/veröffentlichen lasse. Zu Michael Mross und seiner dexweb GmbH sage ich mal gar nichts.

    • @Luca:
      Wenn Du mich mit meinem echten Namen anreden würdest, dann gäbe es dicke Luft. Okay Hoppelmoppel wäre ein Extrem und solche Leute kann ich auch nicht ernst nehmen, aber es ist eigentlich recht einfach den Namen der Personen rauszukriegen insofern sie sehr aktiv und damit gut vernetzt sind.

      Ich mag, dass ich mir im Internet einen Namen aussuchen darf, der MIR gefällt und mit dem ich mich identifizieren kann. Bei mir hat es dazu geführt, dass mich inzwischen auch allesamt meine Freunde außerhalb des Internets mich so nennen. Nur noch meine Familie nennt mich mit Realnamen und auf Arbeit habe ich keine Wahl. So kann ich aber auch gut eine Grenze ziehen zwischen Freund und „Feind“.

  2. Ich liebe diesen Diskurs. Man nennt mich je nach Gemütslage : „Einen Finger im Po und den anderen in der Nase“-Mann. Aber nur unter Freunden und wenn ich nicht in irgendwelchen Blogs unterwegs bin. Noch Fragen?
    In diesem Sinne…

  3. Die ganze Thematik ist nicht so einfach. Ich bewege mich im Netz (bis auf wenige Ausnahmen) eigentlich nur unter meinem Pseudonym „hathol“ und bin damit quasi anonym unterwegs. Das liegt daran, dass ich nicht will dass JEDER in der Lage ist Kommentare etc. mit meiner Person in Verbindung zu bringen. Der wichtige Punkt hier ist das „jeder“. Ich erzaehle „draussen“ ja auch nicht jedem alles sondern gebe Informationen selektiv weiter (und achte auch sehr darauf wem ich was sage). Ergo sehe ich nicht ein warum das im Netz anders sein soll. Das ganze wird noch wichtiger wenn man bedenkt das das Netz in der Regel nichts vergisst, ich aber nicht in der Lage bin mich von jedem dummen Kommentar den ich x Jahre frueher geschrieben habe zu distanzieren. Aus diesen (und ein paar anderen) Gruenden halte ich ein gewisses Mass an Anonymitaet im Netz fuer absolut notwendig und die von unserem Innenkasper geforderte Klarnamenpflicht fuer kompletten Schwachsinn.

    So und jetzt noch eine grundsaetzliche Sache: Nur weil ein paar Kaspern sich anonym schlecht benehmen willst du die Moeglichkeit der Anonymitaet fuer alle einschraenken? Srsly? Gerade du? IMO ist das doch genau die Nummer fuer die unsere Politiker regelmaessig (verdient) Haue bekommen: Freiheiten beschneiden weil ein paar Einzelne diese ausnutzen. Auch wenn deine Forderung nach einem statischen Namen pro Platform nicht sonderlich tief in meine Freiheit eingreift (ich halte es ohnehin so), ein Eingriff ist es trotzdem.

    Gruss

    Alex

  4. Der Bundesgerichtshof hat schon 2009 (VI ZR 196/08) entschieden:
    „Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, ist mit Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde….die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegengewirkt werden.“

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